MIR: Hänsel und Gretel (Spielz. 10/11)

Immer mal wieder für ein Spektakel gut - deshalb hier der Film über die 5.ten Gelsenkirchener Spektakelfeiern.
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Tanja
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MIR: Hänsel und Gretel (Spielz. 10/11)

Beitrag von Tanja »

War noch wer bei der Premiere? Wenn nicht, müsst Ihr kaufen, was ich mitbringe.

Ich erwartete selbstredend erstmal "Brüderchen, komm tanz mit mir, beide Hände reich ich dir, einmal hin einmal her rundherum, das ist nicht schwer."

Humperdinck hatte das eingebaut und es wurde in dieser Inszenierung auch gebracht.

Hänsel und Gretel zeigten sich, samt Mama und Papa, in einer vorgezeichneten 2010-Harz4-Welt.

Mir gefiel, in diesem Zusammenhang, ganz besonders das Bühnenbild.

Eindrucksvoll fand ich den dargestellten Wald, der sich durch ca. 12 m großen Messern und Gabeln zeigte.

Das Hexenhäuschen samt Kinderschredervorrichtung ist sehenswert. Aber nur nebst der Neuen Philharmonie Westfalen.

Try it

T.

Da verlief sich wer im Wald, da war es finster und bitterkalt.
Zuletzt geändert von Tanja am 02.11.2010, 13:02, insgesamt 1-mal geändert.
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axel O
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Beitrag von axel O »

Ich erwartete selbstredend erstmal "Brüderchen, komm tanz mit mir, beide Hände reich ich dir, einmal hin einmal her rundherum, das ist nicht schwer."
Nicht zu vergessen der Evergreen "Ein Männlein steht im Walde...." :wink:

Konnte wegen eines Auslandsaufenhaltes nicht zur Premiere, werde mir das ganze FR zu Gemüte führen.

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Betonsau
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Re: MIR: Hänsel und Gretel

Beitrag von Betonsau »

Tanja hat geschrieben:War noch wer bei der Premiere?
Moin,

ich. Aber 1971.
Hab davon noch irgendwo ´nen "Guckautomat" wo man sich die schönsten Bilder aus der Hänsel & Gretel - Aufführung im MiR angucken konnte.
Seitdem war ich Kulturbanause nicht mehr im MiR.
"Fahrradhelme sorgen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr, bedeuten aber einen Rückschritt beim Thema Organspende" Harald Schmidt
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Josel
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Re: MIR: Hänsel und Gretel

Beitrag von Josel »

Betonsau hat geschrieben:Aber 1971.
Vielleicht sollten Tanja oder die Verwaltung unter diesem Gesichtspunkt der Überschrift dieses Threads noch ein "(Spielz. 10/11)" hinzufügen.

Es gibt ja noch mehr von diesen Evergreens, die am MiR immer wieder inszeniert werden...

J.

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Tanja
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Re: MIR: Hänsel und Gretel

Beitrag von Tanja »

Vielleicht sollten Tanja oder die Verwaltung unter diesem Gesichtspunkt der Überschrift dieses Threads noch ein "(Spielz. 10/11)" hinzufügen.
Du hast recht, Josel. Nur die Unfähigkeit allein... Ich habe keinen blassen Schimmer wie man nachträglich eine Überschrift ändert.
Es gibt ja noch mehr von diesen Evergreens, die am MiR immer wieder inszeniert werden...

J.
Bloss keine Drohungen! Ich denke dabei mit Schrecken an das "Immergrün" My fair Lady... :schauen:
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Josel
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Beitrag von Josel »

Einfach den Edit-Button im ersten Beitrag drücken (dürfte für Dich bis heute Abend sichtbar sein). Und dann kannst Du auch den Titel des ersten Beitrages ändern...

J.

axel O
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Beitrag von axel O »

Ein Stück, was Ängste, Sehnsüchte, Wünsche , Hoffnung, Verführung transportiert - frei von Zeit und Raum. Ein Stück vom "Essen und gegessen werden"".
Tolle Kostüme, eingerahmt von einem surrealen Bühnenbild, was durch wechselnde, perfekte Lichtstimmungen immer neue Gesichter, Stimmungen zu transportieren vermochte.
Das Orchestrer wie so oft in leisen wie in lauten Passagen souverän; die Bläser taten sich ein wenig schwerer im engen Orchestergraben.

Ein gesanglich brillantes Kinderpaar (Herbst/Duka), was durch eine sehr authentische Darstellung und Spielfreude überzeugte. So wie auch die Mutter (M.Bjerno) und der Vater (Björn Waag) - die Überraschung dieses Abends, der vor allem stimmlich über sich hinauswuchs und m.E. nahe an die Referenzeinspielung Eichhorns mit DFD durchaus heranragt.
Ein mehr als gelungener Abend..... auch für Kulturbanausen. :wink:


Ach....hab die Hex´vergessen... E. Mark-Murphy auf Söckelschuhen und (teilweise) mit roter Perücke. Von diabloisch über tuntig bis heimtückisch werden alle Register gezogen.
(...morgen lasse ich mir die Beine rasieren

PS: der Freund meiner Tochter zog es vor, als St. Pauli-Fan zum Spiel zu gehen.......gaaanz schlechte Wahl :lol: :D )

Josel
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Beitrag von Josel »

Nachdem ich so viele freundliche Reaktionen auf die Schilderungen meiner Mephistophole-Erlebnisse im MiR erhalten habe,

http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 460#258460

dachte ich mir, es könnte Euch auch die Fortsetzung des Josel’schen Theaterwinters interessieren. Denn selbst die durchweg positiven Pressekritiken der aktuellen Gelsenkirchener Inszenierung von Hänsel und Gretel konnten mich nicht davon abhalten, mir im MiR auch diesen Humperdick’schen Dauerbrenner anzuschauen. Tja, und es begab sich folgendes:

Bereits unmittelbar nach der Premiere hatte ich mehrfach davon gehört, die aktuelle MiR-Inszenierung sei mit einer Art Hexen-Merchandising verknüpft. Was das bedeutet, wird dem Besucher schon im Foyer des großen Hauses klar. Dort steht nämlich ein kleiner Stand, auf dem die Lebkuchen der MiR-Hexe feilgeboten werden. Sie sind sogar verpackt im originalen Produktdesign der MiR-Hexe, wie sich später auf der Bühne noch herausstellen soll.

Zwar ist schon viel darüber geredet worden, ob ein derartiges merkantiles Treiben in einem Musentempel wie dem MiR überhaupt angängig sei und ob man bald auch Fünf-Liter-Popcorn-Eimer wie im Multiplex-Kino befürchten müsse, aber mich fasziniert an diesem Stand ein ganz anderer Gedanke. Denn jedermann weiß doch, woraus solche Hexen-Lebkuchen gemacht werden: Nämlich aus kleinen Kindern. Und gebackene kleine Kinder stehen doch bestimmt auf irgendeiner Artenschutzliste der Unesco, überlege ich, zumal man sie – wie es Gretel ja gleich vorexerzieren wird – wieder zum Leben erwecken kann, sobald die Hexe erst einmal tot ist (Deshalb heißt es ja auch „Leb“-kuchen, wie ich als kleiner Junge immer dachte). Der Stand stellt die Logik des Stücks also auf eine ziemlich harte Probe, denn das Wiederbeleben dürfte doch nur dann funktionieren, wenn man die Lebkuchen nicht schon im Foyer verspeist...

Die frisch frisierte Dame, die vor mir steht und ebenfalls die Auslagen des Lebkuchenstandes betrachtet, teilt diese Sorgen offenbar nicht. „Viermal Lebkuchen!“, sagt sie bestimmt. Ich muss unwillkürlich an unseren Oberbürgermeister denken. Wahrscheinlich kommt sie aus irgendeiner „Speckgürtelstadt“, wie er sagen würde, wo es weder ein Hallenbad noch ein Theater gibt. Und weil diese Dame deshalb daheim so geringe Kommunalabgaben zahlt, kann sie hier am Lebkuchenstand jetzt so richtig einen auf dicke Hose machen. „Ach wissen’se was? Geben Sie mir noch zwei!“, sagt sie wie zur Bestätigung mitten in meine Gedanken hinein.

Als Gelsenkirchener kann ich da natürlich nicht mithalten. Also wende ich mich auf der oberen Ebene an eine der beiden Bars und ordere zur Feier des Tages zwei Gläser Schaumweins. Die Bedienung hinter der Theke schaut mich freundlich an. „Möchten Sie die jetzt sofort?“, fragt sie lächelnd. „Nein, jede Lieferung vor Ostern 2011 reicht mir völlig aus!“, liegt es mir auf der Zunge. Aber da der Ückendorfer ein höflicher Mensch ist, spreche ich das natürlich nicht aus. Außerdem wird jetzt auch mir klar, was sie meint. Vor ihr liegt eine Liste mit vielen Strichen. Man kann bei ihr auch Gläser für die Pause vorbestellen und auf diese Weise die schönsten Tische vorab blockieren. Aber auch das mache ich natürlich nicht.

Humperdincks „Hänsel und Gretel“ beginnt mit einem knapp zehnminütigen Vorspiel, bei dem auf der Bühne natürlich noch nichts passiert. Dann aber öffnet sich der Vorhang zum ersten Bild: Wir sind daheim bei Hänsel und Gretel.

Irgendwo hatte ich gelesen, dass die Gelsenkirchener Inszenierung Hänsel und Gretel in einem „Hartz IV“-Haushalt versetzt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, woran man das festmachen könnte, zumal Vater und Mutter auch in dieser Inszenierung offenbar außer Hauses ihren Jobs nachgehen, die zugegebenermaßen nicht viel bringen. Deshalb treffen wir nur Hänsel und Gretel an, die Socken stopfen und für das Gewerbe des Vaters Besen binden. Das Bühnenbild ist freilich so karg, dass man weniger das Gefühl haben könnte, in einem armen Wohnküche zu sein als vielmehr in einem edlen Designerloft, was vermutlich auch an den weißen, sich leuchtend vom pastellfarbenen Hintergrund abhebenden Möbeln liegt. Doch das Libretto lässt keinen Zweifel: Die beiden Kinder schieben furchtbaren Hunger. Man ist auch in diesem Stück so arm wie eh und je in diesem Märchen.

Humperdincks „Hänsel und Gretel“ erfreut sich vermutlich auch deshalb besonderer Beliebtheit auf den deutschen Spielplänen, weil gleich im ersten Bild jede Menge Evergreens aus dem Bereich der Kinderlieder vorkommen. “Brüderchen, komm tanz mit mir!“, heißt es zum Beispiel. Hänsel (Almuth Herbst) kommt dieser Aufforderung Gretels (Alfia Kamalova) gerne nach, obwohl er im MiR als Punk daherkommt (auch Gelsenkirchener Punks sind offenbar nicht mehr das, was sie mal waren). Den Kindern gelingt es jedenfalls, die Freude über ein Geschenk der Nachbarin - einen Krug Milch - ins Publikum zu tragen. Man tanzt und singt und vor lauter Übermut fertigt Hänsel auf der weißen Tischplatte einen „Besteck-Wald“, indem er dort Messer und Gabeln einsticht, die er der Besteckschublade des Tisches entnimmt. Das Treiben ist schön anzusehen, und man nimmt den beiden ab, dass sie sich auf den Milchreis freuen, den die Mutter später kredenzen soll.

Mitten hinein in diese ausgelassene Szene platzt dann wie üblich die Mutter (Noriko Ogawa-Yatake), müde heimkehrend und gleich in Rage, weil die Kinder ihrem Tagwerk nicht nachkommen. Es gibt den üblichen Stress, in dessen Verlauf der Milchkrug zerbirst, und das gibt der Mutter Anlass, die Kinder in den Wald zum Beerenpflücken zu schicken. Dann kehrt der Vater (Bjorn Waag) heim, zwar mit einer Flasche in der Hand, aber ohne hinkenden Hund. Mit Sorge vernimmt er, dass die Kinder noch immer im Wald sind.

Genau dort im Wald spielt nun das zweite Bild, und hier gelingt der Inszenierung einer der schönsten Effekte des ganzen Stückes. Denn: „Wald“? Gab es den nicht schon im ersten Akt einmal? Ja, genau: Hänsel hat doch diesen „Besteck-Wald“ gefertigt! Und genau der begegnet uns nun überdimensional wieder: Zehn Meter hohe Messer und Gabeln scheinen im Bühnenboden zu stecken (das wäre was für den Garten, denke ich...).

Ansonsten passiert das Übliche: Man findet Beeren, isst sie auf, und ehe man neue findet, ist es so dunkel, dass man aus dem Wald nicht mehr herausfindet. Alles wirkt plötzlich furchteinflößend und fremd. Die Kinder entschließen sich, die Nacht im Wald zu verbringen, und das Publikum findet sich bald in ihren Träumen wieder. Dort erscheinen die 14 Nothelfer, einschließlich der in Gelsenkirchen so beliebten Barbara.

Im dritten Akt geht es dann wie gehabt um das Knusperhäuschen. Hier hat das Stück natürlich nicht nur seinen dramaturgischen, sondern auch seinen musikalischen Höhepunkt. Aber auch die Gelsenkirchener Bühnenbildner tragen an dieser Stelle wiederum schwer Faszinierendes bei. Viel verraten will ich nicht, die Effekte sollte man gesehen haben.

Tja, und es gibt natürlich auch ein Happy End. Die Hexe wird an Hänsels Stelle gebacken und danach verspeist. Die schon im Hexenhäuschen befindlichen Lebkuchen werden - wie immer - auch in Gelsenkirchen wieder zum Leben erweckt. Pech haben vermutlich nur die Lebkuchenkinder, die die Frau aus dieser Speckgürtelstadt schon vor dem Stück gekauft hat.

Was bleibt? Das Ganze hat mir durchaus gefallen. Aber ich kann mir nicht helfen: Ganz so mitreißend wie Mephistophele fand ich es nicht.

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