1. Dezember
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Re: 1. Dezember
Den Beitrag für das erste Türchen hat uns Lo zur Verfügung gestellt:
Kommen Sie zurecht?
Ein vorweihnachtliches Erlebnis von Lothar Lange
„Ganz schön schubbich isset!“ Oder „usselich„, wie man hier im Ruhrgebiet zu sagen pflegt, wenn eisigkalter Wind mit Nieselregen gepaart die Menschen lieber ins Warme flüchten lässt, als dass sie durch die vorweihnachtlich lichterstrahlende City flanieren und windowshopping betreiben, wie es heute auf neudeutsch heißt.
Trotz des ungemütlichen Usselwetters brummt es aber in der Fußgängerzone. Vor den Weihnachtsmarkt- und Bratwurstbuden – und besonders um die Glühweinstände herum – scharen sich fröhliche, manchmal schon leicht angeglühte Menschen, ihre heißen Tassen mit beiden Händen umfassend, um sich auch äußerlich ein wenig daran zu erwärmen.
Mir ist kalt. Ich schaue mir das bunte Treiben an und erinnere mich plötzlich an Bilder aus meiner Kindheit, um wieviel schlichter doch die Geschäfte früher zur Weihnachtszeit geschmückt und beleuchtet waren:
Auf der Buerschen Hochstraße meist mit Tannengirlanden und vielen Glühbirnen daran. Die Spielzeugläden hatten als Attraktion eine elektrische Eisenbahn im Schaufenster, die dort stundenlang ihre Runden drehte und für Spuren von plattgedrückten Kindernasen auf den Schaufensterscheiben sorgte.
Ein wenig sentimental gehe ich weiter, der Wind ist ungemütlich, ich schlage meinen Mantelkragen hoch und betrete schon wenig später das strahlend hell erleuchtete Bekleidungshaus. Licht lockt Leute!, so sagt man. Und warm ist es dort.
Gleich im parterre – die Herrenabteilung.
Ein Tick von mir: Hemden.
Wenn mir eines spontan gefällt, nehme ich es mit. Isso. Bezahlt natürlich.
Die Wärme des Hauses genießend schaue ich mir Hemden an, fühle den Stoff, schaue auf den Preis, suche weiter.
Plötzlich erscheint neben mir eine junge Frau, wie aus dem Nichts, schaut mich sehr freundlich an und fragt:
„Kommen Sie zurecht?“
Ein Glücksgefühl überkommt mich. Überraschend.
Ein Mensch interessiert sich für mich,
für mein Leben, möchte wissen, ob ich zurecht komme.
Ich bin sprachlos und spüre einen leisen Hauch von Gerührtheit:
es gibt also doch noch Menschlichkeit, ehrliches Interesse am Mitmenschen, Empathie, Anteilnahme.
Mag sie mich? Wirke ich vielleicht interessant auf sie?
„Kommen Sie zurecht?“
Diese Frage, ich habe sie noch im Ohr und weiß gar nicht, was ich diesem wunderbaren Menschen entgegnen soll. Komme ich wirklich zurecht?
Soll ich ihr sagen, dass ich eigentlich recht zufrieden mit meinem Leben bin?
Dankbar darüber, mein Leben lang gesund geblieben zu sein?
Und dafür, dass meine Familie gesund ist? Dass ich aber manchmal auch meine kleinen Sorgen und Nöte habe?
Dass ich mir mehr Zeit wünschte für die Dinge, die ich immer schon einmal machen wollte? Dass ich so gern einmal ein ganzes Jahr am Meer leben würde, und schreiben, malen und alles das tun, wonach mir gerade ist? Vielleicht alte Freunde treffen. Den Kopf in den Wolken haben…
Doch, ja – so denke ich vor mich hin: ich kann zufrieden sein.
Ich schaue die junge Dame freundlich voller Dankbarkeit über ihr Interesse an mir an – und bevor ich ihr antworten kann, sagt sie lächelnd:
„Wir haben diese Hemden auch in „Regular fit“, falls Sie mit „Slim fit“ nicht zurecht kommen sollten!“
Zack!!! Peng!!!
Wusst´ ich´s doch: die Welt ist schlecht.
Verdelli! Und dat vor Weihnachten!
Kommen Sie zurecht?
Ein vorweihnachtliches Erlebnis von Lothar Lange
„Ganz schön schubbich isset!“ Oder „usselich„, wie man hier im Ruhrgebiet zu sagen pflegt, wenn eisigkalter Wind mit Nieselregen gepaart die Menschen lieber ins Warme flüchten lässt, als dass sie durch die vorweihnachtlich lichterstrahlende City flanieren und windowshopping betreiben, wie es heute auf neudeutsch heißt.
Trotz des ungemütlichen Usselwetters brummt es aber in der Fußgängerzone. Vor den Weihnachtsmarkt- und Bratwurstbuden – und besonders um die Glühweinstände herum – scharen sich fröhliche, manchmal schon leicht angeglühte Menschen, ihre heißen Tassen mit beiden Händen umfassend, um sich auch äußerlich ein wenig daran zu erwärmen.
Mir ist kalt. Ich schaue mir das bunte Treiben an und erinnere mich plötzlich an Bilder aus meiner Kindheit, um wieviel schlichter doch die Geschäfte früher zur Weihnachtszeit geschmückt und beleuchtet waren:
Auf der Buerschen Hochstraße meist mit Tannengirlanden und vielen Glühbirnen daran. Die Spielzeugläden hatten als Attraktion eine elektrische Eisenbahn im Schaufenster, die dort stundenlang ihre Runden drehte und für Spuren von plattgedrückten Kindernasen auf den Schaufensterscheiben sorgte.
Ein wenig sentimental gehe ich weiter, der Wind ist ungemütlich, ich schlage meinen Mantelkragen hoch und betrete schon wenig später das strahlend hell erleuchtete Bekleidungshaus. Licht lockt Leute!, so sagt man. Und warm ist es dort.
Gleich im parterre – die Herrenabteilung.
Ein Tick von mir: Hemden.
Wenn mir eines spontan gefällt, nehme ich es mit. Isso. Bezahlt natürlich.
Die Wärme des Hauses genießend schaue ich mir Hemden an, fühle den Stoff, schaue auf den Preis, suche weiter.
Plötzlich erscheint neben mir eine junge Frau, wie aus dem Nichts, schaut mich sehr freundlich an und fragt:
„Kommen Sie zurecht?“
Ein Glücksgefühl überkommt mich. Überraschend.
Ein Mensch interessiert sich für mich,
für mein Leben, möchte wissen, ob ich zurecht komme.
Ich bin sprachlos und spüre einen leisen Hauch von Gerührtheit:
es gibt also doch noch Menschlichkeit, ehrliches Interesse am Mitmenschen, Empathie, Anteilnahme.
Mag sie mich? Wirke ich vielleicht interessant auf sie?
„Kommen Sie zurecht?“
Diese Frage, ich habe sie noch im Ohr und weiß gar nicht, was ich diesem wunderbaren Menschen entgegnen soll. Komme ich wirklich zurecht?
Soll ich ihr sagen, dass ich eigentlich recht zufrieden mit meinem Leben bin?
Dankbar darüber, mein Leben lang gesund geblieben zu sein?
Und dafür, dass meine Familie gesund ist? Dass ich aber manchmal auch meine kleinen Sorgen und Nöte habe?
Dass ich mir mehr Zeit wünschte für die Dinge, die ich immer schon einmal machen wollte? Dass ich so gern einmal ein ganzes Jahr am Meer leben würde, und schreiben, malen und alles das tun, wonach mir gerade ist? Vielleicht alte Freunde treffen. Den Kopf in den Wolken haben…
Doch, ja – so denke ich vor mich hin: ich kann zufrieden sein.
Ich schaue die junge Dame freundlich voller Dankbarkeit über ihr Interesse an mir an – und bevor ich ihr antworten kann, sagt sie lächelnd:
„Wir haben diese Hemden auch in „Regular fit“, falls Sie mit „Slim fit“ nicht zurecht kommen sollten!“
Zack!!! Peng!!!
Wusst´ ich´s doch: die Welt ist schlecht.
Verdelli! Und dat vor Weihnachten!
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Re: 1. Dezember
Sehr schön ! Eine wundervolle kleine Geschichte in der man sich am Anfang sehr behaglich fühlt ..... und dann der Twist !Verwaltung hat geschrieben: ↑01.12.2021, 00:27Kommen Sie zurecht?
Ein vorweihnachtliches Erlebnis von Lothar Lange
[...]
Auch mich hat die Familie am Morgen mit einem Lächeln vor dem Laptop gesehen.
Was mir nicht so gut gefallen hat: Die Verwaltung hätte es sich sparen können zur Untermalung gleich noch in echt das usselige Wetter dazu zu bestellen
obbi
- Pedda Gogik
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Re: 1. Dezember
Verwaltung hat geschrieben: ↑01.12.2021, 00:27Den Beitrag für das erste Türchen hat uns Lo zur Verfügung gestellt:
Kommen Sie zurecht?
Ein vorweihnachtliches Erlebnis von Lothar Lange
Ich schaue die junge Dame freundlich voller Dankbarkeit über ihr Interesse an mir an – und bevor ich ihr antworten kann, sagt sie lächelnd:
„Wir haben diese Hemden auch in „Regular fit“, falls Sie mit „Slim fit“ nicht zurecht kommen sollten!“
Zack!!! Peng!!!
Wusst´ ich´s doch: die Welt ist schlecht.
Verdelli! Und dat vor Weihnachten!
Reality ... auf neudeutsch ....
Re: 1. Dezember
Klasse! Diese Miniatur gefällt mir gut, verbindet sie doch nostalgische Erinnerung mit der Realität heute...