Stadtchronik 1974

Auszüge aus den von 1936 bis 1978 maschinenschriftlich geführten Chroniken der Stadt Gelsenkirchen

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heen
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Stadtchronik 1974

Beitrag von heen »

Man tritt etwas kürzer. Es wird kürzer gearbeitet, dass führt dann zum Konkurs der betroffenen Firma. Und die Bürger mucken weiter auf, eine Savador-Allende-Straße wird gefordert, ein "pro-grün"- Verein zickt rum und dann noch der Arbeitskreis "Emanzipation der Geschlechter". Schüler streiken und das kann auch der öffentliche Dienst. Auch die Bewohner von Flötz Dickebank wollen nicht wie es von ihnen erwartet wird.
Zur Imageverbesserung veröffentlicht die Stadt einen Durchfahrtsplan.
Das fängt ja gut an.
von hier:
https://www.gelsenkirchen.de/de/Bildung ... k_1974.pdf
Stadtchronik 1974 hat geschrieben: Samstag, 5. Januar 1974
Kurzarbeit melden nun auch Betriebe der heimischen Glasindustrie (Flachglas AG Rotthausen und Spiegelmanufactur Schalke) sowie Kraftfahrzeugbetriebe an.

Samstag, 5. Januar 1974
Das Ehepaar Lutz und Anne Motzko eröffnet die "Jazz & Art Galerie" im Arminbunker, in der zeitgenössische Kunst gezeigt sowie kleinere Musikveranstaltungen durchgeführt werden sollen. Zum Galerie-Start werden Arbeiten des Wanne-Eickeler Objektmalers Peter Grzan ausgestellt.

Samstag, 5. Januar 1974
Der Grünausschuß der Stadt stimmte der Erhöhung der Eintrittspreise für den Ruhr-Zoo zu. Die Delphin-Schau wird in diesem Jahr aus dem Zoo-Programm gestrichen. Stattdessen soll ein Baby-Zoo eingerichtet werden.

Mittwoch, 9. Januar 1974
Nach jüngsten Zählungen leben derzeit 22.448 Ausländer aus 78 Nationen in Gelsenkirchen. Damit erhöhte sich.die Zahl im laufe des vergangenen Jahres um knapp 2.000 oder annähernd 10 Prozent. Den größten Anteil stellen dabei nach wie vor die Türken mit 11.200 Bürgern. Nur 76 Ausländer beantragten 1973 bei der Stadtverwaltung die deutsche Staatsbürgerschaft.

Mittwoch, 9. Januar 1974
Als bester Spieler des Schachvereins Horst-Emscher 31 errang Bezirkseinzelmeister Karl-Adolf Höwel beim 49. Internationalen Schachkongreß in Hastings/Großbritannien einen (geteilten) 1. Preis.

Donnerstag, 10. Januar 1974
Um die spezifische Schönheit von Gelsenkirchen bewußt zu machen, schlägt
Dipl.-Ing. Lutz Heidemann vor, exemplarische Einzelbauten und ganze Bau-
gruppen aus der Phase der Industrialisierung, der Zeit zwischen 1900 und dem 1. Weltkrieg und der expressionistischen Phase der zwanziger Jahre zu erfassen und zu erhalten. Zur Erhaltung der Natur fordert der Kreisbeauftragte für Naturschutz und Landschaftsschutz, Dr. Ermeling, ein Gesetz zum generellen Schutz des Gelsenkirchener Baumbestandes zu verabschieden.

Freitag, 11. Januar 1974
Zum Jahreswechsel stieg die Arbeitslosenquote im Arbeitsamtbezirk Gelsenkirchen auf 3,3 Prozent(= 6.503 Arbeitssuchende). 23 Betriebe mit 1.634 Beschäftigten meldeten Kurzarbeit an. Betroffen sind von der Wirtschaftsflaute bis auf den Bergbau mit 361 offenen Stellen fast
alle Wirtschaftszweige.

Freitag, 11. Januar 1974
Nach den Ergebnissen der Bürgerbefragung, die im vergangenen Jahr von der Landesbausparkasse bei der Wanderausstellung "Stadt im Test" in Gelsenkirchen durchgeführt wurde, waren 93 Prozent aller Befragten mit dem Freizeitangebot ihrer Stadt zufrieden. Hingegen vermißten 11 Prozent ausreichende Bildungseinrichtungen und genausoviele äußerten Sorge um den Arbeitsplatz.

Samstag, 12. Januar 1974
Der ev. Kirchenkreis verklagt die Stadt auf Rückerstattung von 540.000 DM für Jugend- und Sozialhilfe aus den Jahren 1970 und 71. Dem Rechtsstreit kommt überörtliche Bedeutung zu, da auch zahlreiche andere Kommunen die Wahrnehmung der erforderlichen sozialen Aufgaben an freie Wohlfahrtsverbände delegieren.

Dienstag, 15. Januar 1974
Der beschlossenen Erweiterung der Hauptschule an der Bergmannsglückstraße in Hassel stehen die Bestimmungen des Flächennutzungsplanes entgegen, der das Gelände als Grüngebiet ausweist, da infolge der Immissionen von der VEBA-Chemie eine Wohnbebauung dort künftig nicht mehr möglich ist.

Mittwoch, 16. Januar 1974
Zur Gründung einer Bezirksgruppe des Gemeinnützigen Grünflächenvereins "pro grün e.V." rufen mehrere Bürger auf, nachdem das Gartenbauamt am Hauptmarkt 15 Linden fällen ließ, um sie durch die robusteren Platanen zu ersetzen. Nach Meinung der Naturschützer kommt es eher auf die Erhaltung des vorhandenen Baumbestandes an.

Mittwoch, 16. Januar 1974
Die Baufirma Nordring GmbH und Co KG an der Ophofstraße meldet Konkurs an. Spezialität des Unternehmens, das jährlich zwischen 15 und 2o Mio DM verbaute, waren Fertigbauten.

Mittwoch, 16. Januar 1974
Noch in diesem Jahr soll die Schulentwicklungsplanung der Stadt abgeschlossen werden, die im Rahmen der Stadtentwicklungsplanung begonnen wurde. Die Stadt gibt in diesem Jahr neben den steigenen Ausgaben für Fahrtkosten, Lern- und Lehrmittel und den übrigen sächlichen Ausgaben allein 21 Mio DM für den Neubau der Gesamtschule im Berger Feld und das Schulzentrum in Ückendorf aus.

Freitag, 18. Januar 1974
Der Arbeitskreis "Emanzipation der Geschlechter", der vor einem halben Jahr unter Leitung der Gelsenkirchener Journalistin Monika Pöschke-Schröder im Revierpark Nienhausen seine Arbeit aufnahm, startet im Freizeithaus ein großes Werbe- und Informationsfest. Prominenteste Teilnehmerin ist die Sportstudio-Moderatorin Carmen Thomas.

Freitag, 18. Januar 1974
Nach Inbetriebnahme der neuen Kühlanlage auf dem Nordfeld der VEBA-Chemie in Scholven liegt die Fahrbahn in einer Länge von 150 m unter einer dichten Rauchschwadenwolke. Der Konzern erhielt deshalb die Auflage, die Verkehrssicherheit in diesem Bereich zu gewährleisten.

Samstag, 19. Januar 1974
Gelsenkirchen wird zu Schulbeginn noch einen Fehlbedarf von 13,8 Prozent der Lehrerplanstellen haben, während der Landesdurchschnitt bei 12,7 Prozent liegt. Um den Lehrermangel im Emscher-Lippe-Raum langfristig zu überwinden, halten die Schulpflegschaften des Landes die Einrichtung einer Gesamthochschule, deren Standort ihrer Ansicht nach am ehesten in Gelsenkirchen liegen sollte, für unumgänglich.

Montag, 21. Januar 1974
Die Bekleidungsfirma Huko an der Dickampstraße soll wegen mangelnder Rentabilität zum 31. März d.J. geschlossen werden. Die Firma, die zur Unternehmensgruppe Kogge GmbH & Co. KG gehört, hat 180 Beschäftigte.

Montag, 21. Januar 1974
Die Schüler der Studienstufe an der Gesamtschule treten in einen befristeten Streik, als ihnen, wie auch der Eltern- und Lehrerschaft, die kurz bevorstehende Wahl von Heinz Schulten zum neuen Schulleiter mitgeteilt wird. Schulten, der von der Schülerschaft abgelehnt wird, leitet die Gesamtschule seit dem vergangenen Jahr nur kommissarisch.

Mittwoch, 23. Januar 1974
Zum neuen Leiter der Gesamtschule wählt der Schulausschuß einstimmig den einzigen Bewerber, Studiendirektor Heinz Schulten (42). Eine nichtangemeldete Demonstration der Gesamtschüler gegen das Vorgehen der Schulverwaltung und die Person Schultens wird wegen möglicher Konflikte mit der Polizei kurzfristig abgesagt.

Freitag, 1. Februar 1974
Die Stadt war gestern nicht in der Lage, 21 von insgesamt 46 politischen Flüchtlingen aus Chile in zumutbaren Wohnungen unterzubringen. Die Chilenen, die bereits zwei Wochen im Flüchtlingslager Massen (Unna) gelebt hatten, mußten unverrichteter Dinge wieder dorthin zurückkehren.

Samstag, 2. Februar 1974
Das Chile-Solidaritätskomitee fordert den Rat der Stadt auf, die Ahstraße in Salvador-Allende-Straße umzubenennen und der Gesamtschule den Namen Pablo-Neruda-Gesamtschule Gelsenkirchen zu geben.

Dienstag, 5. Februar 1974
Der Unterbezirksvorstand der Jungsozialisten fordert den Rücktritt des Sozialdezernenten Bruno Lange "wegen seines Fehlverhaltens" im Falle der 21 aus Gelsenkirchen wieder abgereisten chilenischen Flüchtlinge. Außerdem wird kritisiert, daß die Stadt trotz vorheriger Information nicht in der Lage war, innerhalb von zwei Tagen menschenwürdige Wohnungen zu besorgen, und daß kein offizieller Vertreter der Stadt bei der Begrüßung der Flüchtlinge zugegen war. Bruno Lange erklärte zu den Vorwürfen, die Landesregierung habe die Zuweisung von zunächst nur 3o Personen angekündigt. Der Haupt- und Finanzausschuß kam nach einer Untersuchung zu dem Ergebnis, daß der Dezernent in diesem Fall alles verwaltungstechnisch Mögliche getan habe.

Mittwoch, 6. Februar 1974
Im Rahmen des "Fachprogramms Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten" hat die Stadt den 50seitigen Report "Kinderspielplätze in Gelsenkirchen" vorgelegt. Danach bestehen zur Zeit 101 Plätze mit 283.774 qm Gesamtfläche, womit die Richtwerte des "Goldenen Plans" der Deutschen Olympischen Gesellschaft nur zu 55,4 % gedeckt werden. Ein Nachholbedarf besteht insbesondere in Hassel und Schalke. Als flankierende Maßnahme zum Bau von Kinderspielplätzen schlägt der Report die Freigabe von Schulhöfen, Sportflächen und Heimen der Offenen Tür, das Integrieren von Grünflächen in die Wohngebiete und das Einrichten von reinen Spielstraßen vor.

Donnerstag, 7. Februar 1974
7.900 Arbeitslose, das entspricht 4,1 %, registrierte der Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen im Januar d.J. Das ist die höchste Arbeitslosenquote seit 1969. Auffallend ist der starke Zugang von Arbeitslosen aus dem Handel (+ 258 gegenüber Dezember 1973). Die Zahl der offenen Stellen hat sich allerdings - bedingt durch den hohen Bedarf im Bergbau - auf 2.182 verdoppelt. In 23 Betrieben wurde am 15. Januar d.J. kurzgearbeitet (1973: 18). Betroffen waren 1.859 Beschäftigte, davon 1.128 aus der Glasindustrie und 546 aus 10 Bekleidungsfirmen.

Donnerstag, 7. Februar 1974
Konkurs angemeldet hat die Fischkonservenfabrik Kurt Schürmann in der Wanner Straße 189.

Samstag, 9. Februar 1974
Eine zweite Gruppe chilenischer Flüchtlinge ist in Gelsenkirchen eingetroffen. Diesmal standen Vertreter der Stadt sowie Bedienstete des Sozialamtes zum Empfang in der Bösingfelder Straße bereit.

Samstag, 9. Februar 1974
Stundenlang suchte die Feuerwehr gestern die Emscher in Höhe der Brücke an der Fischerstraße nach der goldenen Krone ab, die zwei Jugendliche aus der Kapelle an der Laurentius-Kirche, Horst, entwendet und nach Entnahme der Edelsteine in den Fluß versenkt hatten.

Montag, 11. Februar 1974
Seit heute 0.00 Uhr streiken Müllabfuhr, Fuhrpark und Straßenbahn. Ein Notdienst beseitigt den Müll der sozialen Gemeinschaftseinrichtungen. Am Sonntag verhinderten Streikposten der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), daß die Vorstellungen im Musiktheater im Revier stattfanden. Ab Dienstag sollen zusätzlich die städtischen Bäder, Post und Stadt-Sparkasse bestreikt werden.

Mittwoch, 13. Februar 1974
Der Ausstand im öffentlichen Dienst wird heute verschärft. Die Schulen im gesamten Stadtgebiet und die Stadtverwaltung bleiben wegen des Streiks von Hausmeistern und Reinigungspersonal geschlossen. Ebenfalls verschärft haben die Deutsche Postgewerkschaft und der Deutsche Postverband den Tarifkampf.

Mittwoch, 13. Februar 1974
Ab heute liegen für 14 Tage an drei Stellen (Hans-Sachs-Haus und die Ämter in Buer und Horst) die Eintragungslisten für das Volksbegehren der "Aktion Bürgerwille" gegen die kommunale Neuordnung aus.

Donnerstag, 14. Februar 1974
Im normalen Umfang nehmen heute die Arbeiter und Angestellten von Stadtverwaltung, Müllabfuhr, Fuhramt, Bäder, BoGeStra, Stadtwerke, Stadt-Sparkasse und Post ihre Arbeit wieder auf, nachdem gestern abend der Streik in der Tarifauseinandersetzung bis zur Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis beendet wurde. Dem Streikaufruf der ÖTV waren in Gelsenkirchen fast 100 % der Organisierten (rund 4.000 Beschäftigte) gefolgt. 400 t Müll blieben während des mehrtägigen Streiks liegen.

Freitag, 15. Februar 1974
Der Ausschuß für Stadtwerbung plant zahlreiche Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen gegenüber der Revierstadt Gelsenkirchen (GE). Neben der weiteren Herausgabe des Ratsjahresberichtes sind folgende Prospekte vorgesehen: GE (als Fortdruck des illustrierten Kunstdruckteils des Adreßbuches GE 1974), Wissenswertes über GE, Ruhr-Zoo, Hotelverzeichnis (mit Hinweisen auf Tagungsmöglichkeiten), Durchfahrtsplan (mit Blickrichtung auf die Fußball-Weltmeisterschaft), Sportstätten, kulturelle Einrichtungen und Bildungsstätten. Weiterhin soll der "Wegweiser durch GE" neu aufgelegt sowie ein neuer Bildband über die Stadt herausgegeben werden.

Freitag, 15. Februar 1974
Der landesweite Initiativkreis "Weg mit den Berufsverboten" wandte sich mit der Auffassung an die Öffentlichkeit, daß die Stadt Gelsenkirchen bei dem herrschenden Lehrermangel keinen Bewerber für den Schuldienst aus politischen Gründen abweisen sollte. Die Initiative bezog sich damit auf die Fälle der beiden Lehrerinnen Liesel Richter und Ursula Schürholz, denen die Einstellung wegen Teilnahme an DKP-Versammlungen versagt wird.

Mittwoch, 20. Februar 1974
Die Firma Huko GmbH und Co. KG, Damenoberbekleidungshersteller an der Dickampstraße, stellt beim Amtsgericht Gelsenkirchen Vergleichsantrag. Betroffen sind davon 160 Beschäftigte und 24 Auszubildende. Als Gründe nennt die Huko-Leitung die mangelhafte Auftragslage, stark finanzielle Bedrängnis und äußerst hohe Verluste in den letzten Monaten.

Mittwoch, 20. Februar 1974
Der Gelsenkirchener Film- und Buchautor Rainer Horbelt kritisierte in der WDR-III-Sendung "Mosaik" das Gelsenkirchener Kulturprogramm während der Fußball-Weltmeisterschaft. Die vorgesehenen 160.000 DM würden hauptsächlich für "elitäre Kultur" (Theater- und Operngalas) ausgegeben.

Samstag, 23. Februar 1974
Um die Notwendigkeit eines unabhängigen Jugendzentrums nochmals faktisch zu belegen, hat das Kommunikations- und Informationszentrum e.V. (KOMIC) in den vergangenen Monaten eine Analyse über die Freizeitangebote in Gelsenkirchens Häusern der Offenen Tür erarbeitet. Kritisiert wird darin die örtliche Lage und der Allgemeinzustand der Heime. Für 16- bis 25-jährige fehle ein Unterhaltungsangebot vollständig, außerdem sind fast alle Heime während der Freizeit der Jugendlichen geschlossen.

Montag, 25. Februar 1974
250.000 Schaulustige - 20.000 mehr als im Vorjahr - sehen in Erle den diesjährigen Rosenmontagszug. "Ölkrise" und kommunale Neuordnung liefern den Stoff für die närrische Kritik.

Mittwoch, 27. Februar 1974
Das Volksbegehren gegen die kommunale Neuordnung ist gescheitert. Insgesamt sprachen sich nur 4.266 Bürger, das sind 1,7 % der 250.000 wahlberechtigten Gelsenkirchener, dafür aus. Davon entfielen auf Gelsenkirchen-Mitte 2.771, auf Buer 1.o12 und auf Horst 483. Die "Aktion Bürgerwille" hatte in Gelsenkirchen mit einer 50prozentigen Unterstützung der Bevölkerung gerechnet.

Mittwoch, 27. Februar 1974
Das in Konkursverhandlungen stehende Textilunternehmen Huko entläßt rund 100 Beschäftigte. Die halbfertige Produktion soll - mit Einverständnis des Betriebsrates - von den Auszubildenden mit zwei Ausbilderinnen sowie sechs Arbeitskräften bis Ende April zu Ende geführt werden.

Donnerstag, 28. Februar 1974
Durch die neue Verordnung des Bonner Innenministeriums über die künftigen Maßstäbe für die Luftreinhaltung ist der Bau des Blockes F im VEBA-Kraftwerk in Scholven in Frage gestellt.

Donnerstag, 28. Februar 1974
Bürgermeister Franz Sandmann begründet das schlechte Ergebnis der "Aktion Bürgerwille" in Gelsenkirchen mit der geringen Zahl der Eintragungsstellen und historischen Erfahrungen mit dem nutzlosen Protest gegen die Eingemeindung 1928 und ebenso erfolglosen Versuchen der Loslösung von Buer zu Beginn der 50er Jahre.

Freitag, 1. März 1974
Oberbürgermeister Löbbert führt den Mißerfolg der "Aktion Bürgerwille" auf die beschränkte Anzahl und ungünstige Lage der Eintragungslokale in den Großstädten zurück. Von den neuzubildenden Bezirksvertretungen erhofft sich Löbbert einen besseren Kontakt zwischen Verwaltung und Bevölkerung.

Samstag, 2. März 1974
Unter Kritik vieler Bürger wurde gestern eine der vier Linden am Rathausplatz Buer gefällt, um weiteren Baumaßnahmen Platz zu schaffen. Damit wurden in den letzten 5 Jahren 1.909 Straßenbäume gefällt, davon 10 - 15 Bäume wegen Gasvergiftung. Als Ersatz wurden 2.072 Jungbäume gepflanzt. 1972 und 1973 wurden mehr Bäume gefällt als neugesetzt. Nach Erklärung des städtischen Gartenamtes sollen 1974/75 für jeden gefällten Baum zwei bis drei neue Bäume gepflanzt werden.

Montag, 4. März 1974
SPD-Mdl Egbert Reinhard kritisierte auf einer Veranstaltung seiner Partei in Beckhausen die Vorstellungen der "Aktion Bürgerwille" von einem einheitlichen Kommunalverband Ruhr und einem einheitlichen Bebauungsplan für das gesamte Ruhrgebiet als bürgerfern und selbstsüchtig. Bezirksvertretungen, wie im Regierungsbeschluß vorgesehen, bezeichnete Reinhard als überflüssige Aufsplitterungen der Städte.

Dienstag, 5. März 1974
Für Rahmenveranstaltungen zu den Spielen der Fußball-Weltmeisterschaft stellt die Stadt 160.000 DM zur Verfügung, davon 50.000 DM für ein Zusatz-Kulturprogranm. 60.000 DM für Promenadenkonzerte und die Herrichtung des Stadtbildes und 50.000 DM für die Stadtteilprogramme der Werbegemeinschaften.

Mittwoch, 6. März 1974
Bei Bemessung der Zuwendungen durch das Sozialamt sollen - laut Beschluß des städtischen Haupt- und Finanzausschusses - politische Flüchtlinge und deutsche Ansiedler gleichbehandelt werden. Damit wurde ein Antrag der Gefangenen-Organisation "amnesty international" nach Aufstockung der Hilfe für die mittellosen Chilenen (s. 1. Februar d.J.) abgelehnt. Zur Zeit sind im Ubergangsheim Bösingfelderstraße 22 Räume mit 48 deutschen Aussiedlern und 13 Räume mit 37 chilenischen Flüchtlingen belegt.

Donnerstag, 7. März 1974
Im Februar gab es im Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen 8.284 Arbeitslose, darunter 2.919 Frauen. Die Arbeitslosenquote stieg damit um 0,2 auf 4,3 Prozent. Mit 2.663 unbesetzten Stellen kommt auf etwa jeden 4. Arbeitslosen eine offene Stelle. Mit 659 ausländischen Arbeitslosen entspricht die Arbeitslosenquote bei Ausländern ebenfalls genau 4,3 Prozent.

Samstag, 9. März 1974
Mit Auslaufen des Dampfbetriebes wird der Diesellokbetrieb des Bahnbetriebswerkes Gelsenkirchen-Bismarck zum Knotenpunkt Wanne-Eickel verlegt.

Samstag, 9. März 1974
In einem offenen Brief an Institutionen von Bund, Land und Kommune bittet die "Interessensgemeinschaft der VEBA-Anlieger" um eine schnelle und unbürokratische Lösung des Falles "Sanierungsgebiet Oberscholven", in dem die VEBA den Bau von vier Kraftwerksblöcken geplant hat. Die IG kritisiert die Erteilung der Baugenehmigung durch die Behörden als bedenkliches rechtliches Vorgehen und wirft der VEBA-Unternehmensleitung eine zweifelhafte moralische Handlungsweise (wie den "Ankauf der Anlieger" durch Schadensersatzerstattung für die Immissionsschädigung beim Bau der Kraftwerksblöcke B, C, D und E) vor.

Samstag, 9. März 1974
Der Vorsitzende der Werbegemeinschaft Rotthausen, Karl-Heinz Tekautschitz, wirft anläßlich einer befristeten Sperrung der Karl-Meyer-Straße der Stadtverwaltung vor, daß sie ohne Anhörung der Betroffenen, ohne Information der Bürger und ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen entscheidende Veränderungen im Straßenverkehr vornehme.

Sonntag, 10. März 1974
Der SPD-Unterbezirksparteitag entscheidet sich mit einer gegenüber den letzten Vorstandswahlen klaren 142: 128-Stimmenmehrheit für den alten und neuen Vorsitzenden Prof. Dr. Heinz Meya. Im neuen Vorstand hält die Meya-Gruppe eine knappe 8 : 7-Mehrheit. Dem vorliegenden Organisationsbericht des Unterbezirkes für 1972/73 ist zu entnehmen, daß die Mitgliederzahl trotz ständig abnehmender Bevölkerungszahl von 8.662 /1971) auf 10.146 im Jahre 1973 gestiegen ist.

Montag, 18. März 1974
Auf 18.000 Einheiten hat sich der Althausbestand ohne zeitgemäße Sanitärausstattung in Gelsenkirchen seit 1968 reduziert und macht nun noch 14 % des Gesamtwohnungsbestandes (128.000 Einheiten) aus. 4.000 der 8.600 noch zu erneuernden Wohnungen liegen in Gemengelage mit störendem Gewerbe bzw. Industrieflächen (Schalke Nord, Bereich Zeche Hugo, östliche Steeler Straße in Rotthausen), rund 2.000 in geplantem Abschirmungsgrün zu störenden Industrieflächen sowie stark emittierenden Verkehrsstraßen (VEBA / Feldhauser Straße), rund 2.600 in Splittersiedlungen im Außenbereich oder in nichtintegrierten Streusiedlungen (Kirchhellenstraße, Eichkampsiedlung). Der Sanierungsschwerpunkt liegt im Süden der Stadt (Ückendorf, Neustadt, Rotthausen).

Dienstag, 19. März 1974
100 Jahre besteht die Gaststätte "Tigges" an der Ebertstraße/Ecke Mulvanystraße, eine der bierumsatzstärksten Gaststätten des Ruhrgebietes. Das Familienunternehmen wird heute in der dritten Generation von Josef (III) Tigges geführt.

Montag, 25. März 1974
Auf Widerruf und Unterlassung will der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß die Gelsenkirchener Jungsozialisten verklagen. In einem Ende Januar in der Buerschen Zeitung veröffentlichten Leserbrief hatte die Jungsozialisten-Arbeitsgemeinschaft Erle-Nord behauptet, "eine partielle Identität zwischen Faschismus und CDU/CSU" sei "gerichtlich bejaht" worden.

Dienstag, 26. März 1974
Einstimmig beschloß der Rat der Stadt, einen Bebauungsplan für den Bereich "Flöz Dickebank" in Ückendorf aufzustellen. Bereits zur Jahreswende hatten dort die ersten von 700 Wohneinheiten errichtet werden sollen, um im Rahmen eines Sanierungsvorhabens 314 Wohnungen in den 90 - 100 Jahre alten Zechenhäusern zu ersetzen. Der Plan soll mit den betroffenen Bürgern an Ort und Stelle erörtert werden.

Donnerstag, 28. März 1974
Die Silhouette der Gelsenkirchener Altstadt ist auf der Briefmarke einer neuen Serie zu sehen, die die Republik Äquatorial-Afrika über die Austragungsorte der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft herausgegeben hat.

Samstag, 30. März 1974
Mit Genehmigung des Bundeskriminalamtes und des städtischen Ordnungsamtes wird heute im "Hotel zur Post" am Bahnhofsvorplatz das Glücksspiel "Derby-Roulette" eröffnet, an dem sich 2 bis 12 Personen pro Spieltisch mit einem Höchsteinsatz von 7 DM pro Spieler beteiligen können. Mit den Spieleinnahmen hofft die Hoteleignerin, die Riessersee-Hotel GnbH, ihre Pachtzins-Defizite zu decken.

Samstag, 30. März 1974
Die Bewohner des Sanierungsbereiches Flöz Dickebank wollen eine Unterschriftenaktion gegen den Abriß ihrer Häuser starten. Heftig kritisiert wird die Wohnungspolitik der Rheinisch-Westfälischen Wohnstätten AG, die die Häuser für nicht mehr erhaltungswürdig hält und deshalb keine Renovierungskosten mehr aufbringen will.

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heen
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Re: Stadtchronik 1974

Beitrag von heen »

Frühjahrsputz. Alte Reifen und Fässer mit Phenole werden verbuddelt, Nitrogaswolken und "rauchpilzartigen Staubwolken" sorgen für frische Luft.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. Ein Bursche aus Bismarck wird "Boy des Jahres".
Das 2. Quartal 1974.
von hier:
https://www.gelsenkirchen.de/de/Bildung ... k_1974.pdf
Stadtchronik 1974 hat geschrieben: Samstag, 6. April 1974
Wie die Werksleitung der VEBA Chemie AG auf einer Belegschaftsversammlung mitteilte, mußte das Unternehmen 1973 einen Produktionsrückgang hinnehmen. Nur 1,6 Mio t Rohöl - das entspricht einer 2/3-Auslastung der Anlagen - wurden durchgesetzt. Die Belegschaftsmitglieder wurden aufgefordert, sich in der Öffentlichkeit für die von Bürgerinitiativen kritisierte VEBA-Werkserweiterung nach Norden einzusetzen.

Montag, 8. April 1974
Die Arbeitsmarktsituation im Bezirk Gelsenkirchen stagniert. Zwar verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen im März auf 8.182 4,3 %), davon fast 3.000 Frauen. Jedoch stieg die Zahl der Kurzarbeiter von 1.441 im Februar auf 2.371 im März, davon allein in der Glasindustrie 1.298 und im Straßenfahrzeugbau 852 Personen. Die offenen Stellen erhöhten sich mit 2.o67 leicht(+ 146). Der Anteil der arbeitslosen Ausländer an der Gesamtarbeitslosenzahl stieg mit
697 Gemeldeten von 8 auf 8,5 %.

Dienstag, 9. April 1974
Die Bürgeraktion Scholven weist in einem Leserbrief an die Lokalzeitungen darauf hin, daß die geplante Werkserweiterung der VEBA-Chemie AG zu weiteren Umweltbelastungen führt, da durch die neuen Anlagen täglich zusätzlich 28.800 kg S02 in die Luft geblasen würden. Für die Erweiterung läge nicht einmal ein gültiger Bebauungsplan vor.

Mittwoch 10. April 1974
Nach einem langfristigen Plan sollen im Raum Scholven 600 Wohnungen abgerissen und dafür etwa 800 Neubauwohnungen errichtet werden, da Scholven der einzige Stadtbezirk mit wachsender Bevölkerungszahl ist.

Samstag, 13. April 1974
Der Bürgerverein Scholven/Bülse will keinen Einspruch gegen die geplante Werkserweiterung der VEBA-Chemie AG einlegen. Seiner Ansicht nach überwiegen Vorteile wie die Entlastung des Straßenverkehrs und die Schaffung von 400 zusätzlichen Arbeitsplätzen bei weitem den Nachteil erhöhter Umweltbelastung.

Donnerstag, 18. April 1974
Wenige Tage nach Freigabe der ausgebauten Münsterstraße ist die Fahrbahndecke in Höhe des Ruhr-Zoos nach einem Wasserrohrbruch abgesackt.

Samstag, 20. April 1974
Der Gemeinnützige Grünflächenverein "pro grüne.V." beanstandet erneut den Bebauungsplan 136, da die Stadt die zur Abholzung der "Holsteinischen Schweiz" erforderliche Zustimmung der Forstbehörde nicht vorweisen könne. Darüber hinaus verletze die Stadt ihre Fürsorgepflicht gegenüber der unterprivilegierten Masse der Bürger. Der Architekt Heinz Christian Filthaus, der sich als regelmäßiger Besucher des Waldes "unmittelbar betroffen" fühlt, will deshalb eine Verwaltungsklage gegen die Stadt Gelsenkirchen anstrengen.

Dienstag, 23. April 1974
Der Vorstand der Interessensgemeinschaft der VEBA-Anlieger hat in Namen der Vereinsmitglieder gegen die geplante Erweiterung der VEBA-Chemie AG und gegen den Block F der VKR Einspruch erhoben. Erstens sei für die Genehmigung der Anlagen ein Gutachten der Landesanstalt für Immissions- und Bodennutzungsschutz, Essen, zur zukünftigen Umweltsituation im Oberscholvener und Scholvener Raum erforderlich. zweitens seien Störfälle bei der Abfackelung inzwischen zur Regel geworden. Das Vorhaben, wie der Bau eines weiteren Kraftwerkblockes auf Basis der "geradezu gemeingefährlichen konservativen" Steinkohleverstromung, stelle "eine vorsätzliche Körperverletzung" dar.

Freitag, 26. April 1974
Der Gelsenkirchener Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Werner Kuhlmann (SPD), ist von der Landesregierung scharf kritisiert worden, weil er behauptet hatte, daß bei Bundeswehr, Grenzschutz und Polizei auf einen Linksextremisten mindestens 50 Rechtsextremisten kämen.

Samstag, 27. April 1974
Bei dem bundesweiten Wettbewerb der Jugendzeitschrift "Bravo" wird der 16jährige Michael R. aus Bismarck zum "Boy des Jahres" gewählt.

Montag, 29. April 1974
Gelsenkirchen hat nach 20jähriger Pause wieder eine Schachmannschaft in der Bundesklasse Nordrhein-Westfalen. Mit einem 4,5: 3,5-Erfolg gegen Dortmund 75 sicherte sich der SV Buer 21 die Meisterschaft des Schachverbandes Industriegebiet und damit den Aufstieg.

Samstag, 4. Mai 1974
Eingestellt hat die Essener Staatsanwaltschaft das auf Grund einer Anzeige von Oberbürgermeister Löbbert gegen den SPD-Vorsitzenden Heinz Meya eingeleitete Strafverfahren wegen Betruges und Urkundenfälschung.

Samstag, 4. Mai 1974
Gegründet hat sich in dieser Woche der Jungsozialisten-Schülerbund. Ziel dieser Schülerorganisation ist es vor allem, Tendenzen zum Abbau demokratischer Rechte an den Schulen zurückzudrängen.

Montag, 6. Mai 1974
Der Unterbezirksvorstand der SPD spricht mit 8:2 Stimmen seinem 2. Vorsitzenden, Oberbürgermeister Josef Löbbert, seine Mißbilligung wegen dessen Verhaltens gegenüber dem 1. Vorsitzenden, Prof. Dr. Heinz Meya, in den zurückliegenden Wochen aus. Kritisiert wird insbesondere der Versuch Löbberts, Aktivitäten des Parteivorsitzenden auf die Beamtenebene zu bringen.

Montag, 6. Mai 1974
Auf einer Veranstaltung des "Gelsenkirchener Aktionskomitees gegen die Berufsverbote" verurteilen Vertreter von DGB, GEW, Naturfreundejugend und Jungsozialisten einmütig die Nichteinstellung der Hauptschullehrerin Liesel Richter in Gelsenkirchen.

Dienstag, 7. Mai 1974
Im Genehmigungsverfahren für die Erweiterungen der VEBA-Chemie und des VEBA-Kraftwerkes hat die Initiative des Gladbecker Forums "Bürger planen" ca. 200 Einwendungen erbracht, mit denen die Auflage einer 70prozentigen Entgiftung der Emissionen erreicht werden soll. Zusätzlich liegen Einwendungen aus Gelsenkirchen, Kirchhellen und Polsum vor.

Mittwoch, 8. Mai 1974
Der Bericht des Arbeitsamtes Gelsenkirchen für April weist einen geringfügigen Rückgang der Arbeitslosenquote von 4,3 auf 4,2 Prozent (= 8.100 Arbeitslose) auf. Der prozentuale Anteil der Ausländer verminderte sich dabei mit 666 Gemeldeten von 8,5 auf 8,2 Prozent. Im Baubereich ist inzwischen jeder Zehnte ohne Arbeit. In 17 Betrieben mit 2.568 Betroffenen wurde kurzgearbeitet.

Donnerstag, 9. Mai 1974
Der im Sonmer vergangenen Jahres vom Planungsamt der Stadt vorgelegte und vom Rat befürwortete Entwurf eines neuen Flächennutzungsplanes für das Stadtgebiet muß wegen Einwendungen in 150 Fällen ein zweites Mal öffentlich ausgelegt werden. Die meisten Bedenken richten sich gegen die Umwandlung des Wohnbereiches Schalke-Nord in eine Industriezone. Weitere Einsprüche betreffen das ehemalige Floatglasgelände in der Feldmark, die Ausweitung der vorhandenen Industriefläche im Bereich der Zeche Hugo und die Planung für den Raum Scholven.

Dienstag, 14. Mai 1974
Unzumutbar sind inzwischen die "rauchpilzartigen Staubwolken" der Kokerei Scholven für die Anwohner geworden. Die Betroffenen weisen darauf hin, daß bereits vor einem halben Jahr - nach Verlegung der Produktion der stillgelegten Kokerei Bismarck nach Scholven - technisch verbesserte Anlagen zum Abbau von Staub- und Geruchsbelästigung zugesagt worden waren.

Dienstag, 14. Mai 1974
Der Vorstand der VEBA-Chemie AG ist zuversichtlich, daß die in Scholven geplante Crackanlage zur Destillation von schwerem Heizöl gebaut werden kann. Umgesetzt werden sollen in der Anlage insgesamt 2,4 Mio Jahrestonnen, von denen 1,2 Mio t über eine schon verlegte Pipeline an das Kraftwerk Scholven geleitet werden. Die VEBA investiert in das Projekt 400 Mio DM. Bei der Entschwefelung des schweren Heizöls fallen etwa 100.000 t Schwefel im Jahr an, die unter anderem auf Halden gelagert werden sollen.

Dienstag, 21. Mai 1974
Der Verein der VEBA-Anlieger, die Bürgeraktion Scholven und die Bürgerinitiative Polsum haben gegen die Flächen- und Kapazitätsausweitung der VEBA-Chemie und der VEBA-Kraftwerke Ruhr Einspruch eingelegt. In der Begründung wird unter anderem eine "echte" Erfassung der Gesamtbelastung für die Anwohner durch kontinuierliche Messungen über einen längeren Zeitraum gefordert.

Donnerstag, 23. Mai 1974
Die Damenoberbekleidungsfirma "Nurkostüme" an der Emscherstraße hat beim Amtsgericht Gelsenkirchen wegen Liquiditätsschwierigkeiten Vergleich angemeldet. Für die 300 Beschäftigten des Unternehmens kommt dies völlig unerwartet, da angeblich ein Auftragsbestand von 5 Mio DM bis September vorliegt.

Donnerstag, 23. Mai 1974
Im Heft 17 der Statistischen Berichte der Stadt werden die Meßergebnisse der Immissionen im Gelsenkirchener Raum aus dem Meßjahr 1971/72 veröffentlicht. Bei den maximalen Monatswerten trat die höchste Staubbelastung im Bereich der VEBA-Chemie und des Rheinstahlwerkes Schalker Verein auf. Die Gesamtkohlenstoff-Immissionen liegen an der nördlichen Stadtgrenze, im Nordosten Scholvens und im Nordwesten von Hassel mit über 2,50 Mikrogramm C/cbm in der höchsten Belastungsstufe.

Samstag, 25. Mai 1974
Mit einem Vergleich endete die Nachbarschaftsklage eines Anliegers der VEBA-Kraftwerke Ruhr AG gegen den Bau von zwei weiteren Kraftwerksblöcken in Scholven. Im Laufe des Prozesses wurde erreicht, daß dem VEBA-Unternehmen für den Kraftwerksausbau verschärfte Umweltschutz-Auflagen gemacht werden.

Samstag, 25. Mai 1974
Das Amtsgericht Gelsenkirchen sprach den 28jährigen Siegfried Rutz von der Anklage des Widerstandes gegen die Staatsgewalt im Zusammenhang mit der von der Polizei gewaltsam aufgelösten Chile-Demonstration am 12. September vergangenen Jahres frei.

Montag, 27. Mai 1974
In einer gemeinsamen Erklärung anläßlich des 25. Jahrestages des Grundgesetzes kommen die örtlichen Jungsozialisten, sozialistische Jugend / Die Falken, die Naturfreundejugend und der DGB-Kreis zu der Aussage, die Verfassungswidrigkeit der Bundesrepublik widerspreche in zentralen Bereichen dem Auftrag des Grundgesetzes.

Mittwoch, 29. Mai 1974
Bei einem Ortstermin an der Hattinger Straße wurde gestern der Meldung von Bürgern nachgegangen, daß dort vor einiger Zeit alte Autoreifen und Fässer gekippt und vergraben wurden. Soweit feststellbar, enthielten die Fässer Phenole.

Mittwoch, 29. Mai 1974
Die Horster Matratzenfabrik Fritz Faber KG, das größte Unternehmen der Branche in Gelsenkirchen, hat ihren Beschäftigten ohne Zustimmung des Betriebsrates gekündigt. Der Betrieb soll wegen hoher Verluste des vergangenen Jahres stillgelegt werden, obwohl das Unternehmen nicht zahlungsunfähig ist und auch keinen Vergleich beantragt hat.

Donnerstag, 30. Mai 1974
Wie der Umweltschutzbeauftragte Dr. Werner Hünermann erklärte, wird die Stadt Gelsenkirchen voraussichtlich beim Landesbergamt Dortmund beantragen, den vor 5 Jahren erteilten Genehmigungsbescheid zur Wiederaufnahme der Produktion in der Kokerei Scholven aufzuheben. Das Werk hat die damalige Auflage, binnen 5 Jahren im Süden des Werkes einen Grüngürtel von 100 m Breite anzulegen, bis heute nicht erfüllt. Gutachter sollen im Juni zudem feststellen, ob die Staubbelästigung seit der Inbetriebnahme der neuen Spezialkoksanlage stark zugenommen hat.

Samstag, 1. Juni 1974
Mit Feuerwehrvorführungen aus den Jahren 1924 und 1974 begeht der Löschzug 5 (Scholven) der Freiwilligen Feuerwehr Gelsenkirchen sein 50jähriges Bestehen.

Dienstag, 4. Juni 1974
Die 1964 von heimischen Baufirmen gegründete Beton und Mörtel GmbH & Co. KG in Buer hat beim Amtsgericht Gelsenkirchen Konkurs angemeldet. 1973 hatte das Unternehmen einen Umsatz von 220.000 Kubikmeter Beton und Mörtel. 28 der 36 Mitarbeiter wurde bereits gekündigt.

Mittwoch, 5. Juni 1974
Mit einem 250.000 DM teueren Immissionsmeßwagen will die VEBA-Chemie AG künftig die Umgebung ihres Werkes in Scholven überprüfen.

Mittwoch, 5. Juni 1974
Der Bürgerverein Berger Feld fordert erneut, das zu Erle gehörende Berger Feld zum eigenständigen Stadtteil zu erheben. Dafür sprechen seiner Ansicht nach der Bau von Parkstadion, Gesamtschule, kombiniertem Hallenfreibad sowie der große Industriezuwachs an der Balkenstraße.

Donnerstag, 6. Juni 1974
Im Zusammenhang mit dem Tag des Umweltschutzes wurden in der Nacht zum Mittwoch auf Anordnung von NRW-Minister Figgen auch 80 Gelsenkirchener Betriebe durch Meßtrupps überprüft. Dabei gab es mehr als 2o Beanstandungen wegen Verursachung von Lärm und andere Mängel wie Luftverunreinigung. Ein Betrieb wurde bei der Aktion sofort teilweise stillgelegt.

Donnerstag, 6. Juni 1974
Seit dem 1. Januar d.J. untersteht die Meßstelle auf dem Sparkassengebäude in Horst - eine von 7 überregionalen Stationen in der Bundesrepublik - der Bundesstelle für Umweltangelegenheiten. Seit 1969 hatte die Staubkonzentration in Gelsenkirchen, wie die Messungen ergaben, eine fallende Tendenz.

Samstag, 8. Juni 1974
Die Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen ist im Mai wieder unter die 4 %-Schwelle auf 3,9 % gesunken. Der Anteil arbeitsloser Ausländer daran erhöhte sich leicht auf 8,8 %. Das Gesamtangebot an offenen Stellen war zwar um 3,7 % besser als im April, doch um 33,5 % schlechter als im Mai des Vorjahres. Allein 34,2 % aller offenen Stellen für Männer wurden vom Steinkohlenbergbau angeboten.

Samstag, 15. Juni 1974
Die in Erle ansässige, konkursbedrohte Damenoberbekleidungsfirma "nur-kostüme" entläßt ihre gesamte Belegschaft, um die laufenden Kosten zur Erfüllung noch laufender Verpflichtungen möglichst gering zu halten.

Dienstag, 18. Juni 1974
Sieben Bürgerschaftsvertreter besichtigen die Kokerei Scholven der VEBA-Kraftwerke Ruhr, um sich über Umweltschutzmaßnahmen der Großanlage zu informieren. Kritik üben sie besonders am Abholzen eines Birkenwäldchens, auf dessen Gelände die VKR Öltanks bauen will und das die Anlieger bisher vor den Immissionen des Werkes geschützt hat. Die Fünf-Jahres-Frist der Eingrünung des Werkes (s. 3o. Mai d.J.) wird vom Bergamt dementiert und die Kritik an fehlenden Maßnahmen an die VEBA als Hauseigner des vorgesehenen Geländes und an die Stadt als Straßeneinzugsberechtigte zurückverwiesen.

Freitag, 21. Juni 19974
Nach der Explosion eines Tanks bei der Firma Gelsendraht in Schalke versickern rund 20 t Salzsäure im Erdreich und verunreinigen das Grundwasser.

Samstag, 22. Juni 1974
Mit einer Unterschriftenaktion, Informationsständen und einem Protestblatt an alle Ratsmitglieder will die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" auf die Verrottung der Wohnsubstanz in Ückendorf und ihre Forderung nach Modernisierung der Bergmannssiedlung aufmerksam machen. Für Planungsamtsleiter Manfred Neubauer kommt hingegen nur eine Flächensanierung über die Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG in Frage, die mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Stadtteils und in Zusammenhang mit dem Stadtbahnbau für unbedingt erforderlich gehalten wird.

Montag, 24. Juni 1974
Nach einem Unfall beim Umfüllen von Salpetersäure im Metallwerk Wildfang bildet sich eine Nitrogaswolke. 140 Betriebsangehörige werden mit Verdacht auf Stickoxydvergiftung in Gelsenkirchener Krankenhäusern behandelt.

Montag, 24. Juni 1974
Der Rat der Stadt billiqt den für November geplanten Ausbau der kommunalen Datenverarbeitungsanlage von 256 k Bytes auf 384 k Bytes. Wegen der hohen Unkosten - die EDV kostet in diesem Jahr 3,3 Mio DM und bringt nur 220.000 DM an Einnahmen - soll die langfristig vorgesehene Erweiterung auf 512 k Bytes Ende 1975 davon abhängig gemacht werden, ob sich die Städte Bottrop und Gladbeck gemäß des EDV-Planes des Landes an die Anlage anschließen.

Donnerstag, 27. Juni 1974
Nach Auskunft des städtischen Umweltschutzbeauftragten Dr. Hünermann haben die VEBA-Kraftwerke in Scholven auf einem qkm den gleichen Schmutzausstoß wie das gesamte Düsseldorfer Gebiet auf 100 qkm. Die Staubmengen gehen größtenteils auf den Bereich hinter Polsum nieder.

Donnerstag, 27. Juni 1974
Die unter Aufsicht des Bergamtes Gelsenkirchen stehende Halde zwischen VEBA-Kraftwerk und VEBA-Chemie am Bellendorfsweg in Scholven wird in diesen Taqen mit dem 70.000. tiefwurzelnden Gehölz bepflanzt. Die Halde, die als eine der schönsten grünen Halden des Reviers gilt, wird seit 1967 nach einem Bepflanzungsplan des Siedlungsverbandes ständig begrünt.

Samstag, 29. Juni 1974
Die Ulrich Gebauer KG. Tief-, Straßen- und Landschaftsbau, mit 25 Beschäftigten ist die 8. Baufirma, die in letzter Zeit in Gelsenkirchen Konkurs angemeldet hat.

Samstag, 29. Juni 1974
Die CDU Ückendorf lehnt den Bebauungsplan Nr. 163 ab. Einerseits sei die Sanierungsfähigkeit der Siedlung "Flöz Dickebank" durch Vergleich mit anderen Siedlungen bewiesen und durch das Urteil bekannter Städteplaner wie Prof. Roland Günter (Fachhochschule Bielefeld) untermauert. Zudem sei der zukünftige Wohnungsbedarf in Ückendorf trotz geplanter Stadtbahn in fernerer Zukunft nicht überschaubar.

Samstag, 29. Juni 1974
Durch Vermittlung der Organisation "pro grün" erhält die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" von der Stadt-Sparkasse einen Platz am Neumarkt, um mit einem Informationsstand und Handzetteln gegen die Planungsvorhaben der Stadt und der Rheinisch-Westfälischen Wohnstätten AG in der Ückendorfer Zechensiedlung zu protestieren. Die Stadtverwaltung hatte die Standgenehmigung zum wiederholten Male verweigert.

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heen
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Re: Stadtchronik 1974

Beitrag von heen »

Dickebank zickt weiter rum, und das Bundesverfassungsgericht erdreistet sich, einen Gelsenkirchener Dezernenten als unerfahren zu bezeichnen. Auch die Arbeit der Polizei wird vor Gericht entsprechend honoriert. Wegen zu erwartender Verhandlungen besuchen Richter die VEBA in Scholven.
Der "Gelsenkirchener Barock" wird erklärt. In Dortmund.
Das dritte viertel 1974.
von hier:
https://www.gelsenkirchen.de/de/Bildung ... k_1974.pdf
Stadtchronik 1974 hat geschrieben: Dienstag, 2. Juli 1974
Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" hat in einem Schreiben an Baudezernent Theo Terboven gefordert, daß vier ihrer Mitglieder an einem Gespräch der Stadt mit Vertretern der Landesregierung über Sanierungsmittel teilnehmen können. Zugleich wirft die Initiative der Stadt vor, einseitig Grundbesitzer-Interessen zu vertreten.

Donnerstag, 4. Juli 1974
Weniger erfreulich bilanzieren der Gelsenkirchener Einzelhandel und die Gastronomie die Weltmeisterschaftswochen und sprechen von normalem Geschäftsverlauf bzw. sogar von einem WM-bedingten Umsatzrückgang.

Freitag, 5. Juli 1974
Im Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen standen im Juni d.J. 7.544 Arbeitslosen(= 3,9 %) nur 2.505 unbesetzte Arbeitsplätze gegenüber. Der Anteil arbeitsloser Ausländer betrug 8,5 %. 21 Betriebe mit 2.400 Beschäftigten (davon 1.035 Frauen) hatten Kurzarbeit. Seit Oktober 1972 anhaltend ist mit 2.847 jetzt arbeitslosen Frauen die negative Entwicklung auf dem Frauenarbeitsmarkt, insbesondere in den Bereichen der Verkaufs- und Büroberufe, bei Montiererinnen und Bekleidungsarbeiterinnen. Die Nachfrage nach Teilzeitarbeit hat sich gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Der Anteil ausländischer Frauen betrug 44 % der arbeitslosen Ausländer und 10 % der arbeitslosen Frauen.

Freitag, 5. Juli 1974
Im Zusammenhang mit der Chile-Demonstration vom 12. September vergangenen Jahres gab es vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen einen erneuten Freispruch für einen Demonstranten. In seiner Begründung bezeichnete der Einzelrichter das damalige Einschreiten der Polizei als nicht rechtmäßig.

Freitag, 5. Juli 1974
Das Bundesverfassungsgericht Berlin weist die Revisionen der Stadt Gelsenkirchen und der Flachglas AG in dem seit Sommer 1971 laufenden Prozeß um die Ansiedlung der Floatglasanlage in der Feldmark (Bebauungsplan Nr. 148) zurück. Damit wird einer der spektakulärsten Industrieprozesse in der Bundesrepublik in 3. und letzter Instanz zugunsten der betroffenen Bürger entschieden. Der Senat begründet seine Entscheidung damit, daß der Planungsvorgang nach § 1 Abs. 4 und 5 des Bundesbaugesetzes fehlerhaft gewesen sei (Az IV C So/72). Der verantwortliche Gelsenkirchener Baudezernent Theo Terboven wird vor dem BVG als "planungsunerfahrener Mann" bezeichnet.

Samstag, 6. Juli 1974
Stadtverwaltung und Landesregierung haben sich darauf geeinigt, die beabsichtigte Eigensanierung der Zechensiedlung Flöz Dickebank nach dem Städtebauförderungsgesetz durchzuführen. Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" soll erst auf einem offiziellen Hearing nach Beratung dieses Planes in den städtischen Gremien gehört werden.

Mittwoch, 10. Juli 1974
50 Mitglieder der Gelsenkirchener Juristenvereinigung, darunter Richter aller vier Gelsenkirchener Gerichte, besichtigen angesichts zunehmender Proteste der Anlieger die Werksanlagen der VEBA-Chemie AG in Scholven.

Donnerstag, 11. Juli 1974
In diesem Monat wird der Wachturm des ehemaligen Lagers für sowjetische Kriegsgefangene auf dem früheren Ewald-Zechengelände in Resse abgerissen. Zum Abbruch bestillt ist auch das alte Direktorenhaus der Harpener Bergwerksgesellschaft, die erste in Buer errichtete Villa.

Freitag, 12. Juli 1974
Ein im Naturschutzbuch der Stadt stehender tonnenschwerer Findling aus rotem Granit ist in Oberscholven gestohlen worden.

Samstag, 13. Juli 1974
Der Stadtplanungskritiker Prof. Roland Günter von der Universität Bielefeld regt die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" bei einer Begehung des Sanierungsgebietes in Ückendorf an, wegen der rund 50 freigezogenen und inzwischen zugemauerten Wohnungen in der Zechensiedlung einen Prozeß gegen die Rheinisch-Westfälische Wohnstätten AG (RWWAG) als Eigentümerin zu führen. Bei der Begehung, zu der auf Einladung der Bürgerinitiative auch zahlreiche Stadtverordnete beider Fraktionen erscheinen, sind weder Vertreter der Bauverwaltung noch der RWWAG zugegen.

Donnerstag, 18. Juli 1974
Auch der 3. Prozeß infolge der Chile-Demonstration vom September vergangenen Jahres endet vor dem Gelsenkirchener Einzelrichter mit dem Freispruch des Angeklagten, des DKP-Kreisvorsitzenden Rainer Kalinasch, dem die Verantwortung für die nichtangemeldete Demonstration nicht nachgewiesen werden kann.

Donnerstag, 18. Juli 1974
Der zweijährige Leopard "Iwan" bricht aus seinem Gehege im Löwenpark des Grafen von Westerholt aus und muß auf einem Spielplatz im Westerholter Wald erlegt werden. Nach Angaben des Ordnungsamtes war das Gehege des Raubtieres nur mangelhaft gesichert. In diesem Jahr war bereits schon einmal ein ausgewachsener Karpatenwolf aus dem Löwenpark-Gelände entwichen.

Freitag, 19. Juli 1974
Der FDP-Ortsverband Buer plädiert dafür, daß an der Vom-Stein-Straße anstelle der geplanten Fußgängerbrücke ein bürgerfreundlicherer Fußgängertunnel gebaut wird.

Samstag, 20. Juli 1974
Der "wahrscheinlich größte Schandfleck Gelsenkirchens" (so die westdeutsche Allgemeine Zeitung in ihrem Lokalteil), die Obdachlosensiedlung Ecke Wattenscheider- und Hofstraße, wurde inzwischen abgerissen und ihre Bewohner in die Obdachlosensiedlung Katernberger Straße umgelegt.

Montag, 22. Juli 1974
Der im Februar d.J. gegründete "Gesprächskreis Gelsenkirchener Bürgervereine" fordert unter Hinweis auf die Planungsprobleme für die Floatglasanlage und den Bereich "Flöz Dickebank" eine transparente Stadtplanung, die vor allem die Information der Betroffenen, eine frühzeitige Planungspartnerschaft sowie den Einbezug von Planungsalternativen beinhalten soll.

Montag, 22. Juli 1974
In einer Stellungnahme hat der Löwenpark Westerholt die Ausbrüche von Raubtieren in diesem Jahr auf menschliches Versagen zurückgeführt und kritisiert, daß die Vorfälle in der öffentlichkeit dramatisiert worden seien.

Dienstag, 23. Juli 1974
Auf einer Vollversammlung fordert die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" erneut eine Objekt- anstelle der vorgesehenen Flächensanierung ihrer Zechensiedlung. Die nur vereinzelt erschienenen Ratsvertreter legen sich in ihren Positionen zu dem Sanierungsobjekt noch nicht fest.

Donnerstag, 25. Juli 1974
Nach in der "Buerschen Zeitung" veröffentlichtem Datenmaterial möchten rund 80 % aller in Gelsenkirchen lebenden türkischen Arbeitnehmer so lange wie möglich" in der Bundesrepublik bleiben. Etwa 60 % der insgesamt 13.000 Türken, von denen allein 2.381 auf den Sehachtanlagen Nordstern, Bergmannsglück/Westerholt und Hugo beschäftigt sind, würden ihre ghettoartigen Wohnheime, Werkswohnungen oder abbruchreifen Häuser am liebsten verlassen. Nur 15 % wollen in einem rein türkischen Viertel leben. 60 % der Türken haben keinen Kontakt zu deutschen Familien.

Samstag, 27. Juli 1974
Als Ergebnis ihres ersten Gespräches mit Baudezernent Theo Terboven erhält die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" alle Unterlagen bezüglich der nach dem Städtebauförderungsgesetz notwendigen Voruntersuchungen. Zugesagt wurde ferner, daß die Bürger an der Voruntersuchung beteiligt werden sollen und daß die Untersuchung des Planungsvorhabens von einer "neutralen" Firma ausgeführt werden wird.

Dienstag, 6. August 1974
Archivar Karl Machtan vom Buerschen Verein für Orts- und Heimatkunde entdeckte im Stadtarchiv von Amsterdam/Holland eine Karte aus dem Jahre 1612, in der Gelsenkirchen als 11 Ghestelkerk 11 zum erstenmal neben Buer als selbständige Gemeinde verzeichnet ist.

Mittwoch, 7. August 1974
Die Werksdirektion der Kokerei Hugo in Buer teilt zu den Beschwerden der Anwohnerschaft über Geruchsbelästigungen mit, daß die Emissionen der Kokerei nur 43 Prozent des gesetzlich zugelassenen Wertes für das Jahresmittel erreichen und darüber hinaus von 1971 bis 1973 um 25 Prozent gesenkt werden konnten. Dies haben die im Umkreis von 3 km installierten 28 Meßstellen des Rheinisch-Westfälischen Technischen Überwachungsvereins nachgewiesen. Von der Stadt Gelsenkirchen erwartet die Kokereidirektion einen Beitrag zur Begrünung des umliegenden Geländes, da die Stadtverwaltung erst durch entsprechende Genehmigungen eine verdichtete Wohnbebauung dieses Gebietes in den letzten
Jahren ermöglicht habe.

Donnerstag, 8. August 1974
Der Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen erreichte im Juli d.J. mit 8.370 Arbeitslosen (4,4 Prozent) die bislang höchste Zahl seit sechs Jahren und die Spitze in der Arbeitslosenstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen. 40,2 Prozent aller Arbeitslosen hier sind Frauen, von denen 21 Prozent den Textil- und Bekleidungsberufen angehören. Der prozentuale Anteil der Ausländer an der Arbeitslosengesamtzahl sank auf 7 Prozent. Die Zahl der offenen Stellen hat im Juli gegenüber dem Vormonat um 815 (insgesamt 2.239) zugenommen.

Dienstag, 13. August 1974
überregionales Aufsehen hat inzwischen der Kampf der Flöz-Dickebank-Siedler gegen das Sanierungsvorhaben von Stadt und Rheinisch-Westfälischer Wohnstätten AG (RWWAG) erregt. Die Frankfurter Rundschau kritisiert in dem umfangreichen Bericht "Die Idylle in Flöz Dickebank hat einen Riß bekommen" das Siedlungssterben im Revier und die Politik der Ruhrkohle AG als Muttergesellschaft der RWWAG. Auch das Kulturmagazin "Aspekte" des zweiten Deutschen Fernsehens beschäftigt sich in dieser Woche mit dem Fall "Flöz Dickebank".

Mittwoch 14. August 1974
Zur Sicherung der Wasserversorgung in Katastrophenfällen läßt das städtische Zivilschutzamt zur Zeit für durchschnittliche Kosten von 60.000 DM pro Anlage Brunnen ausbauen. Vier Schächte, die mindestens eine Wassermenge von fünf Kubikmetern pro Stunde liefern, sind bereits fertiggestellt.

Mittwoch, 21. August 1974
Im Sanierungsfall "Flöz Dickebank" hat Baudezernent Theo Terboven vorgeschlagen, als Kompromiß einen Teil der Häuser zu erhalten. Als Vorbild soll dabei die private Sanierungsmaßnahme an der Karlstraße in Erle dienen.

Samstag, 24. August 1974
Gelsenkirchener Widerstandskämpfer gedenken in einer Feierstunde am Mahnmal im Stadtgarten des 3o. Jahrestages der Ermordung von 21 Widerstandskämpfern im Revier, darunter acht Gelsenkirchenern, durch die Nationalsozialisten. Gleichzeitig weiht die Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) das Mahnmal zum drittenmal ein, nachdem es bereits zweimal mutwillig zerstört wurde. Der Gelsenkirchener Polizei wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, ihre Ermittlungen gegen die Täter frühzeitig eingestellt zu haben. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, eine Dokumentation über den Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Gelsenkirchen herauszugeben.

Mittwoch, 28. August 1974
Die Verschuldung der Stadt wuchs innerhalb eines Jahres von 274 Mio DM auf 360 Mio DM (Stand Ende März d.J.). Demgegenüber stiegen die Steuereinnahmen im gleichen Zeitraum von 29,634 Mio DM auf 35,652 Mio DM.

Samstag, 31. August 1974
Die Fraktionsbüros von CDU und SPD im Hans-Sachs-Haus verzeichneten in den fünf Monaten ihres Bestehens 103 bzw. 74 Besucher, denen es mehrheitlich um Angelegenheiten der Verwaltung ging.

Dienstag, 3. September 1974
Der Haupt- und Finanzausschuß der Stadt beschäftigt sich mit der Begriffsbestimmung von "Gelsenkirchener Barock", nachdem der neue Bundeskanzler Helmut Schmidt diesen Ausdruck im Zusammenhang mit der Ummöblierung seines Arbeitszimmers abwertend gebraucht hatte.

Dienstag, 3. September 1974
Nach Auskunft des Arbeitsamtes Gelsenkirchen sank die Zahl der Ausbildungsplätze in seinem Bezirk seit 1970 um mehr als die Hälfte - von 7.379 auf derzeit 3.485. 500 Jugendliche unter 18 Jahren sind nach den vorliegenden Zahlen arbeitslos. Auf Grund der konjunkturellen Lage sind die offenen Stellen insbesondere in den Bereichen Textil, Bau, Kraftfahrzeuge und Tankstellen zurückgegangen, während die Zechen Hugo 93, Nordstern 106, Bergmannsglück 94 Neueinstellungen vorgenommen haben.

Dienstag, 3. September 1974
Gutachten der Staatlichen Gewerbeaufsicht Recklinghausen und der Landesbaubehörde Ruhr fordern, in den als Entwurf vorliegenden Flächennutzungsplan der Stadt einen Baustopp für den Bereich "Budde-, Emmericher Straße, Im Brömm" (West-Scholven) aufzunehmen, weil nicht mit einer Verminderung der Emissionslasten durch die dort angesiedelte VEBA-Chemie gerechnet werden könne.

Mittwoch, 4. September 1974
Das Musiktheater im Revier konnte in der vergangenen Spielzeit ein Plus von 15.000 Besuchern und Mehreinnahmen in Höhe von 100.000 DM erzielen - eine Steigerungsrate, die von keinem anderen Theater der Bundesrepublik erreicht wurde. Insgesamt wurden 227.000 Besucher gezählt. Die Platzausnutzung stieg auf 78,9 %. Bestehen bleibt vorläufig doch der Zuschuß vom westdeutschen Rundfunk (WDR), der in diesem Jahr 285.000 DM ausmacht.

Mittwoch, 4. September 1974
Der aus Gelsenkirchen stammende Prof. Dr. Brepohl (jetzt Dortmund) hat - wie in einem Lokalartikel der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) im Zusammenhang mit der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zu erfahren ist - in den 30er Jahren den Begriff "Gelsenkirchener Barock" geprägt. In einer Arbeit über die Soziologie des Ruhrgebietes verwandte Brepohl den Ausdruck für die in Industriegebieten typischen geschweiften Möbel (vor allem Küchenschränke in Wohnküchen).

Donnerstag, 5. September 1974
Die Mehrzahl der 157 schriftlich vorgebrachten Einwände gegen den Entwurf des neuen Flächennutzungsplanes beziehen sich weitestgehend auf drei Kritikpunkte: zu viele Gewerbebauflächen, zu geringe Ausweisung attraktiver Wohngebiet und zuwenig Grünflächen sowie Schutz- bzw. Trenngrün. Nach Ansicht der Verwaltung ist jedoch angesichts von fast 26.000 Auspendlern ein Reserveflächenbedarf für den Industrieflächenbereich (als auch für den Wohnbereich) freizuhalten.

Donnerstag, 5. September 1974
Nach dem nun schriftlich vorliegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Floatanlage in der Feldmark (IV C 5o/72) war der Bebauungsplan Nr. 148 nie rechtswirksam und braucht deshalb nicht aufgehoben werden.

Samstag, 7. September 1974
Mit 5,2 Prozent im August d.J. nimmt die Stadt Gelsenkirchen im Bundesgebiet hinter Pirmasens und Emden den 3. Platz in der Arbeitslosenstatistik ein. Im gesamten Arbeitsamtbezirk Gelsenkirchen ist die Zahl der Arbeitslosen mit 9.145 (= 4,8 Prozent) doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Die Arbeitslosigkeit bei Frauen verschlechterte sich in diesem Zeitraum sogar um 154,9 Prozent.

Sonntag, 8. September 1974
DJK Eintracht Erle ist deutscher Vizemeister im Damenfußball. Im entscheidenden Endspiel in Mainz unterliegen die Erler Frauen dem favorisierten TSG Wörrstadt mit O:4 Toren.

Montag, 9. September 1974
Die Bürgerinitiative "Kleingärtner Rotthausen-Düppel" wehrt sich gegen den vom Bauordnungsamt nach Beschwerde des CDU-Stadtverordneten Josef Spliethoff verordneten Abriß ihrer Gärten auf dem Oahlbusch-Gelände. Die Initiative stellt sich ausdrücklich hinter die türkischen Kleingärtner, deren Anlagen die Ursache der Beschwerde gewesen sein sollen.

Dienstag, 10. September 1974
Eine vom Industrie- und Sozialpfarramt durchgeführte Umfrage bei 168 von 250 Haushalten der Zechensiedlung "Flöz Dickebank" ergab, daß 95 Prozent der Befragten gern in der Siedlung wohnen und 87,5 Prozent dort auch bleiben wollen. 128 der befragten Haushalte sind unabhängig von Mietkostensteigerungen sofort zu einer Modernisierung ihrer Häuser bereit, da ihnen bei einer Umsiedlung in Neubauwohnungen Mietsteigerungen bis zu 300 Prozent drohen.

Freitag, 13. September 1974
Kontroversen gibt es innerhalb der Gelsenkirchener SPD hinsichtlich der Zuordnung der Stadt zum Regierungsbezirk Münster. Die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Werner Kuhlmann und Egbert Reinhard sowie der Unterbezirksvorsitzende Prof. Dr. Heinz Meya bevorzugen wegen der CDU-Mehrheit in Münster einen Anschluß Gelsenkirchens an den SPD-regierten Regierungsbezirk Arnsberg. Die SPD-Ratsfraktion weist in diesem Zusammenhang einstimmig den Vorwurf des Unterbezirksvorstandes zurück, in der Ratssitzung geheime Absprachen mit der CDU getroffen zu haben.

Freitag, 20. September 1974
Nach Ansicht des leitenden Bergdirektors Claus Däumig hätte das Bergamt keine Zustimmung zu der Wohnungsverdichtung um die Kokerei Hugo (Bebauungsplan Nr. 72) geben dürfen. Wie gleichzeitig die Bürgerinitiative der Hugo-Anlieger auf Grund von 100 ausgewerteten Fragebögen mitteilt, klagen 95 Prozent der Anwohner über unzumutbare Immissionen. Die Betroffenen melden ein verstärktes Auftreten von Bronchitis, insbesondere bei Kindern.

Samstag, 21. September 1974
Die Bürgerinitiative "Kleingärten Rotthausen-Düppel" erhält nach einer Begehung der Gärten mit Stadtverordneten und Dahlbuschvertretern die Zustimmung, daß das Bauordnungsamt seine Abrißverfügung wieder zurücknimmt, wenn die notwendigen Verbesserungen der Gärten vorgenommen werden.

Dienstag, 24. September 1974
Die Flachglas AG Delog-Detag will die Stadt wegen der gescheiterten Ansiedlung der Float-Anlage in der Feldmark auf Schadensersatz verklagen. Die Delog investierte in der Feldmark laut Geschäftsbericht (Angaben von 1972) 13,1 Mio DM.

Dienstag, 24. September 1974
Die lnteressensgemeinschaft (IG) der VEBA-Anlieger will gegen den vom Gewerbeaufsichtsamt Recklinghausen erteilten Vorbescheid für die Genehmigung des Kraftwerkblockes "F" der VEBA Kraftwerke Ruhr (VKR) Einspruch erheben. Der Vorbescheid erteilt den VKR u.a. die Auflage, für eine Rauchgasentschwefelung von mindestens 80 Prozent zu sorgen, räumt aber nach Ansicht der IG nicht alle Bedenken hinsichtlich Umweltschäden aus.

Dienstag, 24. September 1974
Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" hat der Rheinisch-Westfälischen Wohnstätten AG vorgeworfen, den Rat der Stadt durch das Zumauern freigezogener Wohnungen in der abrißbedrohten Ückendorfer Bergarbeitersiedlung vor vollendete Tatsachen stellen zu wollen. Inzwischen hätten sich bereits 60 Interessenten für die leerstehenden Wohnungen gemeldet. Der SPD-Ortsverein Ückendorf hat der Bürgerinitiative auf einer ersten öffentlichen Zusammenkunft Mitarbeit und Information angeboten.

Dienstag, 24. September 1974
Wegen einer anonymen Bombendrohung muß das Hans-Sachs-Haus mittags geräumt und der geplante Unterbezirks-Parteitag der SPD abgesetzt werden.

Mittwoch, 25. September 1974
Erstmals haben in Gelsenkirchen zu Beginn des neuen Schuljahres mehr Lehrer (59) den Dienst angetreten als durch Pensionierungen und Versetzungen ausschieden (47). Die Fehlquote liegt bei nun etwa 15 Prozent.

Mittwoch, 25. September 1974
Der Gelsenkirchener SPD-Vorsitzende Prof. Dr. Meya erklärt, daß dem Ansehen seiner Partei durch den Ortsverein Horst-Süd schwerer Schaden zugefügt wurde. Wegen der persönlichen Anschuldigungen gegen Meya und weitere Mitglieder des Unterbezirksvorstandes sollen nun gegen vier Mitglieder des Ortsvereinsvorstandes Parteiordnungsverfahren eingeleitet werden.

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heen
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Re: Stadtchronik 1974

Beitrag von heen »

Die Stadt wird in fünf Bezirke aufgeteilt. Bürgervereine freuen sich angesichts der Bürgernähe und Mitbestimmung. Die Politik mault rum.
Protestieren lohnt sich und schafft Arbeitsplätze.
Das letzte aus 1974.
von hier:
https://www.gelsenkirchen.de/de/Bildung ... k_1974.pdf
Stadtchronik 1974 hat geschrieben: Samstag, 5. Oktober 1974
Der Gesprächskreis "Gelsenkirchener Bürgervereine" hat sich auf seiner letzten Sitzung für die Bildung von Bezirksvertretungen und -ausschüssen ausgesprochen, weil davon mehr Mitbestimmung und stärkere Bürgernähe zu erwarten wären. Als befremdlich registriert der Kreis daher die laut Presseberichten ablehnende Haltung von Oberbürgermeister Josef Löbbert gegenüber der Schaffung von Bezirksausschüssen. Gleichzeitig fordern die Bürgervereine eine Beteiligung der Öffentlichkeit beispielsweise an der Festlegung der Bezirksgrößen.

Samstag, 5. Oktober 1974
Im Hotel Maritim trifft sich die Elite des deutschen Showgeschäftes nach der Verleihung der Löwenpreise von Radio· Luxemburg in der Essener Gruga-Halle zu einer Abschlußparty mit 400 Gästen.

Montag, 7. Oktober 1974
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Willibald Heinrichs wurde in seinem Ortsverein Resser Mark nicht mehr zum Kandidaten für die Wahl der Stadtverordneten aufgestellt.

Montag, 7. Oktober 1974
Nach dem Stand vom 15. September d.J. entfielen von insgesamt 1.181 Kurzarbeitern im Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen mehr als 1.000 auf Betriebe der Elektrotechnik. Zur Zeit wird in 24 Betrieben mit 1.718 Beschäftigten kurzgearbeitet.

Dienstag, 8. Oktober 1974
Kulturdezernent Prof. Dr. Heinz Meya begründet in seiner Stellungnahme zu den vermißten Museumsstücken vom 26. September die Umorganisation des Heimatmuseums mit einer neuen progressiven Museumspolitik der Kommune. Die Sammlung sei, wie er zu weiteren Vorwürfen antwortet, räumlich zwar beengt, aber gut geordnet. Der Aufforderung des früheren Kustos Dr. Lasch, die Verkäufe früherer Museumsbestände im einzelnen nachzuweisen, ist die Stadt noch nicht nachgekommen.

Mittwoch, 9. Oktober 1974
Mit 9.044 Arbeitslosen(= 4,7 Prozent) sank die Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk Gelsenkirchen im September nur geringfügig. Rund 9 Prozent der Arbeitslosen sind unter 18 Jahren alt. 58 Prozent sind ungelernte Kräfte. Der Anteil der Ausländer an der Gesamtzahl der Arbeitslosen erhöhte sich mit 658 auf 7,3 Prozent und damit auf 4,3 Prozent aller Ausländer Gelsenkirchens.

Montag, 14. Oktober 1974
Eine Versammlung der Ortsgruppe der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) zum Thema "Sanierungsprojekt Flöz Dickebank", zu der auch die Bürgerinitiative eingeladen wurde, scheitert, weil der stellvertretende IGBE-Bezirksleiter Heinz Feige einem Team der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin die Dreherlaubnis verweigert. Das Filmteam arbeitet seit zehn Tagen in Ückendorf an einem Film über "Flöz Dickebank".

Donnerstag, 24. Oktober 1974
Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" startet eine Plakataktion gegen die Taktik der Rheinisch-Westfälischen Wohnstätten AG, die Siedlung durch freigezogene Wohnungen veröden zu lassen. Der von der Initiative inzwischen eingeschaltete Rechtsanwalt Klaus Brandt sieht im Zumauern der Wohnungen verschiedene Verstöße gegen die Bauordnung (§§ 3, 17, 2o) und gegen die bestehenden Mietverträge.

Donnerstag, 31. Oktober 1974
Die Baufirmengruppe Hohen-Hinnebusch meldet über zehn Firmen und den Privatbereich des Inhabers, Dipl.-Kaufmann Werner Hohen-Hinnebusch (mehr als 4o Mehrfamilienhäuser), Konkurs an. Die Firmengruppe beschäftigt rund 100 Mitarbeiter.

Donnerstag, 31. Oktober 1974
Die Flachglas AG Gelsenkirchen verklagt die Stadt vor dem Landgericht Essen wegen der gestoppten Floatansiedlung in der Feldmark. Der Streitwert wird mit 22,6 Mio DM plus Zinsen angegeben. In der Begründung der Klage heißt es, daß das Unternehmen den Bau der Floatanlage auf dem 600.000 qm großen Gelände nur auf entsprechende Erklärungen der Stadt hin begonnen hätte.

Freitag, 1. November 1974
Begonnen wird mit der Renovierung des großen Saales im Hans-Sachs-Haus, der insbesondere brandschutztechnisch nicht mehr der Versammlungsstättenverordnung von 1969 entspricht. Die Kosten für die mehr als ein Jahr dauernden Arbeiten belaufen sich auf 2,25 Mio DM. An Saalmieten gehen in der Renovierungszeit etwa 60.000 DM verloren. Zur Renovierung gehört auch eine neue Bestuhlung. Ursprünglich sollte parallel dazu auch die Walcker-Orgel aus dem Jahre 1927 generalüberholt werden. Wegen der hohen Kosten von 200.000 DM ist darüber jedoch noch nicht entschieden worden.

Freitag, 1. November 1974
Als befremdlich bezeichnet der Einzelhandelsverband Gelsenkirchen das vorgehen der Stadt bei der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes. So sei Einzelhändlern wie dem Bettenhaus Schmock mit der Begründung, die Häuser müßten abgerissen werden, gekündigt worden, während die Ladenlokale dann noch längere Zeit leergestanden bzw. von der Stadt als Eigentümerin neu vermietet worden wären.

Donnerstag, 7. November 1974
Schuldezernent Prof. Dr. Meya erläuterte auf der Bezirksdelegiertentagung der Schülermitverwaltungen in der Gesamtschule die Schulentwicklungsplanung des Landes. Ausdrücklich begrüßte Meya die Einrichtung eines Schülerparlamentes.

Freitag, 8. November 1974
Mit einer Steigerung der Arbeitslosenzahl auf 10.047 (= 5,2 Prozent) verzeichnet das Arbeitsamt Gelsenkirchen in seinem Monatsbericht für Oktober 1974 eine merkliche Verschlechterung der Beschäftigungslage im Arbeitsamtsbezirk. In Alt-Gelsenkirchen stieg die Arbeitslosenquote im Oktober sogar auf 5,9 Prozent. Nur im Steinkohlenbergbau, bei der Stahlerzeugung, im Maschinenbau und der Metallverarbeitung ist die Auftragslage noch günstig. Die Zahl der Kurzarbeiter erhöhte sich von 3.000 aus 25 Betrieben am 25. Oktober auf 3.633 aus 38 Betrieben am 6. November.

Mittwoch, 13. November 1974
Wie der Gesamtbetriebsratskonferenz der Deutschen Texaco AG im Hotel Maritim mitgeteilt wird, hat das Unternehmen bereits ohne Anhörung des Betriebsrates beschlossen, sein Kraftwerk Bismarck bis 1979 stillzulegen. Schon im Mai 1975 soll als Folge eines Vergleiches mit dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) - das RWE nimmt aufgrund der von Texaco erhobenen Strompreise bis 1979 nur noch reduzierte Stromlieferungen an - der Hochdruckteil des Bismarcker Werkes geschlossen werden. Davon sind etwa 100 der insgesamt 209 Beschäftigten des Kraftwerkes betroffen.

Dienstag, 19. November 1974
Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" hat mit vier weiteren Bürgerinitiativen aus den Arbeitersiedlungen Duisburg-Neumühl und Oberhausen-Eisenheim einen Aktionsausschuß gegründet, der die isolierten Aktionen der Initiativen auf das gesamte Revier ausdehnen und gegenüber der Landesregierung aktiv werden will.

Samstag, 23. November 1974
Für die fünf Spiele, die im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft im Parkstadion ausgetragen wurden, erhält die Stadt vom Deutschen Fußballbund Reineinnahmen von rund 500.000 DM.

Freitag, 6. Dezember 1974
Obwohl das Bundeskriminalamt keine Unbedenklichkeitsbescheinigungen mehr für sog. Geschicklichkeits-Roulettspiele ausstellt, wird nach Presseberichten an mindestens drei Stellen in der Stadt - unter anderem im Hotel zur Post - weiter Roulett gespielt. Ordnungs- und Finanzamt sowie Polizei sind über den Spielbetrieb informiert, dulden das Glücksspiel aber angeblich aus Überarbeitungs- bzw. finanziellen Gründen.

Samstag, 7. Dezember 1974
Die Arbeitslosenquote im Stadtkreis Gelsenkirchen hat sich im November auf 6,1 Prozent erhöht. Im gesamten Arbeitsamtsbezirk wurden 10.793 Arbeitslose (5,6 Prozent) registriert, die zweithöchste Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen. Der Anteil der ausländischen Arbeitslosen an der Gesamtzahl stieg mit 924 auf 8,6 Prozent. 40 Prozent aller Arbeitslosen sind Frauen. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen gibt das Arbeitsamt mit 791, andere Verwaltungsstellen mit 1.364 an. In 33 Betrieben mit 3.238 Beschäftigten wurde kurzgearbeitet.

Samstag, 7. Dezember 1974
Wie dem Betriebsrat des Kohlekraftwerkes Bismarck von der Personaldirektion der Deutschen Texaco mitgeteilt wurde, soll 1975 ein erster Schub von 46 und 1976 ein zweiter Schub von 34 der 200 Belegschaftsmitglieder entlassen werden. Der Betriebsrat bemüht sich um eine Umsetzung der Kollegen innerhalb des Unternehmens. In der nächsten Woche findet ein Gespräch zwischen Betriebsrat und Heinz Kühn, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, statt.

Montag, 9. Dezember 1974
Vor der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Essen lehnt die Stadt Gelsenkirchen einen Vergleich mit der Flachglas AG Delog-Detag ab. Die Stadt sieht keine Rechtsgrundlage für eine Schadensersatzklage gegeben, weil eine Zusage von Bau- bzw. Gewerbegenehmigungen noch nicht vertrauensschutzwürdig sei. Das Gericht vertritt hingegen die Ansicht, Vertrauensschutz gelte zwar nicht für den betreffenden Bebauungsplan, jedoch für den Grundstückskaufvertrag, die Zusage des Beschlußausschusses sowie die stillschweigende Duldung des Baus durch die Stadt, als bereits Feldmarker Bürger Klage erhoben hatten. Bis März nächsten Jahres muß die Delog nun ihre Klage präzisieren.

Donnerstag, 12. Dezember 1974
Bei der VEBA-Chemie AG in Scholven richtet ein Großbrand in der Kammer III der Benzol-Druckraffinerie einen Sachschaden von über 1 Mio DM an. Aus bisher unbekannten Gründen war eine Rohrleitung explodiert. Zwei Züge der Feuerwehr und vier Löschzüge der Werksfeuerwehr sind im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen.

Samstag, 14. Dezember 1974
Die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" schlägt in Anlehnung an ein Hannoversches Modell eine paritätisch aus Stadtverordneten und Mietern zusammengesetzte Sanierungskommission vor, die dem Rat Empfehlungen aussprechen kann.

Montag, 16. Dezember 1974
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung am 1. Januar 1975 wird laut Ratsbeschluß Gelsenkirchen in fünf Stadtbezirke eingeteilt. Der Bezirk Mitte wird aus den alten Stadtbezirken Altstadt, Schalke, Schalke-Nord, Heßler und Feldmark gebildet (Gesamteinwohnerzahl 116.000), der Bezirk Nord aus Scholven, Hassel und Buer-Mitte (68.000), der Bezirk West aus Horst, Beckhausen und Schaffrath (44.000), der Bezirk Ost aus Erle, Resser Mark und Resse (53.000) und der Bezirk Süd aus Neustadt, Rotthausen und Ückendorf (51.000).

Montag, 16. Dezember 1974
Eine Verdienstausfallregelung für Hausfrauen-Abgeordnete, die mehr Frauen die Tätigkeit in der Politik erleichtern helfen sollte, findet wegen der geschlossenen Ablehnung der CDU-Fraktion keine Mehrheit im Rat.

Montag, 16. Dezember 1974
In nichtöffentlicher Ratssitzung diskutieren die Ratsfraktionen den Vorschlag des Liegenschaftsamtes, das ca. 8.000 qm große Gelände an der Seestraße in Buer an die Firma Novotel Deutschland GmbH (München) zu verkaufen, die hier für 8 Mio DM ein Hotel mit 120 Betten bauen will. Die amerikanischen Hotelkonzerne Holiday Inn und Quality Inn waren nach einer selbst aufgestellten Bedarfsrechnung von dem Projekt zurückgetreten. Nach Feststellung der Verwaltung gibt es in Gelsenkirchen jedoch zu wenig Hotelbetten.

Dienstag, 24. Dezember 1974
In einer Stellungnahme kritisiert die Bürgerinitiative "Flöz Dickebank" die Verfahrensvorschriften (sog. Leistungsverzeichnis), die das Baudezernat für den Ablauf der vorbereitenden Untersuchungen zur Sanierung der Ückendorfer Bergarbeitersiedlung vorgelegt hat. Entgegen den Bestimmungen des Städtebauförderungsgesetzes sehe die Stadtverwaltung die Mitwirkung der Betroffenen nicht vor. Die Bürgerinitiative fordert Baudezernenten Theo Terboven auf, die Verfahrensvorschriften entsprechend neuzuformulieren.

Samstag, 28. Dezember 1974
Mit Sicherheit wird die Interessensgemeinschaft der VEBA-Anlieger - wie ihr Vorstand gestern mitteilte - gegen den vorläufigen Genehmigungsbescheid für die geplante VEBA-Erweiterung klagen. Die am 19. Dezember beim Erörterungstermin vorgelegten Immissionswerte seien "außerordentlich problematisch". Befriedigt äußert sich die IG indes darüber, daß nicht zuletzt auf Grund der Bürgerproteste rund 50 Mio DM des 400-Mio-DM-Bauvorhabens für den Umweltschutz ausgegeben werden sollen. Allein durch die neue Rauchgasentschwefelungsanlage würden bei der VEBA 66 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Samstag, 28. Dezember 1974
Nach Berechnungen des Statistischen Stadtamtes hat Alt-Gelsenkirchen von 1964 bis 1973 insgesamt 9.043 Einwohner an Buer und Horst verloren. Als einziger Stadtteil konnte die Feldmark ihre Einwohnerzahl steigern.

Dienstag, 31. Dezember 1974
Im ARD-Magazin "Report" wird eine fünfminütige Zusammenfassung der Auseinandersetzungen um "Flöz Dickebank" gezeigt.

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heen
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Re: Stadtchronik 1974

Beitrag von heen »

Quelle:
Stadtchronik 1974
https://www.gelsenkirchen.de/de/bildung ... k_1974.pdf

Kokerei Scholven - Umweltschutz vs. Wohnbebauung
Stadtchronik 1974 hat geschrieben: Dienstag, 14. Mai 1974
Unzumutbar sind inzwischen die "rauchpilzartigen Staubwolken" der Kokerei Scholven für die Anwohner geworden. Die Betroffenen weisen darauf hin, daß bereits vor einem halben Jahr - nach Verlegung der Produktion der stillgelegten Kokerei Bismarck nach Scholven - technisch verbesserte Anlagen zum Abbau von Staub- und Geruchsbelästigung zugesagt worden waren.

Donnerstag, 30. Mai 1974
Wie der Umweltschutzbeauftragte Dr. Werner Hünermann erklärte, wird die Stadt Gelsenkirchen voraussichtlich beim Landesbergamt Dortmund beantragen, den vor 5 Jahren erteilten Genehmigungsbescheid zur Wiederaufnahme der Produktion in der Kokerei Scholven aufzuheben. Das Werk hat die damalige Auflage, binnen 5 Jahren im Süden des Werkes einen Grüngürtel von 100 m Breite anzulegen, bis heute nicht erfüllt. Gutachter sollen im Juni zudem feststellen, ob die Staubbelästigung seit der Inbetriebnahme der neuen Spezialkoksanlage stark zugenommen hat.

Dienstag, 18. Juni 1974
Sieben Bürgerschaftsvertreter besichtigen die Kokerei Scholven der VEBA-Kraftwerke Ruhr, um sich über Umweltschutzmaßnahmen der Großanlage zu informieren. Kritik üben sie besonders am Abholzen eines Birkenwäldchens, auf dessen Gelände die VKR Öltanks bauen will und das die Anlieger bisher vor den Immissionen des Werkes geschützt hat. Die Fünf-Jahres-Frist der Eingrünung des Werkes (s. 30. Mai d.J.) wird vom Bergamt dementiert und die Kritik an fehlenden Maßnahmen an die VEBA als Hauseigner des vorgesehenen Geländes und an die Stadt als Straßeneinzugsberechtigte zurückverwiesen.
siehe auch: https://gelsenkirchener-geschichten.de/ ... 00#p524800

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