Gedenkfeier 80 Jahre Beginn 2. Weltkrieg

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Marty Moose hat geschrieben:Natürlich sehe Ich erwiesene Verbrechen an die Menschlichkeit nicht kritisch und natürlich
muss sowas verurteilt werden,keine Frage. [...]
Dann sind wir uns in diesem Punkt einig.
Das widerspricht allerdings Deiner vorherigen Aussage, denn wir reden wir hier nicht von Millionen deutscher Soldaten als „Täter des Zweiten Weltkrieges", sondern eben von diesen Menschen, die der Verbrechen und Morde während des Nationalsozialismus angeklagt werden, weil sie in ihren jungen Jahren andere (wehrlose) Menschen auf grausamste gepeinigt, gequält, erschossen oder zu Tode gefoltert haben.
Marty Moose hat geschrieben: [...]Ich frage mich nur,hatte man damals groß eine Wahl als Soldat/Befehlshaber oder wie auch immer.
Wie Ich schon sagte,Befehle ausführen oder sterben.
Was nun?
Du meinst den "Befehlsnotstand", auf den sich viele Angeklagte in NS-Prozessen wegen Kriegsverbrechen beriefen ?
Siehst Du es kritisch, wenn sie heute noch dafür belangt werden sollen, weil sie Deiner Meinung nach damals lediglich Befehle ausgeführt haben?

Anders kann ich Deine Aussage nicht interpretieren.
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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sirboni
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Beitrag von sirboni »

Benzi schreibt u.A.:"wenn sie heute noch dafür belangt werden sollen, weil sie Deiner Meinung nach lediglich Befehle ausgeführt haben?"

Ein wenig differenzieren ist hier schon angebracht. Die oft unfreiwillig Eingezogenen hatten in der Tat kaum eine Wahl.
Ein Onkel, dessen Namen ich später erbte, wurde schon bei Leningrad wegen kritischer Äußerungen in Briefen an seine Frau in eine Strafkompanie versetzt, was er dann auch nur kurze Zeit überlebte.
Etwas anders war das schon bei den Begeisterten, die von der Überlegenheit ihrer Rasse und ihrer Ideologie überzeugt waren und ihre Taten mit vollem Vorsatz ausführten.
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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

sirboni hat geschrieben:[...] Etwas anders war das schon bei den Begeisterten, die von der Überlegenheit ihrer Rasse und ihrer Ideologie überzeugt waren und ihre Taten mit vollem Vorsatz ausführten.
@sirboni: aber genau um diese Menschen geht es in der Aussage von Marty Moose, in der er schreibt, dass er es "kritisch siehst, wenn alte Männer heute noch vor Gericht "gezerrt" werden, wegen der Dinge, die sie damals getan haben".

Bei diesen "alten Männern, die heute noch vor Gericht gezerrt werden", handelt es sich nicht um unfreiwillig Eingezogene, die keine andere Wahl hatten, sondern um NS Führungseliten und SS-Schergen. Allerdings kommen nur noch wenige von ihnen vor Gericht, weil die meisten bereits prozessunfähig oder verstorben sind.

Eines der letzten Prozesse hat im November 2018 begonnenen. Er richtet sich gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im deutschen Konzentrationslager Stutthof. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 94 Jahre alten Mann aus dem Kreis Borken hundertfache Beihilfe zum Mord vor.
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Mechtenbergkraxler
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Beitrag von Mechtenbergkraxler »

In den letzten Beiträgen fällt mir schon wieder zu viel unter die von mir beargwöhnte – sorry – Rubrik „emotionales Gedöns“. Gedenktage sollten eine Selbstverständlichkeit sein, mit nüchterner Erinnerung begangen werden und im Positiven wie im Negativen eine Lehrstunde für die aktuellen Generationen sein. So gut gemeint auch Kränze, „Ich hatt´ einen Kameraden“ u.ä. sind, so moralisch auch Appelle an die Verantwortung von Kindern und Kindeskindern sind, so decken sie doch die Chancen, Aufklärung über das Geschehene zu betreiben, fast komplett zu. Nein, wenn meine Familie nicht selbst betroffen war, muss ich nicht Trauer tragen für die aus meiner Sicht anonymen Toten des 2. Weltkriegs und noch weniger für die des 1. Weltkriegs. So etwas ist einfach nicht ehrlich. Ich muss auch nicht darüber spekulieren, wie ich mich unter den Bedingungen einer Diktatur verhalten hätte, weil das eine rein akademische Frage ist, die sich in der Realität nun mal nicht stellt. Ein Mensch, der das III. Reich als Kind erlebt hat, hat auch keine Verantwortung für das Geschehene. Das sind alles so quasi „Erbsünden-Modelle“, die ich schon im kirchlichen Raum für gruselig halte.

Aber lernen kann ich an Gedenktagen sehr viel für die Zukunft. Allerdings nur, wenn sie entsprechend aufbereitet werden. Und zu erklären gäbe es eine Menge: Warum sind Populisten so beliebt, aber auch so gefährlich? Vielleicht, weil sie für komplizierte Fragen so herrlich einfache Antworten und vor allem immer einen Sündenbock parat haben? Warum ist A.H. der Prototyp des Populismus, der nicht ohne Grund so ziemlich als erstes ein Propagandaministerium eingerichtet hat? Warum können Demokraten nicht davon aber mit positiver Zielsetzung lernen? Warum ist der Mensch so empfänglich für emotional übersteigertes Gemeinschaftsgefühl, mit Schlachtgesängen, Parolenbrüllerei, Ausschließen von Andersaussehenden? Warum ist der Mensch so irrational, warum hält er rationale Argumente für falsch und schließt sich Bauchgefühlen an? Ein Musterbeispiel ist der Widerspruch zwischen der Zahl der in der Ostzone vorhandenen Ausländer und dem im Verhältnis dazu exorbitant hohen Grad der Ausländerfeindlichkeit. Rational ist das nicht.

An das alles könnte man an einem Gedenktag zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns denken. Ohne Gedöns und Überfütterung.

MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)

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Marty Moose
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Beitrag von Marty Moose »

Wie dem auch sei.
Habe ja schon gesagt,wer es verdient,der verdient es.
Viel schlimmer als das alles finde Ich,das unsere aktuelle Regierung sich nicht zu schade ist,weiterhin Waffen ins Ausland zu verkaufen und damit neue Kriege und Konflikte unterstützt,ohne Rot dabei zu werden.
Wir haben Politiker an der Macht,die sich schlichtweg als unberechenbare Vollidioten manifestieren,wie zB. Trump oder Kim Jong Dingens.
Wenn alles so weiter geht wird es enorm knallen,soviel ist sicher.

Da mach Ich mir um fast 100jährige vor Gericht keine Sorgen.

So,genug OT,jetzt können wir wieder weiter gedenken.
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“

Sokrates

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Westfale
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Beitrag von Westfale »

Vorweg, die Taten sind abscheulich und müssen aufgearbeitet werden. Aber ...
Benzin-Depot hat geschrieben: Bei diesen "alten Männern, die heute noch vor Gericht gezerrt werden", handelt es sich nicht um unfreiwillig Eingezogene, die keine andere Wahl hatten, sondern um NS Führungseliten und SS-Schergen. Allerdings kommen nur noch wenige von ihnen vor Gericht, weil die meisten bereits prozessunfähig oder verstorben sind.
Eines der letzten Prozesse hat im November 2018 begonnenen. Er richtet sich gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im deutschen Konzentrationslager Stutthof. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 94 Jahre alten Mann aus dem Kreis Borken hundertfache Beihilfe zum Mord vor.
Ein in 2018 94 Jahre alter Mann ist Jahrgang 1924. Er war 1944 gerade mal 20 Jahre alt. Man kann ihm viel vorwerfen, aber nicht dass er zum Tatzeitpunkt eine NS-Führungspersönlichkeit war.

Einfach mal die Relationen beachten, notfalls sich mal wieder "Die Brücke" ansehen.

westfale
Aus der Hochstraße darf keine Bahnhofstraße 2.0 werden.

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Westfale hat geschrieben:[...] Einfach mal die Relationen beachten, notfalls sich mal wieder "Die Brücke" ansehen.
manchmal hilft es auch schon, Beiträge richtig zu lesen. Notfalls mal die Brille aufsetzen.
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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