LebensgeschICHten von hier - Gisela Majewski

Gelsenkirchener blicken auf ihr Leben zurück und erzählen

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hörmal
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LebensgeschICHten von hier - Gisela Majewski

Beitrag von hörmal »

[center]Gisela Majewski[/center]
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Ich heiße Gisela Majewski, bin am 17. August 1933 in Gelsenkirchen geboren. Hab also meine ganzen Lebensjahre bis jetzt in dieser Stadt verbracht. Bis auf ein paar Evakuierungsjahre im Krieg. Ich fahre leidenschaftlich gern in Urlaub, würde aber eigentlich nie woanders wohnen wollen als hier. Ich bin eine echte Ruhrpötterin.
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Ich wohne jetzt seit 4 Jahren hier im „Weißen Riesen“ in einer 40qm Wohnung, bin alleinstehend seit einigen Jahren und fühle mich hier sehr wohl. Dies ist die 11. Wohnung seit meiner Geburt, in der ich in Gelsenkirchen wohne. Von meinen Babyjahren an, bis bei meinen Eltern, dann noch mal als junge Erwachsene, dann hatten wir erst bei den Schwiegereltern ein Zimmer, bis wir die erste eigene Wohnung hatten, ohne Kinderzimmer. Dann kamen rasch drei Kinder, dann brauchten wir eine Wohnung mit Kinderzimmern, haben wir auch gekriegt, und dann starb der Schwiegervater und weil wir die ersten zwei Jahre so gut bei denen gewohnt haben und uns die Oma einzugehen schien, habe ich dann irgendwann gesagt: „Sollen wir die Oma nicht zu uns nehmen? Die geht uns ein.“ Da sagte mein Mann, es ging um seine Mutter: „Wenn du meinst...“ Und dann haben wir.
Oma wollte aber nicht aus Heßler raus, wo sie immer gewohnt hat. Dann haben wir eine 120 qm Riesenaltbauwohnung, wo wir zu 6 auch alle Platz hatten. Die Kinder hatten ihre Zimmerchen, wir hatten auch eins und Oma hatte das schönste Zimmer eigentlich. Das war ein Wohnzimmer mit so einem Klappbett. Gesessen hat sie da nie. Nur wenn sie schlafen ging. Also Oma und wir saßen hautnah beieinander. Nach einem halben Jahr habe ich gewusst: Das ist falsch. Nicht dass die Oma ein Drache war. War sie nicht. Aber 3 halbwüchsige Kinder, wir waren selber noch jung, 15 Jahre verheiratet damals, und jetzt die alte Frau von über 70, die ganz andere Vorstellungen hatte. Die hat gedacht, wir sitzen wirklich Hand in Hand mit ihr vor dem Fernseher. Die Kinder gingen ihre Wege schon und wir natürlich auch. Da hat sie immer gesagt: „Ich sitze die meiste Zeit doch allein hier.“ Aus verschiedenen Blickwinkeln eben, jeder hatte eine andere Vorstellung.
Nach einem halben Jahr wusste ich also, das war falsch und kriegte dann Depressionen, weil ich dachte, ich kann doch die alte Frau nicht auf die Straße setzen. Die Depressionen kamen für alle – auch für mich – aus heiterem Himmel. Ich hatte überhaupt keinen Grund für Depressionen. Das habe ich erst im Laufe von Jahren rückblickend gemerkt, woran es eigentlich gelegen hatte. Aus diesem halben Jahr, wo ich wusste, das war verkehrt, sind 7 Jahre geworden. Und dann hat es mal fürchterlich gekracht zwischen der Oma und mir und dann ist sie auch ausgezogen. Danach war es wieder gut. Aber sieben Jahre bei ihr immer nur so ein Fitzelchen unter den Teppich kehren, das ergibt dann auch so einen Berg. Keiner von uns hat sich getraut. Sie hat gedacht, ich bin immer krank, da muss sie für die Familie da sein. Und ich habe gedacht, ich habe doch die alte Frau zu mir geholt. Jetzt muss ich sie solange bei mir lassen, bis sie nicht mehr da ist. Also falsch verstandene Rücksichtnahme von beiden Seiten. So. Dann hat es mal gekracht aus irgendeinem Anlass. Dann kam von ihr der Wunsch auszuziehen. Dann habe ich gesagt: „Mensch, Oma, hättest du es mir vor 3 - 4 Jahren gesagt...“. „Ja, aber du warst ja krank. Konnte ich doch nicht.“ Und ich habe mich auch nicht getraut. Also haben wir uns 7 Jahre ein bisschen gequält. Die letzten 3 Jahre waren die schlimmen, als wir 1977 nach Erle gezogen sind. Die Oma wollte nie aus Heßler weg und ich habe mir gedacht, ich muss sie mitnehmen. Beide haben nichts gesagt und haben den Umzug gemacht. Warum sind wir nach Erle gezogen? Alles was wir eingespart hatten, hatten wir in diese Altbauwohnung reingesteckt. Es war ein uraltes Haus, gegenüber vom Jahnbad. Ein Haus von 1900. Wir mussten die Böden begradigen, damit wir überhaupt Teppichboden legen konnten. Mein Mann hat Holzpaneele an die Wände gesetzt, weil sie krumm und schief waren. Die alten Fenster, die gemacht werden sollten, als wir einzogen, sind nach 4 Jahren gemacht worden. Kurz vor dem Auszug haben wir den Dreck noch mitgekriegt. Es war eigentlich nicht mehr auszuhalten.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Und da kriegten wir eine 100 qm moderne Wohnung mit Garage in Erle, weil dann die Kinder noch zu Hause waren. Und weil ich krank war, arbeitete ich nicht und mein Mann war alleiniger Verdiener und dann bekamen wir sie als Sozialwohnung. Jedenfalls, Oma zog 1980 aus, hat dann noch 8 Jahre – die Frau ist 88 geworden – wieder in Heßler in einer kleinen Wohnung gelebt und hat sich da wohl gefühlt.
Die Kinder gingen dann einer nach dem anderen aus dem Haus. Sie waren schon über 20. Dann 1981, da waren die 4 Jahre rum. Ich ging halbtags arbeiten, mein Mann hat wieder besser verdient, war nur noch ein Kind da, dann mussten wir die volle Miete bezahlen. Wo vorher 500 DM waren, waren auf einmal 1000 DM. 1981! 1000 DM Miete in ein schwarzes Loch. Dann haben mein Mann und ich gesagt: Meine Güte, wir sind zwar schon alt, aber da hat sich dann eine Eigentumswohnung in Bulmke angeboten.
Wir mussten was aufnehmen, wir hatten noch ein bisschen was gespart, aber wir mussten natürlich etwas aufnehmen und hatten 1200 DM Rückzahlung im Monat für das Darlehen zu bezahlen. Da haben wir gedacht, wenn wir 1000 DM nur in ein schwarzes Loch feuern, dann können wir auch 1200. Er war gesund, noch keine 50 oder gerade 50, dann können wir das abarbeiten. So weit so gut. Dann haben wir da fast 5 Jahre gewohnt. Das war der richtige Entschluss. Bisschen spät, aber es war der richtige Entschluss.
Nach 4 Jahren fing es an, mit Mitte 50, war dann klar: Er hat Alzheimer. Mitte 50! Dann war klar: Irgendwann muss ich meine Arbeit aufgeben, wenn er nicht mehr arbeiten kann, und irgendwann muss ich ihn ins Heim geben, also können wir die Eigentumswohnung nicht mehr halten.
Dann haben wir ein junges Paar gesucht, die erst zur Miete einzogen und die wollten auch, wenn es ihnen da gefällt, das Haus auch kaufen.
Wir sind in die Feldmark gezogen. Ich hatte meinen Mann 6 Jahre zu Hause und dann musste ich ihn ins Heim geben. Du kannst nicht 24 Stunden rund um die Uhr aufpassen und gucken. Einmal drehst du dich um und er ist weg. Er war ja noch jung. Er war sportlich, solide, hat nie geraucht, kaum getrunken. Im Kopf war nicht mehr viel, aber körperlich war er noch fit. Und war weg. Meine Tochter hatte die Pflegschaft schon über ihn, sie hat mir das abgenommen, die Ämter und so. Und sie hat ihn im Heim angemeldet und gesagt: „Mama, du entscheidest, wann er hinkommt“. Und irgendwann ging es nicht mehr.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Er hat ab 1992 noch 9 Jahre in St Georg gelebt. Er ist im Juni vor 9 Jahren mit 71 gestorben. Und dann hörst du sogar aus dem engsten Familienkreis – in dem Falle war es seine Schwester -: „Warum gibt sie ihn weg?“
Ich habe ihn zwar abgeben müssen, aber ich habe ihn die ganzen 9 Jahre begleitet. Ich habe ihn noch 5 Jahre jedes Jahr zweimal mit in Urlaub genommen. Wir haben immer Ferienwohnungsurlaube gemacht. Er lief sehr gern. Er sprach nicht mehr. Er trug schon Windeln, aber er konnte mir mimisch mitteilen, ob er sich freut, ob was ist. Bis er Ende 1996 - den Weihnachtsurlaub mussten wir schon absagen – ich sage mal, so einen leichten Schlaganfall hatte.
Er konnte nicht mehr gut laufen und kam an die Ernährungssonde. Das hat noch mal 4 Jahre gedauert. Wir wollten die Sonde nicht. Ich habe verzweifelt versucht, ihn zu füttern, aber er schluckte nicht mehr und da hat der Doktor gesagt: „Wir müssen ihn an die Sonde legen. Wir dürfen ihn nicht bei lebendigem Leib verhungern und verdursten lassen.“
Bevor er ins Heim kam, habe ich dann zu der Mieterin gesagt: „Sie wollten doch kaufen. Mein Mann kommt jetzt bald ins Heim. Und dann muss die Wohnung verkauft sein.“ Dann sagt sie: „Mein Verlobter ist weg und allein kann ich nicht kaufen.“ Wir haben die Miete nie erhöht, war immer am untersten Level, sie hat kaum Heizkosten gehabt, weil sie berufstätig war. Ich durfte also die Miete erhöhen und dann ist sie ausgezogen und 3-4 Wochen bevor er ins Heim kam, haben wir die Eigentumswohnung Gott sei Dank mit plus minus null verkaufen können. Sonst hätte ich das Ganze mein Leben lang abzahlen müssen.
Und da haben wir 20 Jahre, also ich 20 Jahre und er noch 6 Jahre mit mir in der Feldmark gewohnt, bis ich dann hier eingezogen bin. Und das hatte immer andere Gründe, warum immer eine andere Wohnung. Nicht aus Jux und Dollerei, jetzt ziehe ich mal schnell wieder um. Es gab immer einleuchtende Gründe.
Ich habe 1949 Groß- und Außenhandelskaufmann bei Krümpelmann (Bulmker Str.) gelernt, pharmazeutische Großhandlung in Bulmke.
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Ich habe nur Volksschule, aber 9 Jahre. Damals gab es keine Lehrstellen. Da war man froh, überhaupt was zu kriegen. Also 9 Jahre Volksschule und eben Glück gehabt, diese Lehrstelle zu bekommen. Danach hat er nur noch Realschüler und sogar Abiturienten genommen. Auch als Lehrlinge. Ich war eine ganz gute Schülerin, habe auch gern gelernt, seit meinem
8. Lebensjahr, seitdem ich einigermaßen lesen konnte, fresse ich alles Gedruckte, sage ich jetzt mal, und dann kam die Lehrerin zu meinen Eltern – mein Vater war einfacher Arbeiter und ich habe noch eine Schwester, 2 Jahre jünger, und meine Mutter nur Hausfrau, eine Gluckenmutter – und sagte:
- Gisela lernt doch gut, schicken Sie sie zur Oberschule.
Da sagte meine Mutter: - Nein.
– Warum nein?
- Erstmal kostet das noch Schulgeld, Bücher und alles und mein Mann ist einfacher Arbeiter, er verdient nicht viel und wir haben noch eine Tochter. Wenn eine dann beide.
Das war schon richtig, aber das war nur die halbe Wahrheit. Die andere Wahrheit kam dann hinterher. Sie sagte:
- Außerdem ist sie ein Mädchen und wird sowieso heiraten.
Wenn ich eine andere Schulbildung gehabt hätte, wäre ich damals gerne entweder Bibliothekarin wegen der Bücher, Kindergärtnerin oder Lehrerin geworden. Also Bücher und Kinder, das war so mein Ding.
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Und jetzt lande ich in der trockenen Buchhaltung. 12 Jahre lang. Einmal ein Vierteljahr durchs Lager und dann 12 Jahre lang in der Buchhaltung. Hat mir aber auch Spaß gemacht. Muss ich ehrlich sagen. Ich habe das gerne gemacht.

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Margit Kruse
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Beitrag von Margit Kruse »

Wunderbar, die Lebensgeschichte der Gisela Majewski! Das gehört in ein Buch!
Ich kenne Gisela aus dem Bibliothekscafe. Das ist so eine nette, taffe Frau! Bin schon auf die Forsetzung gespannt.

Liebe Grüße
Margit

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hörmal
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Eine kleine Geschichte am Rande

Beitrag von hörmal »

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Ins Kino ging ich auch sehr gerne. Dazu kann ich eine nette Geschichte erzählen:
Der 20. Juni 1948. Am 21. war die DM im Umlauf. Der 20. war also der letzte Tag der Reichsmark.
Eine Mark, die war nicht mehr viel Wert, gaben mir meine Eltern. Meine Schwester, die war noch zu klein.
Ich war 15. Wir hatten Kino im ... , in der Schauburg, Capitol, Apollo und auch noch am Bahnhof. Also Kinos jede Menge.
Ich fing in der Schauburg an.
Frag mich nicht, was für ein Film das war.
Ich da in den Film.
War jugendfrei.
Na ja, damals waren das alles harmlose Filme.
Ich lege meine Mark hin. Sagt die Kassiererin: „Brauchst nicht zu bezahlen. Morgen gibt’s neues Geld.“
Ich habe mir dann den Film angeguckt.
Ich denke: „Hast ja noch eine Mark.“
Dann bin ich ins Capitol, ins nächste Kino gegangen, da weiß ich noch, dass es ein Bing Crosby Film war. Ich weiß nicht mehr, welcher. Ich mochte Bing Crosby damals, seine tiefe Stimme. Egal. Ich wieder meine Mark hingelegt. „Nee, brauchst nicht.“
Dann bin ich ins dritte Kino.
Ehrenwort. Ich hatte nachher solche Augen.
Aber ich bin in 3 Filme hintereinander gegangen und keiner hat mir meine Mark abgenommen.
Am nächsten Tag kostete der Film nicht mehr eine Mark sondern nur 50 Pfennig.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Als das erste Kind schon da war, habe ich dann aufgehört zu „arbeiten“. Die drei Kinder kamen rasch hintereinander. Juli 1960, Ende August 1962, Mitte September 1963. Ein Sohn, zwei Töchter. Ich war gerne 11 Jahre lang nur Hausfrau und Mutter. Wirklich. Gerne. Wegen der Kinder.
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Auf Wunsch der Töchter wurden hier Bilder entfernt.


Aber dann wollen die auch nicht immer an Mutters Schürze. Sie haben dann auch schon eigene Interessen. Man muss sie dann auch ein bisschen loslassen. Und da habe ich dann das erste Mal meine Fühler ausgestreckt.
Mein Mann war einverstanden. Er war Stahlbauschlosser auf Orange gelernt. (Orange, das war Rheinstahl, Dortmunder Union und Brückenbau. Orange in Heßler, wo jetzt Malzheimer Bier ist oder so, ziemlich nah am Hafen; Uferstr..
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 1258#31258
Als ich ihn kennen lernte, war er das noch. Er hat ganz gut verdient. Er war Kolonnenführer. Aber dann hat man ihm nahe gelegt, weitere Schulungen zu machen. Er hat dann REFA-Kurse gemacht und ist dann bei Orange, wo er 20 Jahre war, technischer Angestellter, Kalkulator und Arbeitsvorbereiter, geworden.
Das war zu dem Zeitpunkt, als wir geheiratet haben, Mai 1958. Dann kam er in die unterste Gehaltsklasse. Der hat vorher als Arbeiter mehr verdient.
Und ich hatte schon 12 Jahre Gehalt gehabt, bei Krümpelmann. Ich habe zu dem Zeitpunkt, als ich aufhörte zu arbeiten, als wir heirateten und er anfing als Angestellter, wesentlich mehr verdient als er. Und das hat ihm auch nicht gefallen.
Das war damals so. Er war der Verdiener. Nachher hat er sehr gut verdient und ich musste nicht mehr arbeiten. Die letzten 20 Jahre, bis er aufhören musste, zu arbeiten, kam er durch einen Sportkollegen zu der Firma Gerber nach Dortmund Marten. Die haben Industrieschalldämpfer gebaut.
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Zuletzt geändert von hörmal am 04.06.2010, 20:18, insgesamt 1-mal geändert.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Also, 3 Kinder, und die wollten auch nicht mehr, dass Mutter nur um sie rumwuselte. Der Junge war 11 und die Mädchen 9 und 8. Da habe ich eine Halbtagsstelle gefunden in der Buchhaltung in der Minerva-Buchhandlung gefunden. Habe ich auch ein Jahr gern gemacht. Mein Mann sagte, musst du wissen. Er hat mir immer geholfen. Also nicht dass er der Pascha war.
Wirklich nicht.
Auch als die Kinder klein waren. Gar keine Frage. Da waren wir schon sehr modern, muss ich sagen. Jedenfalls ein Jahr lang hat mir das sehr viel Spaß gemacht und dann fiel es mir immer schwerer. Ich musste mich mühen. Zwischenzeitlich starb mein Schwiegervater.
Dann haben wir Urlaub gemacht, weil ich dachte, ich bin vielleicht nur überfordert. Machen wir also einen schönen Urlaub, dann geht es wieder. Aber nein. Nach dem Urlaub ging es genau so schlecht weiter. Da war die Oma noch nicht bei uns. Das kann ich der Oma nicht in die Schuhe schieben.
Aber ich war 40, das war ein erster hormoneller Umschwung. Auf dem falschen Fuß erwischt. Es war nur eine Phase. Aber ich habe gedacht, ich bin doch überfordert, die Kinder brauchen mich doch, und habe gekündigt.
Mein Hausarzt fand nichts Organisches und wollte mich zum Psychiater schicken. Da habe ich gesagt: „Was soll ich beim Psychiater?“ Ich bin eigentlich nicht der Typ, ich sehe immer das Glas halbvoll. Immer schon. Ich dann trotzdem dahin und dann sagte er:
– Sie haben Depressionen.
– Ich doch nicht!
– Doch. Sie haben Depressionen. Sie hätten nicht kündigen müssen. Ich hätte sie für 4, maximal 6 Wochen krank geschrieben[center].Bild[/center]
Und innerhalb von 6 Wochen mit den Medikamenten war ich aus der – es war nur eine leichte Depression - Phase raus. Dass ich, blöde Kuh, trotz pharmazeutischer Ausbildungsstätte – ich habe nie gern Tabletten genommen ...
Nach 6 Wochen ging es mir gut und ich habe nicht gewusst, was für ein Teufelszeug Psychopharmaka sind. Ich habe nie was davon gebraucht.
Zack, weg!
Habe ich nie mehr gemacht. Aber es ist einmal passiert. Und ich komme in die Euphorie, das kippte, und nehme da meine Schwiegermutter zu mir.
Aber dann habe ich etwas später – da waren die Kinder fast aus dem Haus, 1978 bis 1988, doch noch auch mit Büchern zu tun gehabt, beruflich. Ich war bei Bertelsmann in einem Club-Center und habe halbtags Bücher, Musik und andere Sachen verkauft. Und habe das sehr gern gemacht. So, das sind meine beruflichen Wege.

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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Zu den Kindern noch. Ein Sohn, 2 Töchter.
Mein Mann hat noch nicht mal Volksschulabschluss. Er ist Jahrgang 1930 und war die letzten Kriegsjahre bei seiner Tante in Ostpreußen gewesen.
Evakuiert.
Der ist noch Ende Dezember1945 mit seiner schwangeren Cousine und seiner Tante auf die Flucht gegangen.
War mit 14 Jahren noch in Königsberg beim Volkssturm, ein paar Tage, ein paar Wochen, und die sollten mit der Gustloff auslaufen, weil die Cousine schwanger war.
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Jetzt saßen sie und warteten und warteten.
Und dann kam eine Durchsage, dass sich das verzögert mit dem Auslaufen.
Dann sagt dieser 14-jährige zu seiner Tante: „Tante Adelheid, es ist so langweilig. Und das Schiff fährt doch erst in 2 Stunden. Ich gehe noch so ein bissken hier rum“.
Dann sagte sie: „Du kannst ruhig gehen aber komm pünktlich wieder.“
Und dann ist das Schiff doch eher ausgelaufen als angekündigt.
Das Schiff war weg.
Er kriegte von seiner Tante Prügel, bis sie nachher gesagt hat: „Junge, du hast uns das Leben gerettet“.
(Am 30. Januar 1945 wurde die Gustloff durch ein sowjetisches U-Boot versenkt und ging mit möglicherweise mehr als 9.000 Opfern unter.)
Dadurch hat er keinen Schulabschluss gehabt.
Das war die Zeit, wo er aus der Schule gekommen wäre.
Zuletzt geändert von hörmal am 05.06.2010, 08:15, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von hörmal »

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Mein Vater ist aus Masuren, meine Großeltern mütterlicherseits sind aus Masuren, meine Schwiegereltern sind aus Masuren, und ich war als Kind mal da und vor zehn Jahren noch mal.
Ich spüre da meine Wurzeln, obwohl ich hier geboren bin und meine Mutter schon hier geboren ist.
Aber ist so.
Mein Vater hat immer wunderbare Geschichten erzählt. Und als wir dann 1942 mitten im Krieg – da war kein Krieg, da war Paradies – von Juli bis Dezember in Masuren, ein Traum, da waren, kannte man das alles schon durch seine Geschichten.
Also ganz toll.

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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Jetzt noch mal kurz zu den Kindern.
Oder erst mal zu meinem Mann. Er war nicht der beste Schüler. Jungs sind manchmal faul. Aber der war schon intelligent, und zwar in Naturwissenschaften hauptsächlich.
Und das hat mein Sohn auch von ihm geerbt.
Mein Mann wäre gern Ingenieur geworden, er wäre auch ein guter Ingenieur geworden, sowohl im Praktischen als auch am Schreibtisch. Dann hat mein Mann dann gedacht, da kann der Sohn dann Ingenieur werden. Der hat nur Realschule gehabt. Man konnte ja aufbauen. Nur unser Sohn war genau so praktisch begabt wie sein Vater, aber er war kein Schreibtischmensch. Und nach der Realschule ist er die Hälfte nicht hingegangen, hatte keine Lust, wie das so ist, er war 16, 17.
Jedenfalls brachte das alles nichts.
Damit er nicht auf der Straße lag, hat mein Mann ihn ein paar Monate in seiner Firma gehabt, bis er dann Radio-Fernsehtechniker lernen konnte.
Beide Mädchen haben Abitur gemacht.
Die eine auf der Gesamtschule in Buer (jetzt Berger Feld).
Unser Sohn war ein Träumer und ein Praktiker. Seine Ausbildung war schon richtig. Und er fällt immer auf die Füße. Er ist geschickt und praktisch. Meine Tochter und der Oberbürgermeister waren zusammen in der Grundschule. Und die 2 waren mit die schüchternsten Kinder in der Grundschule. Und heute ist er nicht mehr schüchtern und sie auch nicht. Sie hat in der Gesamtschule aufgeholt. Sie war langsam, schüchtern aber gründlich. Und in der Gesamtschule hat sie sich dann freigeschwommen. Die Kleine war ein Überflieger von Anfang an. Sie ist nur ein Jahr jünger und wenn ihre Schwester Schularbeiten machte, saß sie daneben und mit fünfeinhalb Jahren fing sie an zu buchstabieren.
Immer nur 1 und 2.
Sie wollte immer nur Lehrerin werden. Nach dem Abitur am Schalker Gymnasium hat sie auch das Grundstudium in Essen gemacht, Deutsch und Englisch, aber damals konnte man mit Lehrern die Straßen pflastern. Mein Mann wurde krank.
Dann hat sie aufgehört. Dann wollte sie Krankenschwester werden, hat ein Praktikum gemacht in Essen, gut gemacht, und dann hat sie gefragt: „Kann ich denn jetzt anfangen“. – „Ja, nächstes Jahr“. Aber sie war 23 und wollte irgendwann anfangen zu arbeiten.
Und dann ist sie Arzthelferin geworden.
Heute macht sie was ganz Anderes.
Aber zwanzig Jahre lang war sie eine gute Arzthelferin. Das hätte sie alles einfacher haben können. Aber sie hatte immer im Kopf: Ich will Lehrerin werden.
Jetzt kommt meine Mutter wieder ins Spiel und sagt: „Warum denn die Mädchen Abitur und nicht der Junge?“ Die gleiche Schiene wie bei mir. Ich sage: „Mutti, jeder wie er will und kann“.
So das waren die Kinder.
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Beitrag von hörmal »

Meine Schwester, 2 Jahre jünger als ich, hat bei Sinn gelernt. Und da war ein aktiver Jugendvertreter. Und die war schon in der Gewerkschaft. Als Lehrling.
Krümpelmann, der Alte, muss ich sagen, war wirklich ein Patriarch. Wir waren alle seine Kinder, sozusagen. Er hat für uns gesorgt. Es waren damals 60, 70 Mitarbeiter. Der wusste bis zum Schluss nicht, dass ich in der Gewerkschaft war.
Meine Mutter sagte zu mir: „Du sitzt nur hinter dem Ofen. Willst du eine alte Jungfer werden. Geh mit der Kleinen auch mal raus.“ Dann bin ich mit ihr dahin und bin auch in die Gewerkschaftsjugend eingetreten.
Und da wurde das Jugendheim in der Gabelsberger Str. gerade erst gebaut. Und meine Schwester war in der Badminton-Gruppe, wo auch mein Mann war und dadurch habe ich meinen Mann auch kennen gelernt.
Und in der Theatergruppe.
Und Badminton war nicht so mein Ding. Ich habe ein bisschen gespielt aber nicht so gern und nicht so gut. Aber Theater habe ich sofort aufgegriffen. 1953.
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Wir haben also schon damals in der Gewerkschaftsjugend gespielt. Und dann lerne ich 1954 meinen Mann kennen. Ich habe dann noch bis 1955 Theater gespielt. Er hat mich auch hingebracht und abgeholt. Theater war nicht so seine Sache. 1956 war ich beruflich sehr eingespannt, die Buchhaltungsleiterin wurde krank und dann musste ich das Theaterspielen drangeben. Und da blieben nur die Partnerschaft und der Beruf.
Und jetzt mache ich einen Riesensprung und komme auf 1994. Nein, erstmal 1992, als mein Mann ins Heim kam. Da bin ich das erste Vierteljahr jeden Tag hingegangen und immer zur gleichen Zeit, so dass er genau wusste, sie kommt. Und da war Ostern 1992. Und dann dachte ich: „Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag, würdest du gern zu Hause bleiben. Nimm ihn mal für die Feiertage nach Hause. Mal sehen.“ Er hat zwar ein bisschen fremd geguckt, hat sich aber da auch eingelebt. Und dann dachte ich: „Oh Gott, wenn ich ihn zurückbringe, macht er Theater“. Nein. Weil er dachte, ich wohne nicht mehr hier, aber sie kommt ja – das vermute ich ja alles, er konnte das ja nicht mehr artikulieren - aber er wusste genau, er konnte sich auf mich verlassen. Wir wohnen zwar nicht mehr zusammen, aber ich hole ihn ab und zu und wir fahren zusammen in Urlaub. Ansonsten war das Heim sein Zuhause.
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Beitrag von hörmal »

Und das ging 9 Jahre gut. Und nach einem halben Jahr, nachdem ich genau wusste, so jetzt ist das sein neues Zuhause, dann habe ich mir neue Hobbys gesucht.
Ich schreibe seit 1993 bei der Seniorenzeitung Genior mit. Ich wollte schon 1992. Da sagte die Kumpeline damals – sie hat mit mir bei Bertelsmann gearbeitet, sie ist 10 Jahre älter -: „Du bist noch zu jung.“
Ich sagte: „Ursel, wie alt muss man denn sein?“
„Ja, 60.“
Und als ich dann 60 war, bin ich dahin gegangen.
Ich schreibe gern und wenn ich heute noch jung wäre und überlegen müsste, welchen Beruf ich wollte, würde ich gern Journalistin werden. Sowohl schreiben als auch fotografieren. Beides. Jedenfalls schreiben.
Und gleichzeitig Frauengesprächskreis in der VHS und seit 1994 hat sich eine Seniorentheatergruppe gegründet, die „Zugabe“ hieß. Wir hatten ganz viele, die uns erst getragen haben.
Regisseur ist heute noch der Jörg Wilms. Der hat mal Schauspiel gelernt, war immer nur in freien Theatern und er war 1994 zu dem Zeitpunkt in der AWO, ich sage mal Animateur für die Leute.
Er und ein Pastor der evangelischen Kirche von Schalke, der keine eigene Stelle hatte; der war der Pastor nur für die AWO, fürs Amalie Sieveking Haus und für die Schmittmannstraße. Dann hat die AWO, der Pastor und dieser gelernte Schauspieler, die Diakonie hat sich noch eingeschaltet und die Kaue. Die Kaue war damals noch nicht so belagert wie heute, sie waren unsere Träger.
Wir haben 5 Jahre lang in der Kaue proben können, bis der „Hasencox“ weggegangen ist. Bis das nicht mehr ging und bis der Pastor doch eine andere Stelle kriegte.
Es war nur Seniorentheater. Wir hatten kein eigenes Geld, aber wir hatten Träger und das ging ganz gut.
Dann fielen die nach 5 Jahren weg und wir sind jetzt eine freie Theatergruppe. Unsere Jüngste ist 45 und die Älteste 81. Alle Altersgruppen. Und der Regisseur hat sich selbstständig gemacht als Regisseur. Er hat noch Kurse und Schulungen gemacht. Er hat 12 Gruppen, glaube ich, er hat kein Auto, fährt also kreuz und quer mit Bus und Bahn nach Essen, Bottrop, Gelsenkirchen, Gladbeck, Herne, glaube ich, auch noch. Jugendliche, Senioren, gemischte Gruppen, damit verdient er sein Geld. Wir zahlen jeder 20€ im Monat. Die braucht er um existieren zu können. Wir sind noch 10 jetzt. 5 Stücke haben wir gespielt.
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Das erste Stück ging ums Wohnen. Das zweite Stück war nach einer literarischen Vorlage, weiß ich nicht mehr was, war ein serbokroatisches Ding, das dritte war „Revolte im Altenheim“, auch nach einer literarischen Vorlage, dann sind welche gestorben, krank geworden, weggegangen, dann sind neue dazugekommen, wie das so ist. Und 2003 hat er ein Stück selbst geschrieben: „Lebenskünstlerinnen unter sich“.
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5 Frauen reflektieren ihr Leben. Eine hat eine Frauenkneipe, das ist unser Treffpunkt. Da hatte ich noch ziemlich viel Text.
Und mit 70 fiel mir das Auswendiglernen schon verdammt schwer. Da habe ich gesagt: Jörg, ich will nicht mehr so viel auswendig lernen. Ich glaube, ich muss aufhören. Da sagte er: Du hörst nicht auf. Ich verspreche dir, beim nächsten Stück schreibe ich dir eine kleine, runde Rolle mit 5 bis 6 Sätzen. Hat er gemacht. Auch für dieses Stück, das jetzt läuft und es macht mir wieder Spaß.
Wir proben seit 10 Jahren im Jugendheim in der Gabelsberger Str., wo ich 1953 mit Theaterspielen angefangen habe. Jetzt schließt sich der Kreis.
Also: Ich hatte den Gesprächskreis, die Zeitung und die Theatergruppe. Das waren meine drei festen Gruppen.
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hörmal
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Beitrag von hörmal »

Und ich habe noch Familie. Einmal in der Woche kommen die Kinder. Zumindest die Töchter. Mein Sohn lässt sich weniger blicken. Meine Töchter haben beide keine Kinder. Mein Sohn hat eine Frau mit einem 4-jährigen Kind geheiratet. Heute ist mein Enkel 28. Und meine Enkelin ist 22. Von meinem Sohn die Tochter. Er ist aber von der Frau wieder geschieden. Aber es ist gut gegangen.
Meine Tochter fragt schon mal: „Können wir uns nächste Woche dann und dann sehen“. Und da sage ich: „Nächste Woche nicht. Tut mir Leid. Da habe ich dies und das. Keine Zeit!“ Und dann muss ich auf meinen Terminkalender gucken. Und sie sagt: „Lass ein bisschen Zeit für uns.“ Meine Woche ist immer ausgefüllt. Die Wochenenden genieße ich, wenn ich keinen Termin habe. Ich kenne das Wort Langeweile aber nicht den Zustand. Ich kann mich auch allein beschäftigen. Manche in meinem Alter, die schon lange allein leben, sagen: „Gut in der Woche habe ich auch keine Probleme. Samstags geht auch noch. Aber sonntags fällt mir die Decke auf den Kopf“. Kenne ich gar nicht.
Ach so. Und seit 1999 kenne ich Dr. Reckert und zwar da war er noch im Gesundheitsamt.
In jedem Stadtteil gab es Anlaufstellen für Behinderte aber die waren alle nicht vernetzt. Jeder machte sein Süppchen für sich allein.
1999 ist Dr. Reckert dazu auserkoren worden, das Ganze zu vernetzen.
Da waren dann Sozialarbeiter, Heimleiter, Krankenschwestern, ein Psychiater aus Buer. Mein Mann lebte da noch 2 Jahre.
Da kommt der Heimleiter von St Georg auf mich zu und sagt: „Frau Majewski, da soll für Behinderte in ganz Gelsenkirchen die Hilfe vernetzt werden und da brauchen wir eine Angehörige von Behinderten. Würden Sie da mitmachen?“
So bin ich in diese Gruppe gekommen und ich habe da zwei Jahre lang mitgemacht, bis mein Mann gestorben war. Da habe ich mich ausgeklinkt.
Solange ist das her mit seiner Alzheimer-Krankheit.
Aber heute, wenn ich irgendwo Alzheimer höre, habe ich sofort spitze Ohren. Das bleibt.
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Fortsetzung folgt!
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hörmal
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LebensgeschICHten von hier - Gisela Majewski

Beitrag von hörmal »

Ich kannte also Dr. Reckert und ab und zu lief man sich über den Weg.
Und vor 5 Jahren im Oktober war dann ein Aufruf in der Zeitung. Gelsenkirchen ist ja sehr seniorenlastig und man würde aktive Senioren suchen, die für andere Senioren ehrenamtlich etwas machen wollen.
Und die Ruth Raeder von der Genior hat unsere ganze Gruppe darüber geschleust. Und ich bin immer noch dabei und dadurch auch anschließend Seniorenvertreterin und Nachbarschaftsstifterin geworden.
Und bei der ersten Anfangsversammlung in Horst waren bestimmt 60 Personen. Nun war die erste Sache vorbei. Alles erklärt und wir haben gedacht: „Schön, ja, machen wir mit“.
Und wie Dr. Reckert so ist. Er steht am Ausgang und gibt jedem die Hand. Jetzt bin ich an der Reihe. Ich gebe ihm die Hand und sage – ich habe ja so eine Klappe -: „Na, Dr. Reckert, hätten Sie denn gedacht, dass es in GE so viel aktive Senioren gibt?“
Wie er so ist, schmunzelt er so ein bisschen und sagt: „Na klar, ich kenne Sie doch.“
Das dazu wie ich Seniorenvertreterin und Nachbarschaftsstifterin geworden bin.
Ich habe auch noch 2010 auf Consol Theater gespielt: „Suche Arbeit biete Leben“.
Wie bin ich da dran gekommen?
Die Dramaturgin kam zu uns, zu „50+“, und hat angefragt, welche Senioren da mitmachen würden. Da haben sich 3 oder 4 für interessiert. Aber letztendlich war ich aus unserer 50+ Gruppe die Einzige, die dann wirklich mitgemacht hat. Die anderen Akteure kamen über die Zeitung oder wie auch immer.
Willkürlich zusammengewürfelt und eine ganz tolle Truppe.
Das Stück soll im November 2010 noch viermal gespielt werden. Wir hatten sechsmal die Bude voll. Das war schon viel!
Mir haben einige Leute vor einiger Zeit gesagt:
- Du flüchtest.
Weil ich so viele Aktivitäten habe.
- Hast du kein Zuhause?
- Doch, ich habe ein Zuhause.
- Fühlst du dich da nicht wohl?
- Doch ich fühle mich da wohl.
- Aber warum lädst du dir soviel auf?
Auch meine Freundin, die so alt ist wie ich, sagt:
- Du bist bescheuert.
- Warum?
- Wir beide werden 77, ich im August, sie im November, du gehörst eigentlich zu denen, die Hilfe suchen und nicht Hilfe geben.
- Solange ich im Kopf noch kann...
Ich war immer ein aktiver Mensch.
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