Erinnerungen an Aufenthalte in Kinder-(Kur-)Heimen

Kindheit und Kinder in verschiedenen Epochen

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Benzin-Depot
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Erinnerungen an Aufenthalte in Kinder-(Kur-)Heimen

Beitrag von Benzin-Depot »

Abgekoppelt von :
"Kinderheime in Gelsenkirchen"
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... php?t=6411
  • Auch ein Kinderheim....

    Ich war schon groß (ca 9 Jahre) und mein Kinderheimaufenthalt dauerte nur einige Wochen. Gefühlt allerdings einige Jahre... Ein Kompromiss den meine Mutter mir abgerungen hatte...ich hatte als Kind zugestimmt meine Sommerferien in einem Heim der Firma Küppersbusch zu verbringen.

    Wir warteten mit einigen anderen Eltern und Kindern im Morgengrauen an der Ecke Wilhelminen-/Küppersbuschstraße.

    Als der der Bus um die Ecke bog, kam mir sein Aussehen seltsam vertraut vor. Deutlich trug er an der Stirnseite das Emblem mit dem blauen Löwen auf orangem Grund.

    Damals wußte ich noch nicht, dass es sich um ein Fahrzeug des Herstellers Büssing handelte und der Braunschweiger Löwe das Markenzeichen war. Ich war eher der Meinung, es handele sich um den Laska-Reisebus (des Reiseunternehmens Franz Laska / GE )welcher uns im Jahr zuvor in die Sommerferien kutschiert hatte.

    Als sich die großen Bus-Türen hinter mir schlossen, spürte ich einen Kloß im Hals..

    Die Fahrt dauerte recht lange, ich schaute aufmerksam aus dem Fenster und versuchte mir, für eine eventuelle spätere Flucht, den Weg einzuprägen.

    BildKindererholungsheim der Fa. Küppersbusch / Brilon Gudenhagen, 60er Jahre

    Im Kinderheim Brilon Gudenhagen angekommen, wurden wir von einer Dame in Schwesterntracht (?) und einigen weiblichen Aufsichtspersonen empfangen.
    Kleine Taschengeldbeträge, mussten, soweit vorhanden, abgegeben werden. Ich hatte fast 7 Mark...
    Bei der Abfahrt, so sagte man uns, würden wir es wieder ausgehändigt bekommen... Später ging das Gerücht um, das gewisse Leistungen, wie das Ausleihen von Gummistiefeln oder Regenponchos, kostenpflichtig wären. Ich dachte an mein Taschengeld und verweigerte von nun an jede Zusatzleistung..

    Nach dem Mittagessen war der Mittagsschlaf angesagt. Dazu sollten wir uns im Schlafanzug in unser Bett legen und eine gewisse Zeit (eine Stunde..?) ruhig liegen bleiben...

    Bild "glückliche" Heim-Tage...
    ...vorne rechts im Bild, den Blick demonstrativ zur Seite gerichtet..


    Gefreut hatte ich mich über einen Brief meiner Lieblings-Cousine. In Anwesenheit einer Betreuerin durfte ich ihn öffnen. Auf einer bunten Ansichtskarte waren links oben und rechts unten je ein Markstück von Kinderhand mit weißem Faden aufgenäht. Die Betreuerin versicherte mir, dass ich auch dieses Geld bei meiner Abfahrt zurück bekommen würde.

    Beim Abtrennen der Markstücke war mir die Dame behilflich und riss die obere linke Ecke meiner bunten Postkarte ab...


    ...ob die anderen Kinder mehr Spass gehabt hatten....ich weiß es nicht :?:


    Übertrag aus:

    http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 4662#54662
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Troy
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Beitrag von Troy »

ich habe jugendliche kennen gelernt, die durch und in einer gruppe in ihrem heim zu sehr verantwortungsbewußten und -bereiten menschen heranwachsen.
sie haben oft einen berträchtlichen "wissens- u. erfahrungs"-vorsprung, was das miteinander angeht. das haben sie sich nicht ausgesucht, das mussten sie durchleben.
sehr liebenswerte zeitgenossen, die sich klug ihren weg genau überlegen.
mit 18 jahren ist ja zunächst mal eine zäsur vorprogrammiert...
und damit müssen sie sich auseinandersetzen, egal wie es dann für sie weitergeht.
damit vollbringen sie nach meiner meinung in einem alter, in dem andere jugendliche noch vergleichsweise "träumen+probieren" können, schon eine sehr hohe lebensleistung.

koelleken69
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Beitrag von koelleken69 »

Als wir geheiratet haben, waren meine Schwiegereltern schon verstorben. Die Hochzeitsreise ging in den Schwarzwald. Auf einer Tagestour meinte mein Mann plötzlich, dass ihm der Ort bekannt vorkäme. Wir kamen an einen See, der hieß Windgefällweiher. Er war davon überzeugt, da als Kind geschwommen zu sein. Dann kamen wir an den Bahnhof " Altglashütten". Auch dieser Name kam ihm bekannt vor. Er wusste jedoch nicht, warum. Als wir in den Ort kamen, sah er ein Haus, und war sicher, dass er auch das kennnen würde. Langsam wurde es unheimlich. Wir fragten einen Wirt und erfuhren, dass dieses Haus einst ein Müttergenesungsheim war. Ein Anruf bei der älteren Schwester meines Mannes, erklärte alles. Die Mutter war vor damals 30 Jahren mit den Kindern zur Kur an diesem Ort. Mein Mann war damals ca.3 Jahre alt. GÄNSEHAUT!
" Höre nie auf anzufangen, und fange nie an aufzuhören !"

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moni53
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Beitrag von moni53 »

Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Betrübten jede Blume ein Unkraut. (Finnisches Sprichwort)

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Wie schön!
Ca. 20 km von Altglashütten verbringe ich gerade meine Zeit.
Schöne Gegend...aber trostlos, wenn man dort sein muß!

Männlein

koelleken69
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Beitrag von koelleken69 »

Männlein hat geschrieben:Wie schön!
Ca. 20 km von Altglashütten verbringe ich gerade meine Zeit.
Schöne Gegend...aber trostlos, wenn man dort sein muß!

Na, hoffentlich musst Du nicht gerade im Windgefällweiher Dein Seepferdchen machen. Ist wohl etwas kalt. Wir waren im Herbst da. Jeden Tag(!) strahlender Sonnenschein. Traumhafter Schwarzwald!
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Benzin-Depot
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lustige Heimerlebnisse...

Beitrag von Benzin-Depot »

Männlein hat geschrieben:Noch mal, das war zeitlich begrenzt und sicher nicht angenehm.

Aber kein Vergleich zu einem Leben in einer Heimgemeinschaft, die eben nicht mit Ferienende beendet war.

Hierzu kann ich nichts sagen, weil mir die eigene Erfahrung fehlt, ich kann nur Respekt zeigen und still sein.
Ein Kuraufenthalt hatte immer am Ende die Rückkehr ins vertraute Elternhaus, so was weiß man als Kind. Ein Aufenthalt ohne, oder mit wenig Perspektive, ist für mich kaum vorstellbar.
Ich weiß nicht, ob ich heute zu solcher Gelassenheit fähig wäre.

Männlein
Kein Vergleich...weder von Äpfeln noch von Bananen...

@Männlein:....wer möchte denn hier etwas vergleichen ? Wenn Du die Berichte aufmerksam liest, wirst Du feststellen, dass von Vergleich hier nicht die Rede war...

Lediglich weitere Erfahrungen von Heimaufenthalten wurden hier gleich mehrfach geschildert. Was soll daran verwerflich sein ? Ich gestehe, im Prinzip war alles nicht wirklich schlimm.

Leider war man damals noch dumm und hat noch nicht begriffen, was gut für eine kleine Kinderseele war...

Also kein Grund zur Panik... der erhobene Zeigefinger ist völlig fehl am Platze.

Oder wie war das gleich...was uns nicht umbringt.... :?:..stell Dich nicht so an.... :roll:

Kannst Du Dir eventuell vorstellen, dass die Situation damals von Kindern nicht objektiv eingeschätzt werden konnte ...

...wer wusste schon, ob er aus dem Kinderkurferienheimparadies überhaupt wieder zurück wollte...

...so was konnte sich schließlich noch entwickeln ...

so was weiß man als Kind...

Früher war alles lustiger... :pfeif:
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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

Oh Mann, jeweils grauenhafte 6 Wochen.... jedesmal wegen Asthma....
1x mit 5 Jahren Ostsee, 1x mit ca. 8 J. Nordsee, 1x mit ca. 11 J. Berge...
:mumie2: Das Heimweh hat mich total krank gemacht .... und wenn von den Eltern ein Päckchen oder Post kam, war es umso schlimmer.....
Bei der ersten Kur kann ich mich daran erinnern, wie ich nur im Schlüpfer superlange auf dem Flur stehen mußte.... ich hatte die Tapete abgeknibbelt dort wo mein Bett stand, weil ich nie einschlafen konnte...
........Nee, war echt grauenhaft..... :evil:

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Ego-Uecke
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Beitrag von Ego-Uecke »

Ich habe Anfang der 1970-Jahre mehrere Jungens aus einem Kinderheim über mehrere Jahre in meiner Pfadfindergruppe erlebt. Der Kontakt zum Heim war gut, die Jungen haben nie etwas schlechtes aus ihrem "Heimleben" berichtet, auch nicht im dreiwöchigen Sommerlager. Die Zusammenarbeit zwischen Heim und Pfadfindergruppe gestaltete sich über Jahre hervorragend. Vor kurzer Zeit ging die damalige Heimleiterin in den Ruhestand.

Es kommt sicher auf ganz viele Umstände an, wie so ein Kinderheim zu beurteilen ist. Und ganz sicher auch auf die Zeit, in der diese Heime arbeiteten.

Zweimal war ich zur "Kinderlandverschickung" in Bad Rothenfelde und auf Norderney - für mich waren das schöne Ferienerlebnisse, an die ich gerne zurück denke.

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Ego-Uecke
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Beitrag von Ego-Uecke »

Benzin-Depot hat geschrieben: Leider war man damals noch dumm und hat noch nicht begriffen, was gut für eine kleine Kinderseele war...
Manche Ordensschwester hatte in "grauer Vorzeit" wohl auch nicht die Erfahrung im Umgang mit Kindern. Auf Grund eigener Erziehung? In äußerst strengen Elternhäusern? Durch asketisches Leben in einem Orden?

Ich glaube (ohne wirklich zu wissen!!!), dass heute manches Kind in einem guten Heim besser leben kann, als in einem Elternhaus, in dem Kinder ein Störfaktor sind.
Troy hat geschrieben: ich habe jugendliche kennen gelernt, die durch und in einer gruppe in ihrem heim zu sehr verantwortungsbewußten und -bereiten menschen heranwachsen.
sie haben oft einen berträchtlichen "wissens- u. erfahrungs"-vorsprung, was das miteinander angeht. ... usw. ...


Das deckt sich haargenau mit den Erfahrungen, die ich machen konnte.

Ich will aber in keinster Weise zweifeln, dass es schlimme Erfahrungen von Anderen gegeben hat. Es ist schade und sehr bedauerswert, dass auch solche Negativ-Erlebnisse verdaut werden mussten.

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Kein Vergleich...weder von Äpfeln noch von Bananen...
@Benzin-Depot:
Auch ich lege nicht jedes Wort zehnmal auf die Goldwaage. "Vergleich" ist sicherlich ein wenig ungklücklich ausgedrückt, das gebe ich zu. Unterscheidung o.ä. wäre besser gewesen.
Den "erhobenen" Zeigefinger kannste vergessen, obwohl es manchmal bei mir so wirken könnte.
Wenn, dann bedeutet erhöchstens, Vorsicht, lasst uns nicht abrutschen. Niemals aber, Leute ich weiß was und das auch noch besser.
Also, kein Grund zur Panik...

Männlein

schneeflocke
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Beitrag von schneeflocke »

Ich mußte kurz vor meiner Einschulung in ein Kurheim für fast 2 Monate, weil ich viel zu dünn war, um den Anforderungen der Schule gerecht zu werden (Schultasche zu schwer, ich zu leicht) :wink:

In diesem Heim habe ich viel zu essen bekommen und mußte zeitgleich fast nur liegen(warum wohl? damit keine Kalorie zuviel verbrannt werden konnte?)

Aufgrund meiner damaligen Erfahrungen habe ich mich vehement gegen die Ärzte durchgesetzt, die auch meine Tochter für zu dünn befunden hatten und sie deswegen auch nicht eingeschult worden ist zunächst. Man wollte sie auch therapieren.

Ich bin jedoch der lebende Beweis, dass die Kilos im Alter kommen, ob man will oder nicht. :twisted:

Heute ist es wohl weniger üblich, kleine Kinder im Vorschulalter so lange allein in ein Kurheim zu schicken....viele Mamas würden eine solange Trennung nicht gutheißen.


Heute ist es wohl eher anders herum, viele kleine Kinder müssen zum Abspecken in eine Klinik.........

Mein Aufenthalt war jedoch traumatisch, nicht der Trennung wegen sondern vielmehr deswegen, weil ich fast nur im Bett liegen mußte, wie in einem Krankenhaus......und das habe ich nicht verstanden, weil ich mich ja nicht krank fühlte.

Männlein
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Beitrag von Männlein »

Es gab zu meiner Zeit (Jahrgang 50) noch die Vorgänger der heutigen Sozialdienste, das war die "Fürsorge".
Ich kann mich an etliche Fürsorgeschwestern erinnern, die, mit Häubchen auf dem Kopf, ein strenges Regiment führten.
Sie begleiteten meist auch diese Kindertransporte als Aufsichtspersonen. Vor Ort tauchten dann ähnliche Gestalten auf, unter deren Obhut man dann die Kurferien verbringen durfte.
Fürsorgerinnen unterstanden damals noch dem Gesundheitsamt, also nicht dem Bereich Jugend/Familie. Gehäuft traten sie auf bei den ersten Massen (Schluck-)Impfungen auf, wo die Gelsenkirchener Bevölkerung flächendeckend versorgt wurde.

Männlein

schneeflocke
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Beitrag von schneeflocke »

Stimmt, ich bin auch von einer Dame in die Kur begleitet worden. Sie nahm mich am Bahnhof in Empfang und brachte mich später auch wieder nachhause.

Meine Mutter sprach auch von der Mütterberatungsstelle, die man mit den Kindern regelmäßig aufgesucht hatte, dort wurde dann auch geimpft und alle Vorsorgeuntersuchungen gemacht.

Meine Mutter fand das toll, weil dort nur "gesunde" Kinder waren. Heute meckert sie immer rum, wenn man mit gesunden Kindern zur Vorsorge zum Kinderarzt geht (wahlweise zum Impfen) und man im Wartezimmer auf Brechdurchfall und Co. trifft.

Meine Mutter nennt das einen Rückschritt. Sie nennt alles im Zusammenhang mit Kindern in der heutigen Zeit einen Rückschritt.

Sie befürwortet den "Umgang" der damaligen Zeit, incl. dieser Kurheime, der Stadtranderholung in den Ferien usw. Auch bedauert sie den Verlust der Gemeindeschwestern und der Schulschwestern insbesondere.

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Ego-Uecke
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Beitrag von Ego-Uecke »

schneeflocke hat geschrieben: Sie befürwortet den "Umgang" der damaligen Zeit, incl. dieser Kurheime, der Stadtranderholung in den Ferien usw. Auch bedauert sie den Verlust der Gemeindeschwestern und der Schulschwestern insbesondere.
Ich kann diesen Beitrag aus meiner Erfahrung nur unterstreichen. Ich war gerne zu diesen Erholungsreisen "Stadtranderholung" und "Kinderlandverschickung" unterwegs und habe nur gute Erinnerungen daran. Dabei ging es mir zu Hause nicht schlecht - ich war und bin ein Familienmensch, der gerne auf Reisen war und ist.

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