Kindergarten

Kindheit und Kinder in verschiedenen Epochen

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Anthro hat geschrieben: (ca. 1957/58)*

(...)

* Wie der Smilie dahin kommt ist mir jetzt aber schleierhaft.
das macht die Forensoftware automatisch :P

z.b. bei:

der Zahl acht, zusammengeschrieben mit einer Klammer, ergibt: 8 ) = 8)

Doppelpunkt, zusammengeschrieben mit Gedankenstrich + Klammer, ergibt: :- ) = :-)
Semikolon, zusammengeschrieben mit Gedankenstrich + Klammer, ergibt: ;- ) = ;-)
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Animken
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Beitrag von Animken »

Anthro hat geschrieben:Ich war, wie iwi, im ev. Kindergarten an der Hertastraße. Frau Köster gab es zu meiner Zeit (ca. 1957/58)* auch noch und viel später, in der 80ern bin ich ihr auch noch mal begegnet.
An mein Garderoben-Haken-Bildchen (eine Kaffeemühle) kann ich mich noch erinnern und an den Bonbon-Lkw aus Holz, mit dem man als Geburtstagskind im Stuhlkreis herumfuhr und Bonbons verteilte.
Ein gewaltiges Ereignis war zu Nikolaus ein Himmelspaket, das auf einmal vor dem Fenster des Gruppenraums auftauchte. Was da drin war weiß ich nicht mehr, aber vor meinem geistigen Auge sehe ich immer noch dieses überwältigende Paket. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob es Leute vom Kindergartendach heruntergelassen haben oder ob das Paket nicht doch vom Himmel kam.

* Wie der Smilie dahin kommt ist mir jetzt aber schleierhaft.
@Anthro: Bei meinem Garderobenbildchen bin ich mir heute sehr unsicher. Bin ja der Meinung nicht nur in der Marienkäfer-Gruppe, sondern auch einen Marienkäfer-Kleiderhaken gehabt zu haben?!

Wer kann einem solche -für andere vieleicht auch eher Marginal-Fragen- nach so langer Zeit noch zweifelsfrei beantworten?

An Geburtstagen hatten wir, wie ich fand, ein sehr schönes Ritual in unserer Kiga-Gruppe. Eine Papierserviette wurde innerhalb des Gebutstagsstuhlkreises angezündet. Diese stieg dann in die Höhe und löste sich langsam auf, indem sie verbrannte. Das fand ich immer seht faszinierend. Könnte mir vorstellen, dass solch eine Aktion heutzutage aufgrund von verschärften Brandschutzbestimmungen gar nicht mehr möglich wäre, zumindest innerhalb eines solchen Gebäudes. :roll:

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Anthro
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Beitrag von Anthro »

Animken hat geschrieben:@Anthro: Bei meinem Garderobenbildchen bin ich mir heute sehr unsicher. Bin ja der Meinung nicht nur in der Marienkäfer-Gruppe, sondern auch einen Marienkäfer-Kleiderhaken gehabt zu haben?!

Wer kann einem solche -für andere vieleicht auch eher Marginal-Fragen- nach so langer Zeit noch zweifelsfrei beantworten?

An Geburtstagen hatten wir, wie ich fand, ein sehr schönes Ritual in unserer Kiga-Gruppe. Eine Papierserviette wurde innerhalb des Gebutstagsstuhlkreises angezündet. Diese stieg dann in die Höhe und löste sich langsam auf, indem sie verbrannte. Das fand ich immer seht faszinierend. Könnte mir vorstellen, dass solch eine Aktion heutzutage aufgrund von verschärften Brandschutzbestimmungen gar nicht mehr möglich wäre, zumindest innerhalb eines solchen Gebäudes. :roll:
Mit dem Garderobenhaken bin ich ziemlich sicher, weil ich Jahre später nochmal in dem Kindergarten war, mein Neffe war dort (ohne Tante Erika) und ich durfte ihn abholen. Er war in dem gleichen Garderobenraum wie ich früher und ich fand meine Kaffeemühle wieder.

Dein Geburtstagsritual mit der brennenden Serviette ist heute mit Sicherheit nicht mehr möglich. Schade drum!
Spontanität will gut überlegt sein.


www.liegeradfreunde-ruhr-lippe.de

AlterMann
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Anstatt-Kindergarten

Beitrag von AlterMann »

  • Anstatt-Kindergarten

    Einen Kindergarten dieses Namens hat es nie gegeben, häuslichen Ärger wegen meiner Flucht aus dem Kindergarten im Stift auch nicht, der Platz der Baustoffhandlung Bernhard Bielefeld war wieder mein Spielplatz - "anstatt Kindergarten".
    Was ich jetzt schreibe, sollte eigentlich das Ende meiner Kindergartengeschichtesein, aber während ich in meinen Erinnerungen kramte, schien einiges nicht recht zu passen - nicht zum Kindergarten und nicht zueinander - ich wollte erst noch Ordnung schaffen!
    Die allerdings ist nicht zustande gekommen, es ist ein "Stückchen aus dem Leben" geworden, so durcheinander, wie das Leben manchmal ist, ohne roten Faden, ohne "Happy end", statt dessen mit offenen Fragen, und die Überschrift stimmt auch nicht ganz.

    Bielefelds Platz, damals kleiner als jetzt - das Wohnhaus der Familie Bielefeld existierte noch - war mit ausdrücklicher Erlaubnis von Herrn Bielefeld für meine Brüder, deren Freunde und mich als Spielplatz freigegeben, in der Mittagszeit und sonntags mit gebremster Lautstärke; die Erlaubnis galt für die Zeiten, zu denen die Tore geschlossen waren, also außerhalb der Geschäftszeiten. Diese Regelung hatte vermutlich damit zu tun, daß zwei aus dem Freundeskreis meiner Brüder auf dem Platz wohnten. Das Haus steht noch - man sieht es vom Eingang gegenüber dem Stift her.

    Für die Zeit, die ich mich außerhalb des Hauses aufhielt, hatte ich mich an folgende einfache Vorschrift zu halten:
    Zur jeder vollen Stunde dreimal an der Haustür klingeln, wenn mit der kleinen Glocke am Stift der "Angelus" um zwölf und um sechs Uhr abends geläutet wurde - ab nach Hause!
    Auf Bielefelds Platz also hielt ich mich oft stundenlang auf; es wurde vieles geboten, was mich interessierte. Allein war ich dort nie, denn es gab den Tankwart, der sehr viel Zeit hatte, auch für mich, und einen Lagerarbeiter, dessen Tätigkeit hauptsächlich darin bestand, auf den nächsten Kunden zu warten. Zu seinem Arbeitstag gehörte bei schönem Wetter das Aufstellen eines großen Bretts mit aufgemalter Zielscheibe. Er bekam oft Besuch von einem Freund; die beiden veranstalteten dann ein Wettschießen, aus Kostengründen mit bunt gefiederten Bolzen. Bei schlechtem Wetter fand der Wettbewerb im Keller unter dem Bürohaus statt. Ich hätte gern auch mal, aber man ließ mich nicht.

    Wer jetzt in der Ruhrstraße an Bielefelds Eisentor steht, sieht zur Linken zwei Läger hintereinander und am Ende des Grundstücks das eben erwähnte Haus. Die Anordnung der Läger ist noch wie früher, das Haus ist trotz neuer Fassade, neuer Fenster, Tore und Türen noch gut wiederzuerkennen.
    Daß wir in die Läger nicht hinein durften, ahnten wir, sie waren auch nicht ganz ungefährlich wegen der dort hochgestapelten Bauplatten und Zementsäcke, auf denen wir herumturnten.
    Vor allem in der Dunkelheit waren diese Läger für unsere Zwecke gut geeignet, und da "Verstecken-Spielen" sehr leise verläuft, waren wir uns sicher, daß unser Treiben unbemerkt bliebe. Erst später erfuhren wir, daß Herr Bielefeld über unsere Aktivitäten doch genauestens im Bilde war - er war ein netter Mensch!

    Am Ende des zweiten Lagers, noch hinter den dort abgestellten beiden Personenwagen, wurden hin und wieder "große schmutzigweiße Brocken" abgeladen: Kalk!
    Diese Brocken wurden in eine große Wanne geworfen, etwas zerkleinert, Wasser darauf gespritzt, dann wurde es für mich interessant: Es begann zu brodeln und zu dampfen, mit einem besonderen Spaten wurde alles verrührt - "Löschen" hieß das, lernte ich. Die Brocken verwandelten sich in eine weiche Masse, die in Eimern oder Kübeln abgegeben wurde, auch sie hieß "Kalk" und wurde für Maurerarbeiten gebraucht.
    Den Unterschied zwischen Kalk und Kalk und dem, was in Garten-Centern unter dem Namen "Kalk" in Tüten angeboten wird, werde ich vielleicht eines Tages noch ergründen.

    Beim Verkauf von Sand lernte ich unterschiedliche Mengenangaben kennen: "1 Eimer", "5 Schüppen", ferner, daß "Meter" (Kubikmeter) in "Eimer" und "Schüppen" umgerechnet werden können. Das konnte ich noch nicht, aber ich wurde neugierig.
    Wurde eine größere Menge Sand gekauft, kam jemand aus dem Bureau, maß die Ladefläche aus, zog einen Kreidestrich innen auf eine der Klappen und gab die Anweisung: "Bis hier hin!" - dann wurde geschüppt!
    Es wurden zwei Sorten Sand verkauft, Rheinsand und Lippsand. Daß der Rheinsand aus dem Rhein geholt wurde, dachte ich mir - den Rhein kannte ich. Warum der Lippsand "Lippsand" hieß, blieb lange eine offene Frage: Ich habe selten gefragt - ich wollte alles selbst herausfinden.
    Bei meinen Schulaufgaben habe ich es mir später gelegentlich bequem machen wollen. Dann hieß es (mit einem Fingerzeig): "Drüben steht der Bücherschrank!"

    Die Haupteinfahrt zur Firma Bielefeld lag an der Ecke Franz-Seldte-Straße / Roonstraße. Rechts lagerte der Sand, links kam man gleich hinter dem Tor an das kleine Tankwärter-Häuschen, genannt "Bude", dann zwei Zapfsäulen und zwei Arbeitsgruben für den Ölwechsel.
    Das Benzin mußte "von Hand" in die beiden Glas-Behälter gepumpt werden, nach dem Befüllen des Tanks war es üblich, daß der Tankwart von der Säule aus mehrmals zum Auto ging und dabei den Schlauch über die Schulter rutschen ließ, damit so auch der letzte wertvolle Tropfen aus dem Schlauch in den Tank floß.
    "Klopft nie! Vergast leichter! Ergibt mehr Kilometer" war auf großen blauen Tafeln zu lesen, die am Eisengitter in der Franz-Seldte-Straße hingen. Später konnte ich das auch lesen.


    Die Attraktion überhaupt auf dem Bielefeldschen Platz befand sich hinter dem großen Tor des anfangs erwähnten Wohnhauses: Ein Raum, der als Garage und Warenlager der Sauerkraut-Großhandlung Alexander diente. Die Familie Alexander wohnte in der Roonstraße Nr. 37, wie ein Eintrag in einem alten Adreßbuch besagt. Spuren, die auf die schwarze Steinplatte mit Gold-Schrift hinweisen, die dort befestigt war, habe ich nicht finden können.

    Vornan im Lager stand ein Lieferdreirad, das täglich für die Auslieferung kleiner Mengen benutzt wurde. Dieses Dreirad lohnt sich zu beschreiben, denn Fahrzeuge dieser Bauweise scheint es nicht mehr zu geben.
    Vorn befand sich recht niedrig eine rechteckige Ladefläche, links und rechts davon die lenkbaren Vorderräder, am Ende der Ladefläche eine senkrecht stehende Windschutzscheibe mit einem Scheibenwischer, der von Hand betätigt werden mußte. Seitlich war ein Signalhorn angebracht, das etwas an ein Kinderspielzeug erinnerte; betätigt wurde es, indem man einen Gummiball zusammendrückte. Für Kinder war es ein großer Spaß, im Vorbeigehen eben mal zu hupen, aber auch Erwachsene beteiligten sich.
    Hinter der Windschutzscheibe befand sich das Lenkrad, alles übrige hinter der Windschutzscheibe glich einem Motorroller, aber nicht "schwungvoll" abgerundet, wie es heute üblich ist - alles war recht eckig.
    Zum Start mußte man den Motor "antreten", wie es damals bei Motorrädern üblich war, oben auf dem Blechgehäuse waren hintereinander zwei Motorradsättel angebracht, auf dem vorderen saß der Fahrer, auf dem hinteren nach meiner Flucht aus dem Kindergarten ich.
    Ich habe lange im Netz nach einem Bild eines solchen Dreirads suchen müssen; drei Links stehen unten.
    Die Ähnlichkeiten mit "meinem" Dreirad sind groß, vielleicht ist eins das gesuchte Modell.(?) Ein Verdeck für Fahrer und Sozius ist mir nicht in Erinnerung.
    Das Sauerkraut kam von der Firma Dickmann in Neuss. Ausgeliefert wurde es in rosafarbenen Blechdosen in zwei verschiedenen Größen.

    "Paul", eigentlich Herr Paul Milosch aus Rotthausen, hatte die Aufgabe, die Ware an den Kundenkreis, Lebensmittelgeschäfte und Gaststätten auszuliefern. Meist fuhr er "die kleine Runde" mit dem Dreirad, wenigstens einmal in der Woche auch die große mit dem Chevrolet. An besonderen Zielen sind mir in Erinnerung ein Lebensmittelgeschäft in der Hauptstraße, gegenüber der Einmündung der Neustraße/Gildenstraße, in dem ich mir meist eine Spitztüte Erdnüsse "für unterwegs" holte, eine Gaststätte am Schillerplatz in der Feldmark - dort dauerte das "Ausliefern" (mit Frühstück) immer recht lange - und die Fischfabrik Normann, die sich damals in einer der Straßen zwischen Vereinsstraße/Weberstraße und der Ringstraße befand, es wird die Kampstraße/Beskenstraße gewesen sein. Die Einfahrt in diese Fabrik war sehr schmal, so daß ich auf dem Fabrikgelände auf meiner Seite nicht aussteigen konnte.
    Die Besonderheit an der "großen Tour" war: Beim jedem Besuch der Firma Normann bekam ich von einer der Arbeiterinnen, im weißen Kittel und Häubchen, einen Rollmops oder einen Brathering auf einem Pappteller serviert. Ob das die Arbeiterinnen von sich aus taten, oder ob "Paul" dafür sorgte, habe ich nie erfahren.

    Durch die Fahrten hatte ich schon als Fünfjähriger einen guten Überblick über die Stadt; wenn es um Straßen und Häuser ging, konnte ich gut mitsprechen. Das war später nützlich, wenn wir auf Fahrten durch die Stadt unbekannte Straßen kennenlernen wollten, denn anfangs fuhren wir ausschließlich an den Straßenbahngleisen entlang.
    Übrigens habe ich "durch den Umgang mit Sauerkraut" rechnen gelernt: Vor Beginn der Auslieferungsfahrten wurden die "in Reih und Glied" auf der Ladefläche stehenden Dosen gezählt. Paul machte das irgendwie anders als ich, er war schneller. Zuhause erklärte man mir, was "Malnehmen" ist. Ich habe mich allein daran gegeben das zu erlernen, als i-Männchen fühlte ich mich im kleinen "Einmaleins" wie zuhause. Das führte zu Langeweile in den Rechenstunden, das führte auch in den anderen Fächern zu dem Gefühl, daß man Schule "so nebenher machen kann", führte zu schlechten Noten, Ärger zuhause, und schließlich dazu, daß ich ungern in die Schule ging.

                                           ------------------------------------------

    Hier sollte die Geschichte eigentlich zuende gehen, aber dann kamen mir die oben erwähnten Erinnerungen, ausgelöst durch Lesen in den Gelsenkirchener Geschichten und in alten Adreßbüchern.
    Weil alles schon sehr lange her ist, weil ich damals noch sehr jung war, bestehen meine Erinnerungen an Gelsenkirchen aus großen Lücken und Unsicherheiten. Was geblieben ist, versuche ich zusammenzusetzen - mal gelingt es, mal nicht, es braucht manchmal sehr viel Zeit.

    Zu diesen Erinnerungen gehören Einzelheiten aus Gesprächen beim Mittagstisch; die Zusammenhänge habe ich teils vergessen oder vielleicht schon damals nicht ganz durchschaut.
    Zum Beispiel war erwähnt worden, daß ein Herr X jetzt an der Tankstelle am Machensplatz zu sehen sei, daß es für "Alexanders Sohn" vermutlich besser gewesen wäre, wenn er zur Ober-Realschule in Bulmke gegangen wäre, statt zum Real-Gymnasium.
    In Bezug auf eine Familie, die in der Kaiserstraße wohnte, die irgendwie mit der Familie Alexander verbandelt war, sind mir nur zwei Wörter in Erinnerung: " . . . die auch . .".
    Der Verdacht, daß diese Erinnerungen möglicherweise irgendwie zusammengehören könnten, kam mir beim Lesen einer Auflistung von Geschäftsschließungen durch die Nazis - ich fand den Namen Alexander.
    Hierdurch wußte ich jetzt, daß es eine jüdische Familie mit dem Namen Alexander in Gelsenkirchen gegeben hat, daß "meine" Alexanders möglicherweise auch jüdisch waren, daß sie vielleicht mit dieser Familie verwandt waren. Ich begann mich dafür zu interessieren, ich bekam das Gefühl, daß Zusammenhänge bestehen könnten; ob es tatsächlich so war, habe ich nicht herausgefunden.
    Ein zweitesmal begegnete mir der Name Alexander im Forum in dieser Ankündigung:
    Verlegeort für die Stolpersteine: Ringstr., Ecke Kirchstr. Der Vater und eine Schwester mit zwei Kindern wurden in Auschwitz ermordet. Die Mutter wurde in Riga in einem Lastwagen vergast.
    Hierzu sollte man wissen, daß wir bis etwa 1931 in der Ringstraße 69 gewohnt hatten, also in direkter Nachbarschaft. Daß mein ältester Bruder mit einem Jungen mit dem Familiennamen Alexander befreundet war, weiß ich. Eine Erinnerung an sein Aussehen habe ich nicht, wohl erinnere ich mich, daß oft von ihm gesprochen wurde. Es könnte sich gut um den Sohn aus der Familie Alexander handeln, für die an der Ecke zur Kirchstraße der Stolperstein verlegt werden soll - es wäre dann eine Freundschaft unter Nachbarskindern gewesen, ich kann es aber nur vermuten.

    Meine Eltern haben mir einen langen Schulweg zugemutet nämlich nach Bulmke zur Ober-Realschule, obwohl das Real-Gymnasium wesentlich näher lag - der Weg dorthin wäre in drei Minuten zu schaffen gewesen.
    Es hieß, daß sich im Kollegium der Ober-Realschule die Nazis noch nicht breit gemacht hätten, der Schulleiter war zwar Parteigenosse, hatte aber den Ruf, "zuverlässig" zu sein. Mein älterer Bruder hatte in der Schule keine Schwierigkeiten, auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zum ND.
    Das Real-Gymnasium hatte in dieser Hinsicht keinen so guten Ruf, nach Ansicht meiner Eltern war es für mich nicht 'so ganz' die richtige Schule.
    Man sprach übrigens immer von "Ober-Realschule" und "Real-Gymnasium", obwohl beide Schulen längst einen anderen Namen erhalten hatten.
    Daß Alexanders Sohn "besser auf die Ober-Realschule gegangen wäre" wird wohl heißen, daß er in der Schule Schwierigkeiten bekommen hatte oder hätte, oder daß er sie hat verlassen müssen.
    Auch das ist nur eine Vermutung!

    Noch einmal in die Ringstraße!
    Dort, wo der Grünweg anfing, stand früher ein nicht sehr breiter Bau, unten ein Lager mit einem hohen Tor, darüber eine Wohnung, zu der eine schmale Treppe an der rechten Außenmauer entlang führte.
    Wenn ich es richtig behalten habe, befand sich in diesem Bau das Lager der Sauerkrauthandlung Alexander, bevor es in die Roonstraße kam. Später, noch vor 1943, wurde es in die Wilhelminenstraße oder eine ihrer Seitenstraßen verlegt - mein Bruder hatte es zufällig dort entdeckt. Von Gelsenzentrum erfuhr ich, daß ein Pastor in Ückendorf dies bestätigt hat.
    Über Jahrzehnte habe ich mir vorgestellt, daß der Sohn des Sauerkrauthändlers der Freund meines Bruders war. Inzwischen habe ich daran Zweifel, weil jener in seinen Erinnerungen schreibt, seine Familie sei "ziemlich arm" gewesen. Mir scheint, das paßt nicht ganz zu "meinem" Sauerkrauthändler. Aber auch da habe ich keine Gewißheit!
    Weil ich mit meinen Nachforschungen nicht vorwärts kam, schliefen meine Überlegungen allmählich ein, wurden aber wieder geweckt durch einen Zufallsfund im Forum, einen Text von Bernd Haase.
    Dieser schreibt unter anderem, daß sein Vater eine Zeit lang eine Tankstelle an der von-der Recke-Straße betrieben habe. Hierdurch bekam Herr X – ich hatte ihn oben so genannt – seinen richtigen Namen: Haase.
    Dem Bericht waren einige Bilder beigefügt, unter anderem diese Gruppenaufnahme, auf der mehrfach der Name Alexander auftaucht, Bernd Haase und Alexander stehen nebeneinander, sie haben sich also gekannt.
    Bild
    Ob dieser Alexander der Alexander aus der Roonstraße ist, ob er der Freund meines Bruders ist, weiß ich nicht, er könnte es sein. Da seine Familie in der Kaiserstraße wohnte, könnte er der sein, von dem es hieß: "die auch", zwei Wörter aus dem, was mein Bruder über das berichtete, was er in der Kaiserstraße gesehen hatte am Tag nach der Kristallnacht. Meine Eltern hatten ihn dort hingeschickt, "um mal nachzusehen".
                                           ------------------------------------------

    Die Irrfahrt vom Kindergarten über Sand und Sauerkraut zu einer verschwundenen Familie ist zuende.
    Als "Forscher" war ich nicht sehr erfolgreich, statt Fakten nur Vermutungen - so etwas schreibt man eigentlich nicht auf.
    Vielleicht kommt dem einen oder anderen bei der Lektüre aber die Einsicht: "Wer Erinnerungslücken vermeiden will, sollte früh anfangen, sich Notizen zu machen!" Dann hätte sich's doch gelohnt!

    Man hört so oft den Satz: "Wir wollen nur nach vorne schauen!" - junge Menschen, Wahlverlierer. Das ist verständlich: Was liegt hinter ihnen, wenn sie das sagen?
    Später dann kommen diese ehemals jungen Nach-vorne-Schauer mit der großspurigen Frage: "Wer bin ich, woher komme ich!"
    Dann ist kaum noch jemand da, den man fragen kann.
    am

    Drei Links zu Dreirädern, die eine große Ähnlichkeit mit "meinem" haben.

    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/d ... reirad.jpg

    http://bbf.tuig.nl/phpbb3/viewtopic.php?f=15&t=416

    Und noch einer!

    Kleine Bildchen aus der Zeit nach Kriegsende gibt's hier:
    http://www.bielefeld-fliesen.de/Historie.htm

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

@AlterMann: Ich habe Deinen Beitrag (wieder einmal) sehr genossen. :up:

Dankeschön für diese wunderbar brilliante Schilderung Deiner Kindheitserinnerungen. So ein "Anstatt-Kindergarten" war eine feine Sache, den hatten wir als Kinder in den 60er Jahren hierauch. :wink:


Edit: zur Tankstelle habe ich hier noch einige Anmerkungen geschrieben.
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 168#349168
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

AlterMann
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Beitrag von AlterMann »

Benzin-Depot hat geschrieben: Edit: zur Tankstelle habe ich hier noch einige Anmerkungen geschrieben.
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 168#349168
Hallo Benzin-Depot!
Danke für die Blumen!
Den vor Jahren gefaßten Vorsatz, im Tankstellen-Fred nachzusehen, ob Bielefelds Aral-Tankstelle genannt ist, schiebe ich immer noch vor mir her - geplant ist es.
An Deinem unteren Link mußt Du noch mal arbeiten - er funktioniert nicht! :wink:
Schüß!
am

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

AlterMann hat geschrieben:Hallo Benzin-Depot!
Danke für die Blumen!
Den vor Jahren gefaßten Vorsatz, im Tankstellen-Fred nachzusehen, ob Bielefelds Aral-Tankstelle genannt ist, schiebe ich immer noch vor mir her - geplant ist es.
Ich war mir sicher, jeden Beitrag dort gelesen zu haben und habe gerade noch einmal die Suchfunktion bemüht. Weder der Name Bielefeld taucht dort in diesem Zusammenhang auf, noch deren Aral Tankstelle. Ich freue mich über Deine Erinnerungen. :wink:
AlterMann hat geschrieben:An Deinem unteren Link mußt Du noch mal arbeiten - er war wohl zu lang! :wink:
Schüß!
am
upps, total vergessen, ich hatte den Beitrag noch mal überarbeitet und komplett ausgewechelt :blush2:

So ist er richtig:

http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 183#349183
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Troy
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Beitrag von Troy »

@ AlterMann,
danke für diese Kindergartengeschichte.
In einem Alter, in dem manche 5-Jäjrigen heute noch nicht mal unfallfrei geradeaus laufen können und andere schon Chinesisch lernen müssen,
hast du also unbekümmert geschäftliche Beziehungen zur örtlichen Baustoff- und auch zur Sauerkrautwirtschaft gepflegt.:wink:
Dass du weder da noch dort endgültig gelandet bist, wissen wir seit der Kindheit im Deutschen Haus, aus der du uns ja auch schon erzählt hast.
Gruß von Troy

Und nochwas:
Danke für die Erinnerung daran, immer wieder nach "früher" zu fragen.
Du hilfst dabei mit, das ist gut.

Christine
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KIndergarten St. Georg

Beitrag von Christine »

Hallo,

hier ein Bild aus meiner Kindergartenzeit im St. Georg Kindergarten, ungefähr 1956.

Lieben Gruß Walburga

Bild

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petra
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Re: @Gabelsbergerstr.

Beitrag von petra »

Stargate hat geschrieben:
Charly1965 hat geschrieben:Bild

Habe endlich das Bild gefunden von Tante Dorothee, mit meinem Bruder und mir. Nuß so 1969 - 1970 entstanden sein
War schon eine schöne Zeit in deM Kindergarten, erinnere mich gerne daran
Habe mal den link repariert :wink:
War das nicht Tante Bärbel ? Dorothee war doch mit Brille :-)

V8
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Beitrag von V8 »

Stefan hat geschrieben:Hallo,

von 1973 - 1976 besuchte ich den evangelischen Kindergarten in der Resser Markt (Im Emscherbruch 65).
Die Erinnerungen daran sind nur sehr wage.
Äh, wahr der nicht Katholisch und der evangelische in der Warendorferstr.

Gruß Andy

ups, der Beitrag war ja von 2009

Ernst Dettmer
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Beitrag von Ernst Dettmer »

Bild

Im Kindergarten in der Dresdener Straße; ich würde schätzen, im Winter 1950/51

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petra
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Re: @Gabelsbergerstr.

Beitrag von petra »

Charly1965 hat geschrieben:Bild

Habe endlich das Bild gefunden von Tante Dorothee, mit meinem Bruder und mir. Nuß so 1969 - 1970 entstanden sein
War schon eine schöne Zeit in deM Kindergarten, erinnere mich gerne daran
petra hat geschrieben:War das nicht Tante Bärbel ? Dorothee war doch mit Brille :-)
Bild

ich bin vorne links :-)

tuempelhuhn
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Beitrag von tuempelhuhn »

hallo Ernst Dettmer,
du hast eine pn
Die kürzesten Worte, nämlich JA und NEIN erfordern das meiste Nachdenken.(Pythagoras)

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Pedder vonne Emscher
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Schließung von Kitas

Beitrag von Pedder vonne Emscher »

Die Nachricht ist vielleicht durch die WM in Brasilien untergegangen. Der Kirchenkreis Gelsenkirchen will 11 von 17 Kindergärten schließen.
WAZ hat geschrieben:Der Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid greift angesichts der Finanznot zu harten Sparmaßnahmen und will Kindergärten schließen. Für Gelsenkirchen würde das bedeuten: Von 17 Einrichtungen blieben sechs übrig. Welche Kitas überleben, ist noch offen und wird mit den Städten entschieden.
Artikel in der WAZ-Online vom 1.7.2014.
http://www.derwesten.de/staedte/gelsenk ... 44526.html

Die Leiterin des Kindergartens der Lukas-Gemeinde in Hassel ( ca. 75 Kinder in verschiedenen Gruppen) hat mir gesagt, dass die Evangelische Kirche einen Jahres-Anteil von 68.000 Euro inkl. Gehälter der Mitarbeiter trägt. Den Hauptanteil zahlen Stadt und Land.

Es kann sich jeder ausrechnen was der Kirche unsere Kinder noch wert ist.
Viele verlieren ihren Verstand deshalb nicht, weil sie keinen haben.
Arthur Schopenhauer

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