Kindheit und Jugend rund um Wilhelmine-Victoria

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Part XXXIV

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Part XXXIV
Ab 15.01. 1959 ist mein Einsatz im Lehrrevier beendet, die neue Aufgabe, an Schacht 1, als Knebeljunge ist kein begehrter Einsatz bei den Lehrlingen, aber bestimmte Vorteile gibt es doch. Immer frische Luft, wenig Staub und der Vorkorb am Ende der Schicht, machen einiges wett, lernen dagegen kann man bei diesem Job nicht viel. Die leeren Wagen, die von Übertage zurück in den Grubenbereich kommen, schiebt der volle Wagen vom Förderkorb, der leere rollt über ein Gleis bis zur Knebelgrube, in der ich sitze und den aufgelaufenen Wagen an den vorderen anhänge. Die schnittigen Akkulokomotiven bringen aus den verschiedenen Abteilungen und Revieren die an ihren Ladestellen gefüllten Wagen, an der Verteilung vorbei, in den Schachtumtrieb. Dort muss der Lokführer seinen vollen Kohlenzug anhalten und festlegen, über eine Weiche ins Nachbargleis fahren, die Weiche wieder umlegen und ein Stück zurück fahren um mit einer Kette den Kohlenzug an den letzten Wagen, des letzten Zuges anknebeln. Vorgezogen wird diese ganze Einheit, von einer hydraulischen betriebenen Einrichtung, bedient vom Knebeljungen, der die Wagen abknebelt und über ein Weichensystem die einzelnen beladenen Wagen dem Schacht zuführt. Der Anschläger bedient die Schubvorrichtung und drückt mit dem vollen Wagen den leeren vom Förderkorb, der landet dann bei mir. Der Lokführer hält kurz bei mir an, übergibt mir die Schlusslampe, sagt mir wie viel Wagen er mitnimmt, ich zähle die ab, hänge den Wagen ab und versehe ihn mit der Schlussleuchte. Auf mein Zeichen mit meiner Handlampe, ein paar mal senkrecht rauf und runter, zieht er an und fährt los.
Der Termin für die mündliche Knappenprüfung steht jetzt fest, es ist der 24.03.1959 und die praktisch Prüfung ist eine Woche früher im Lehrrevier. Anfang März kam die Verlegung von Schacht 1, nach Revier 3, westliche Abteilung Flöz B, Reviersteiger Schmitt, mit dem Einsatz, im Vortrieb der Kopfstrecke.
Für die mündliche Prüfung zum Bergknappen baute der Jochen M. Alfred K und ich ein Modell einer Verteilung, in verschiede Ausbauvarianten. Meine Aufgabe war es, die verschiedenen Ausbauten des Deutschen Türstockes nachzubauen. Angefangen mit, dem Türstock aus Holz, Stoß und Firstdruckaufnahme, Türstock in Stahl und gemischter Türstock, angeordnet mit Verzug und Abstandshalter zusammen mit den Ausbauvariationen der beiden Mitarbeiter, sieht das Modell, sehr gut aus.
Zur praktischen Knappenprüfung fanden wir uns im Lehrrevier ein, alle bekamen ihre Aufgaben, ich musste einen Stempel anspitzen und den nächsten anschärfen, ein paar Fragen beantworten, dass war alles, holte mir den Händedruck vom Reviersteiger und Bergrat Thiemann ab und zog los zur 7. Sohle und wartete auf die anderen. Das Ding war gelaufen, keiner viel durch und nach der Seilfahrt trafen wir uns alle bei der Emmi Stallberg, um unseren Erfolg zu begießen. Die Emmi saß in ihrer Ecke seitwärts von Tresen, neben ihr auf einem kleinen runden Tisch lag die dicke Keifkladde, an der Decke hing ein großes Wagenrad und darunter eingehängt eine brennende Benzinlampe, die bei Feierlichkeiten immer brannte.
Das Bier floss in Strömen, einige hatten die Socken schön voll, machten sich aber auf den Weg in die Stadt, um dort im Lokal Paprika weiter zu feiern. Ich hielt mich heute zurück und dachte an die nächste Woche, nach der mündlichen Prüfung, hatte Lehrer Pieper zu einem kleinen Abschiedsumtrunk geladen.
Spannungsgeladen standen wir vor der Berufsschule, einige sind zwischenzeitlich Raucher geworden und zogen nervös an ihren Glimmstängeln, bis die Glocke ertönt und den Beginn der Prüfung ankündigt. Auf dem Tisch lag ein Zettel mit der schriftlichen Aufgabe, die war kein Problem für mich, ich glaube auch die anderen Prüflinge hatten kein Problem damit. Nach einer Stunde dann, die Abgabe der schriftlichen Arbeit, eine kurze Pause und der mündliche Prüfungsteil begann. Bis auf einige Hänger lief alles glatt, die Prüfungskommission, begutachtet noch die angefertigten Modelle und ist erstaunt darüber, dass Lehrlinge, diese prächtigen Stücke erschafften. Nach einer kurzen Pause, es gab zwei Nachbefragungen, war der Käse gegessen, der Leiter des Bergamtes Tiemann, überreicht uns die Knappenbriefe und wünscht allen eine glückliche Zukunft und ein herzliches Glückauf.
Die Zukunft für die nächsten Stunden begann bei Bonnkamp, mit einem Glas Sekt auf die Bestandene Prüfung und Verabschiedung von Lehrer Pieper in den Ruhestand. Danach hat die Sau schwimmen gelernt und ein paar neue Knappen auch.

Knappenbrief
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Akkulok mit leeren Wagen
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Volle Wagen drücken die leeren aus den Förderkorb.
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Bilder aus Filmen des Deutschen Steinkohlen Bergbaus

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bostonman
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Beitrag von bostonman »

DThamm hat folgendes geschrieben
Das Ding war gelaufen, keiner viel durch und nach der Seilfahrt trafen wir uns alle bei der Emmi Stallberg, um unseren Erfolg zu begießen. Die Emmi saß in ihrer Ecke seitwärts von Tresen, neben ihr auf einem kleinen runden Tisch lag die dicke Keifkladde, an der Decke hing ein großes Wagenrad und darunter eingehängt eine brennende Benzinlampe, die bei Feierlichkeiten immer brannte.
vor dem Krieg.
Hinter der Brücke der Zechenbahn Wilhelmine-Victoria(aus Heßler kommend) ,lag die Gaststätte Stallberg .
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im Krieg wurde die Ecke von Bomben stark zerstört,so auch die Gaststätte.
hier der Trümmerhaufen hinter der Behelfsbrücke der Zechenbahn
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siehe
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 5378#75378

nach dem Krieg wurde alles neu gebaut,heute steht die ehemalige Gaststätte noch schräg gegenüber der"Kaue"(etwas zurückliegend in der Kurve),ist aber nicht mehr als solche zuerkennen.

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Gaststätte Stallberg

Beitrag von DThamm »

@bostonmann,
danke für die Ergänzung, genau so war das!

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bostonman
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Beitrag von bostonman »

Gerne und wenn es interressiert

In dem Buch "geh´n wa baden nach Grimberg"
von Jörg Reimann

ISBN 10: 3831316902
ISBN 13: 9783831316908
Erscheinungsjahr: 2006
Erschienen bei: Wartberg Verlag

ist ein Kapitel dem DREIMÄDELHAUS STALLBERG gewidmet

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DThamm
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Part XXXV

Beitrag von DThamm »

Part XXXV
Zwei Tage vor meinem Urlaub holte ich meine Freundin ab, die im Maibusch wohnte, sie wollte bei schönem Wetter ausspannen und einen Tag im Jahnbad verbringen. Das Wetter machte mit, schon früh, kurz nach dem öffnen des Bades, belegten wir einen Platz links vom Eingang in der hintersten Ecke, breiteten die Decke aus und legten uns in die schon wärmenden Sonnenstrahlen. Es dauerte nicht lange, dann kamen die nächsten Badefreudigen, schnell war die ganze Ecke belegt, die meisten kannten sich und wie immer ging die Frage um, wer den ersten Stiefel, dass sind drei Liter Bier, von Fischer holt. Horst W. nahm seinen Campingbeutel und schlich los, an der Kasse vorbei, nach Fischer. Nach ein paar Minuten war er zurück mit seinem Campingbeutel einem Stiefel und drei Liter gelber Flüssigkeit. Der Stiefel macht drei mal die Runde, bei der Anzahl von Mittrinkern, war er dann leer und der nächste der im Knobeln mit Streichhölzer verlor, muss den nächsten holen. Zum Mittagessen ging meine Freundin nach Hause, ihre Eltern bestanden darauf Sonntags das Essen gemeinsam einzunehmen. Sie kam aber nach einer Stunde wieder, legte sich auf ihren Platz, ich hatte den Eindruck dass ihre Stimmung ein wenig gedrückt ist. Später sagte sie mir, dass es ihr nicht passt mit meinem Urlaub und das sie gehen will. Wir zogen uns an, viel war es ja nicht bei dieser Wärme, verließen das Bad und schlenderten die Grotusstraße entlang bis zur Horster Brücke. Am Hafen Wilhelmine saßen ein paar Angler, denen wir eine Zeitlang zuschauten, aber einen gefangenen Fisch bekamen wir nicht zu sehen. Anschließend begaben wir uns auf die Liebesmeile, so wurde der Weg von der Horster Brücke, den Kanal entlang bis zu den Schleusen genannt. Auf halben Weg hielten wir an der Seltersbude an, die ein wenig zurückgelegen vom Weg, Bier, Limonade und Eis im Angebot hatte. Wir nahmen auf den Gartenmöbeln einen Platz ein, ich ging zum Schalter, holte Limo und Eis und meine Freundin kam wieder auf meinen bevorstehenden Urlaub zu sprechen. Ich erklärte ihr, dass ich mich schon, bevor wir uns kennen gelernt haben, dafür angemeldet hatte und wie günstig mir der Urlaub kam. Aus der entgegengesetzten Richtung, von den Schleusen, kam grinsend Jochen M. mit seiner Freundin, sie setzten sich zu uns und eine lustige Gesprächsrunde begann. Wir verabredeten uns später bei Batton zu treffen um den Abendfilm im Heli anzuschauen, und gingen los, der Jochen mit seiner Holden in Richtung Horster Brücke und wir bis zur Eisenbahnbrücke, den Weg an den Gleisen entlang über den Bahnübergang, beim Otto Schmitt vorbei, durch den Feldweg zur Grothusstraße. Nachdem ich meine Freundin im Maibusch abgeliefert habe, machte ich mich auf den Heimweg, zog mir ein gutes Nachtessen rein, schmiss mich in Schale und lief die paar Meter nach Batton um auf die anderen zu warten. Kurz vor acht Uhr sind alle da, aber so richtig Lust ins Kino zu gehen, hatte niemand, wir beschlossen, bei Batton einzukehren, die Türe stand auf, wir setzten uns an einen der hinteren Tische und bestellten vier Berliner Weiße mit einem Schuss Himbeersaft und verplauderten so unsere Zeit. Da ich Frühschicht hatte, wurde der Abend nicht lang, meine Freundin musste auch früh raus und war müde, wir verabschiedeten uns von den beiden anderen und liefen das Stück bis vor ihre Haustüre, machten einen Treffpunkt für Morgen aus, sie schloss die Türe auf, gab mir noch einen Kuss und verschwand hinter der ins Schloss fallenden Türe.
Meine Oma hatte meinen Koffer schon mit verschiedenen Sachen gepackt, den Rest, so nahm ich mir vor, suche ich Morgen nach der Arbeit zusammen, zog meinen Schlafanzug an und legte mich auf mein Bett. Ein leichter Sonnenbrand macht sich bemerkbar, der mich aber nicht daran hindert einzuschlafen. Die letzte Schicht verlief normal, nach Feierabend ging ich heute mal nicht links rum zur Emmi, ich lief rechts herum bis bei Szepan an die Bude, trank eine Flasche Bier, trottelte durch die Kanzlerstraße, dann den ganzen Fersenbruch runter bis zum Zechenweg. Der Grund des Umwegs, ich hatte Regalbretter in der Schreinerei bestellt, die heute abholte. Nach dem Essen packte ich meinen Koffer fertig, zog mich um und holte meine Freundin ab, die sagte mir, „ wir können ja mal in den Nienhauser Busch gehen, mein Vater holt uns da um neun Uhr ab, er hat in der Feldmark etwas zu tun.“ Wir liefen durch die Röhrenstraße und Gartenkamp, kürzten noch ein Stück durch die Schrebergärten ab und erreichten gemütlichen Schrittes den Nienhauser Busch. Am Teich mieteten wir ein Ruderboot für eine Stunde und ließen uns einfach treiben. Danach setzten wir uns auf die Terrasse des Waldhauses, aßen jeder einen Becher mit Eis und warteten, dass der Vater meiner Freundin kommt, er hatte einen Borgward und uns nach Hause bringt. Vorher verabschiedeten wir uns für die nächsten drei Wochen von einander und freuten uns schon auf die Zeit danach.

Die ehemalige Liebesmeile heute.
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Spuren im Schnee, existiert die Liebesmeile heute noch?
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DThamm
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Liebesmeile

Beitrag von DThamm »

Hier, einige Meter nach rechts stand das Haus mit der Seltersbude, ausgestattet mit Gartenmöbel. Ein beliebter Platz, frische Getränke, Eis und andere Leckereien zu sich zu nehmen, viele Besucher aus Horst und Hessler fanden sich hier ein.
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Auf der Vorderseite, zum Kanal hin, war der Kiosk, dass Haus wurde im Zuge des Aufbaues, der Papierfabrik, abgerissen.
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DThamm
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Part XXXVI

Beitrag von DThamm »

Part XXXVI
Angekommen in Berchtesgaden, war die Knappenprüfung und die Maloche in Revier 3 vergessen, schöne Tagesfahrten, nach Salzburg, zum Wolfgangssee und in die Bergwelt der Österreicher Hohen Tauern, verschönten unseren Urlaub. Besuche bei den Holzbildhauern und Maler am Königssee, weckten mein Interesse und in Gedanken stellte ich mir vor, so etwas auch einmal zu probieren, legte meine Gedanken aber schnell wieder auf Eis. Die vielen Farben und Pinsel, eine Menge Stechbeitel und sonstige Utensilien, dazu kam noch das Holz und würde so etwas auch gelingen, vielleicht, irgendwann in der Zukunft man kann ja nicht wissen was da kommt, versuche ich es einmal.
Das Ende der Urlaubszeit ist gekommen, Klamotten packen, noch mal eine Stunde den Ausblick genießen, bis die Sonne verschwindet und die letzten Stunden, mit ein wenig Wehmut im Herzen, am Lagerfeuer sitzend, vergehen lassen.
Zurück in Gelsenkirchen, blieb mir noch ein Urlaubstag, den ich mit meiner Freundin zusammen gestaltete. Die kleine Madonna, die ich ihr aus der Schnitzerwerkstatt, mitgebracht habe, fand einen Platz auf ihren Nachttisch.
Der Pütt hat mich wieder und die erste Schicht hat es ganz schön in sich, die Kumpel vor uns haben den Abschlag hingelegt, den wir zum großen Teil in den Damm pannten. Die Temperatur in der Kopfstrecke lag bei 27 Grad, die Brühe lief mir den ganzen Körper runter und die Kaffeepulle war schon nach der Hälfte der Schicht leer. Die krasse Umstellung vom Urlaub, zurück in der rauen Wirklichkeit, viel mir sehr schwer. Es vergingen ein paar Tage bis das der alte Rhythmus wieder hergestellt ist und die Maloche wieder in Fleisch und Blut überging.
Bei meiner Oma hat der Hausarzt Zucker festgestellt und sie muss für zwei Wochen ins evangelische Krankenhaus am Stadtgarten. Eine große Umstellung für mich, der Opa kochte zwar, aber nach ein paar Tagen stand mir seine Kochkunst bis zur Oberlippe, ich fragte Frau D. eine unserer Nachbarn ob sie für mich mit kochen kann. Sie sah da keine Probleme, ich war froh wieder vernünftiges Essen zu haben und entlohnte sie natürlich für ihre Freundlichkeit. Zum Glück kam meine Oma nach zwei Wochen wieder, sie musste ab jetzt jeden Tag Insulin spritzen. Am Anfang kam immer die Gemeindeschwester bis die Oma den Bogen heraus hatte und es selber machen konnte.
Im September kündigt die Zeche Feierschichten an, was das sein sollte wusste ich nicht so genau, aber der große Kohlenberg am Hafen war für mich Erklärung genug. Es kam noch schlimmer, man munkelte, die Zeche wird still gelegt, dass konnte ich nicht glauben, so blöd ist doch keiner, baut eine neue Übertageanlage nimmt die in Betrieb und schließt dann den Pütt. Fragen an den Betriebsrat und Gewerkschaft hören sich zufriedenstellend an, keiner rechnet mit einer Stilllegung, wenn der Absatz wieder steigt, hören die Feierschichten auf und
Zumachen, da sind wir auch noch da, das zu verhindern, so der Gewerkschaftler.
Das Fernsehen berichtet über eine Kohlenkrise, einige Zechen werden für immer zu machen.
Die Kumpel ab einer bestimmten Altersgrenze können ohne Abzug in die Rente gehen und vieles mehr. Im Dezember dann das unglaubliche, Wilhelmine Victoria ist bei den Zechen, die geschlossen werden. Das kommt an wie ein Schlag in die Fresse, vor ein paar Jahren holen sie die Kinder regelrecht von der Schulbank weg, bauen Jugenddörfer und locken mit tollen Angeboten halb Norddeutschland in den Pütt, um jetzt zu sagen, habt ihr gut gemacht,
aber nun könnt ihr euch verpissen. Frustriert und voller Zorn, gehe ich jeden Tag zur Schicht und muss mir das Gesülze vom Reviersteiger anhören, der willige sucht, die sich auf andere Pütts Verlegen lassen. Ich bin nicht dabei, für mich steht fest früh genug auf Konsolidation oder Nordstern nachzufragen, auf Busreisen vor und nach der Schicht, kann ich gerne verzichten.
Mein Opa kann sofort zum letzten Dezember 1959 ohne Abzüge in Rente gehen, er ist froh dabei, denn die Oma braucht immer öfter seine Hilfe. Eine Zusage von Nordstern habe ich zwischenzeitlich erhalten, der Kuchen ist gegessen, Wilhelmine Victoria gehört ab Juni 1960 der Vergangenheit an.

Das Bild von der Betriebsleitung für treue Dienste ausgegeben, hing in einigen Wohnstuben.


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Später ein Sammlerstück aus vergangenen Zeiten.
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DThamm
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Part XXXVII

Beitrag von DThamm »

Part XXXVII
Die letzte Schicht auf Wilhelmine Victoria am 31 05 1960 ist zu Ende, bei der Emmi Stallberg ist die Bude brechend voll und die meisten Bergleute ertränken ihren Kummer im Alkohol. Viele Kumpel, so hört man, bleiben der Hibernia AG treu und wechseln nach Bergmannsglück und Westerholt. Das bedeutet auf jeden Fall, früher aufstehen und später nach Hause kommen. Und was ist mit den Zwischenschichten, Fragen über Fragen, Mobilität ist da gefragt, und einige, die ihren Wohnort nicht aufgeben wollen, es sind ja auch Kumpel mit Eigenheimen dabei, reden schon vom Erwerb eines Autos. Andere kehren dem Pütt für immer den Rücken und fanden in Südbaden, Alu Rheinfelden, einen neuen Arbeitsplatz mit Erstattung der Umzugskosten. Die häufigsten Worte die jetzt fallen sind, Scheiße und Mist und warum unser Pütt, es gibt sicher andere Zechen die schlechter da stehen.
Die Beerdigung von Wilhelmine Victoria dauert an, immer mehr Kumpel kommen, zum Teil auch mit ihren Frauen und der Platz in Emmis Lokal wird immer knapper. Die Zeit, ein Haken unter diese Angelegenheit zu machen, scheint dazusein, ich bezahle meine Zeche, verabschiede mich von der Emmi und trat den Heimweg an, mit einem letzten Blick auf das Bild der Übertageanlage, von Wilhelmine-Victoria ¼ .
An der Hessler Krone, im Fersenbuch traf ich auf zwei Kumpel, die sich auf die Werbeaktion von Wilhelmine eingelassen hatten und aus Norddeutschland hierher nach Gelsenkirchen kamen. Ich schloss mich den beiden an und wir stellten im Lokal vom August und Gerti M. fest, dass sich noch mehr Leidesgenossen hier ein Stelldichein gab. Die eindeutige Meinung, zurück nach Hause herrschte hier vor, für alle war klar, weg von hier, geh ja nicht auf einen anderen Pütt, denn der schließt auch bald. Dazu konnte man nichts sagen, es trieb sie zurück in die Heimat, einige die hier eine Familie gründet hatten, waren anderer Meinung, aber der Drang, weg vom Pütt, klang überall durch. Für die Übertagebelegschaft schlug der Hammer mit voller Wucht zu, die meisten fanden sich auf dem Arbeitsamt wieder und hofften schnell einen neuen Arbeitplatz zu finden.
Jetzt war die Zeit gekommen zu gehen, der Alkoholgenuss zeigte Wirkung und der Gedanke an die erste Schicht auf Nordstern zwang mich den Heimweg anzutreten. Der Tag war gegessen, mein Opa sichtlich zufrieden mit seinem Rentendasein, saß vor der Glotze und qualmte genüsslich einen Burger Stumpen. Müde, abgespannt und angetrunken, schlafe ich auf dem Sofa eine Runde und öffne meine Augen genau zum Beginn der Nachrichten. Schon wieder Meldungen vom Bergbau, jeden Tag der gleiche Mist, Marschallplan, soziale Absicherung und sonstige Sülze die einem ums Maul geschmiert wird. Der Spruch vom Opa, „ Junge, mir ist egal was du machst, aber mache was,“ sagte mir, du musst deinen Hintern bewegen, die Arbeit läuft dir nicht hinter her. Zu nichts mehr Lust, schlich ich nach oben, stellte meinen Wecker nahm eine horizontale Stellung ein und schlief mit ein paar Gedanken an den morgigen Tag frühzeitig ein.
Die Oma steht in der Küche hat Brote für die Arbeit geschmiert und gutriechenden Kaffee auf den Tisch gestellt, meine Tasche hat sie auch schon gepackt und wünscht mir für die erste Schicht auf Nordstern alles Gute. Der Weg zur Maloche war jetzt ein anderer, ich lief durch den Zechenweg bis zum Fersenbruch und wartete auf den 83 Bus der nach Horst fährt. Nach ein paar Minuten Wartezeit kam der Bus ich stieg ein uns die erste Fahrt nach Nordstern begann, vorbei am Hafen Wilhelmine, da lag immer noch ein riesiger Berg Kohle, der auf Absatz wartete. Über die Horster Brücke durch die Wallstraße, dann hinter der Zechenbahn nach links und schon war die Anfahrt beendet. An der Bude kaufte ich noch ein Päckchen Schnupftabak und an der Markenkontrolle, so war es ausgemacht, war der Treffpunkt an dem wir warten sollten, dort standen schon ein paar bekannte Gesichter. Die Anlegung auf Nordstern begann, wie auf jedem Pütt mit dem Laufzettel, den die gesamte Gruppe gemeinsam und mit einer Führung erledigte. Ein Fußmarsch hin und zurück zu den anderen Nordsternschächten und eine kurze Begrüßung der Betriebsleitung hat viel Zeit aufgefressen, dass nur eine kurze Vorstellung bei dem zuständigen Reviersteiger übrig blieb. Der erste Eindruck den ich von Nordstern hatte, war sehr gut, wenn es so weiter geht ist die Welt für mich wieder in Ordnung.

Treffpunkt Eingang Nordstern zur Aufnahme der ersten Schicht.

Edit Verwaltung:
Das hier dargestellte Foto wurde auf Grund des Urheberschutzes am 02.12.2011 von der Verwaltung entfernt.


Als der Pott noch kochte.

Edit Verwaltung:
Auch dieses hier dargestellte Foto wurde auf Grund des Urheberschutzes am 23.12.2012 von der Verwaltung entfernt.


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Nordstern: Eine Zeichnung von H. Bungert
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Mein neuer Arbeitsplatz, die Zeche Nordstern.

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DThamm
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Part XXXVIII

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Part XXXVIII
Die erste Seilfahrt auf Nordstern war nicht anders als auf Wilhelmine Victoria auch. Unten am Schacht nahm uns ein älterer Hauer in Empfang, er hatte auf einer Tafel die Namen von vier ehemaligen Wilhelminer geschrieben und wartete darauf, dass die Neuen eintrafen. Mit dem Personenzug fuhren wir los, der irgendwo stoppte, wir stiegen aus und fuhren einen Blindschacht hoch auf die obere Sohle. Noch ein paar Minuten Fußweg und der Hauer sagte, „ wir sind da, ich bin der Hannes und wie heißt ihr,“ zieht seine Prisepulle aus der Tasche und reicht sie in die Runde. Nacheinander erfuhr der Hannes unsere Namen und wir setzten uns auf die Gezähkiste, denn es fehlt noch an leeren Wagen. Uns war schlagartig klar, was hier gespielt wird, wir sind in einer Senkkolonne gelandet. Ein Trupp Kumpel kam vorbei die ein Stück hinter uns, in der schon abgesenkten Strecke Polygonausbau einbringt. Dann kam der Zug mit unseren Wagen und Ausbauholz für die andere Truppe, als alles an seinen Platz war fuhr die Lok weg und unsere Arbeit begann. Der Hannes sagt: „ Unsere Leistung für eine Schicht ist es ein Schienenreck absenken und wieder einbauen.“ Na ja, so schlimm konnte das nicht werden vom Stoß her fingen wir an, der Hannes kontrolliert gelegentlich die Tiefe und drosselt uns mit den Worten, „ macht nicht so schnell, sonst sind wir zu früh fertig, der Steiger kommt immer spät, dann müssen wir noch Arbeit haben, sonst brummt er uns noch mehr auf." Wir hielten uns an die Vorgaben vom Hannes, es konnte uns ja nur recht sein, dass die Maloche nicht so schwer ist. Dann kam der Steiger, stellte sich vor, gab jeden die Hand und wünschte allen einen guten Beginn auf Nordstern und ging weiter zur nächsten Truppe.

Mein Geburtstag feiere ich im Jahnbad mit einer Menge Bekannter, es war so üblich das im Sommer im Jahnbad die Post abgeht, in unsere angestammten Ecke war schon der Teufel los, ein Stiefel nach dem anderen wird über den Zaun gehoben, der Schwimmmeister schlich vorbei und zeigte mit ein paar beschwichtigenden Armbewegungen an, ruhiger zu sein. Abends lief die sause weiter, bei Mierbach in der Hessler Krone stand der Tresen voll, mit leicht angesoffenen Geburtstagsgästen. Ausfallend wurde keiner, die Wirtin ließ uns in Ruhe und sorgte dafür, dass ihr Umsatz stieg. Ich hatte mit ihr eine Summe ausgemacht, die, wenn verbraten ist, jeder selbst bezahlen muss. Soweit kam es nicht, die meisten, hatten den Kragen früher voll als ich gedacht hatte und verzogen sich nach und nach, wohin, kann wohl niemand sagen.
Der Vater meiner Freundin hat in Düsseldorf einen besseren Arbeitsplatz gefunden und der Umzug in der letzten Juniwoche, war auch schon der Anfang vom Ende unserer Beziehung.
Ende aus vorbei, andere Mütter haben auch schöne Töchter und das sogar in Hessler. An Urlaub war in diesem Jahr nicht zu denken, die schöne Urlaubszeit in Berchtesgaden, im Haus Fritzenlehen, gehörte der Vergangenheit an. Überall deutlich erkennbare Veränderungen, im Jugenddorf wohnen nur noch ein paar zurückgebliebene die den Abschwung verpasst haben und Jungbergleute von Nordstern. Der Kühler und die Turnhalle außer Betrieb, geschlossen für immer, Berufsschule, Sportplatz sind Geschichte, die einstigen tollen Vorzeigestätten haben ausgedient und stehen dem Verfall zur Verfügung. Aus und Umzüge an jeder Ecke,
Möbelwagen, sind Fahrzeuge, die man ständig sieht, viele bekannte Gesichter verschwinden für immer, das vertraute Umfeld beginnt zu bröckeln, ich verstehe die Welt nicht mehr. Unseren Steiger habe ich gefragt, „ wann komme ich ins Gedinge,“ als Antwort bekam ich, „ wenn die Strecke fertig gesenkt ist.“ Meine Antwort bekam er nach Feierabend schriftlich in Form einer Kündigung. Ich hatte keinen Bock darauf meine Zeit im Schichtlohn zu vertun, ich wollte Geld verdienen, den Führerschein erwerben, um später ein Auto zu kaufen.
Die Gerüchteküche in Hessler hatte ein neues Nahrungsangebot auf ihrer Speisekarte stehen,
Die Schachtanlage Fritz Heinrich in Altenessen, soll Wilhelmine Victoria übernehmen!!!
Klick, der Schalter im Kopf ist umgelegt, gekündigt hatte ich auf Nordstern, also ab nach Fritz Heinrich und Nachfragen. Sofort angenommen, Anlegung erfolgt am 18. 07.1960 und das Gute an der ganzen Angelegenheit, vom ersten Tag an im Gedinge. Den Resturlaub von Nordstern nutzte ich und meldete mich in einer Altenessener Fahrschule für den Führerschein an.

Die Gerüchteküche Hessler hatte es gewusst,
Mit der einsetzenden Kohlenkrise führte die Hibernia AG eine umfassende Bewertung der wirtschaftlichen Restlebensdauern ihrer Bergwerksbetriebe durch. Da für die Zeche Wilhelmine Victoria keine ausreichende Lebensdauer mehr bescheinigt werden konnte, und ferner ein Übernahmeangebot von der benachbarten Zeche Fritz-Heinrich der Hoesch AG vorlag, wurde die Zeche im Juni 1960 geschlossen.

Die Schächte wurden als Außenanlage der Zeche Fritz-Heinrich zugewiesen.
Aus wikipedia

Fritz Heinrich in Altenessen
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Markenkontrolle Fritz Heinrich
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DThamm
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Paert IXXXX

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Part IXXXX
Bepackt wie ein Esel, mit einem Pickhammer, 20 m Schlauch, Schlauchringe, Öler und Reiniger, die ich im Magazin von Fritz Heinrich bekam, machte ich mich auf den Weg zum Schacht. Zu dem ganzen Gepäck kam noch die Lampe, der CO Filter und die Kaffepulle, der Anschläger ließ mich wissen, dass ich mit dem ganzen Krempel erst mit den letzten Korb der Seilfahrt anfahren kann. Ich legte den Ballast ab, stellte mich an die Seite, nahm eine Prise, da kommt ein Steiger und fragt mich: „Bist du der Thamm, ich warte unten auf dich,“ verschwand auf dem Förderkorb und zischte ab nach unten. Mit dem letzten Korb, der Anschläger klopft das Zeichen, Seilfahrt zu Ende, rauschte auch ich mit der Seilfahrtsgeschwindigkeit von acht Meter in der Sekunde in die Tiefe. Steiger Proft half mir beim Tragen der Lasten und bereitete mich schon mit ein paar Sätzen darauf vor was mich erwartet. Der Streb wird auf Holz gebaut, eine Schüttelrutsche ist noch im Einsatz und der Streb hat Blasversatz. Flöz B lag in Schachtnähe, unser Weg war nicht weit, als wir den Blindschacht erreichen und ruckend und zuckend in diesen hoch bis Revier sechs fuhren.
In einem, so verreckten Stapel, bin ich noch nicht gefahren, dass da überhaupt noch ein Korb durchkam war wie ein Wunder. Wir näherten uns über die Kopfstrecke, vorbei an der Blasmaschine, dem Strebeingang, der Rutschmann nahm mich in Empfang und zeigte mir etwa 30 Meter von der Kopfstrecke entfernt, mein Stück, dass ich auskohlen musste, erzählte mir dabei, jeder Meter mehr wird als Prozente auf dein Gedinge angerechnet. Noch eine Prise, den Schlauch anschließen, einen Reiniger und ein Öler in den Pickhammer und schon geht es los. Die Kohle lief gut, war weich wie Butter und nach kurzer Zeit, prüfte ich mit der Hacke das Hangende, klang gut und ich ließ weiter meine Muskeln vom Pickhammer durchschütteln.
Verbauholz lag genug im Damm, ich besorgte mir ein paar Abschnittschwarten und brachte einen Verzug in das ausgekohlte Stück ein, setzte die erste Kappe auf einen Mittelstempel und sägte mir die zwei Endstempel zurecht. Mit einem Vorschlaghammer schlug ich die beiden Stempel unter die Kappe und der erste Bau war eingebracht. Sofort danach, schnappe ich den Abbauhammer und baue weiter Kohle ab, bis der nächste Bau Platz hat, der gleiche Vorgang wiederholt sich acht mal, jetzt war mein Gedinge geschafft, ich schaue auf meine Taschenuhr, stelle fest, dass mir bis Feierabend, noch zwei Stunden zur Verfügung stehen. Schon geht es weiter, knalle noch zwei Baue rein, leiste noch ein paar Vorarbeiten für Morgen, packe mein Gezähe in die Kiste und stelle diese in eine kleine Ausbuchtung, die ich geschaffen habe, direkt an den Kohlenstoß. Zufrieden ziehe ich meine Jacke an und mache mich auf den Weg zum Blindschacht. Die erste Schicht ist gut gelaufen, so kann es weitergehen und der Traum von einem Auto, rückte ein Stück näher.
Ein paar Wochen sind vergangen, zum theoretischen Unterricht in der Fahrschule, kam die erste Fahrstunde, der Fahrlehrer fragt mich, wo wohnst du und bot mir an nach jeder Fahrt mich in Hessler abzusetzen. Ich nahm das höfliche Angebot natürlich an, bedankte mich und lief die restlichen Meter von der Hesslerstraße in den Grawenhof, dass Loch im Bauch mit einem Mittagessen zu stopfen.
Heute, ich schob mir grade meine Kniffte rein, da kommt mein Reviersteiger, im Gefolge ein Mann, in weis, den ich nicht kannte, er stellt sich als Herr Toop, Ausbildungsbeauftragter, der Hoesch AG vor und fragt mich ob ich Lust habe an einer Ausbildung zum Bergbauingenieur teilzunehmen. Ein wenig verblüfft und abwartend schlug ich ein und verabredete mich zu einem Informationsgespräch auf Schacht Carl zu erscheinen. Die beiden Verabschieden sich mit einem, „ Glückauf“ und gingen in gebückter Haltung den Streb, am Versatz entlang in Richtung Kopfstrecke. Mein Ziel war es, sollte Fritz Heinrich Wilhelmine übernehmen, zurück auf meinen Pütt zu kommen, auf dem ich gelernt habe. Aber daran war zu diesem Zeitpunkt, schon gar nicht der richtige Platz zu denken, aber träumen, na ja, ich schnappte meinen Pickhammer und kloppte weiter meine Kohle raus. Mein Ziel, den Erwerb eines Führerscheines, kam ich näher, die theoretische Prüfung soll in 14 Tagen sein und ein Tag später dann der praktische Teil. In meiner Lohntüte spiegelte sich die Arbeit am Kohlenstoß wieder, gegenübergestellt die Arbeit als Knappe in einer Senkkolonne auf Nordstern und das Gefühl, viele Scheine für mehr Arbeit in meiner Hand zu haben, lagen einige Kilometer auseinander.

Kohlenhauer mit einem Abbauhammer vor Ort.

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Provisorischer Ausbau, ein Kopfholz setzen.
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Streb in Holzausbau mit Schüttelrutsche und Bergeversatz. So beginnt der Kohlenhauer seine Schicht
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So geht es weiter.
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Der erste Ausbau ist eingebracht.
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Schacht Carl: Informationstreffpunkt mit Herrn Toop.
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Bilder aus Filme des Deutschen Steinkohle Bergbau

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Part XXXX

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Part XXXX
Den Führerschein in der Tasche, die Aufbaustufe 1 auf Schacht Carl hat begonnen, verkündet die Buschtrommel deutliche Töne, dass eine Vorhut auf Wilhelmine Victoria 2/3, die Zwischensohle nach Fritz Heinrich ansetzt. Auf die Bitte, vorgebracht im Betriesbüro, um Verlegung nach Wilhelmine, bekam ich die Antwort, „du bist doch hier auf Fritz Heinrich angelegt.“ Da half nur eine Kündigung zum 15.04. 1961 weiter und eine neue Anlegung auf Victoria Matthias, mit dem Hintergedanken nur kurz zu bleiben, und dann nach Wilhelmine wechseln. So kam es auch, als ich hörte, dass die ersten Einstellungen auf WV vorgenommen wurden, meldete ich mich im Betriebsbüro von Fritz Heinrich und bekam die Zusage anfangen zu können. Ab 16.08.1961 verfuhr ich, endlich wieder auf meinen geliebten Pütt, die erste Schicht.
Mein Einsatzpunkt ist die Richtstrecke von Wilhelmine Victoria 2/3 nach Fritz Heinrich in Altenessen. Ein Traum, der Weg zur Arbeit beträgt fünf Minuten, die ehemalige Turnhalle ist zu einer Waschkaue umfunktioniert und die Kumpel sind altbekannte Malocher von früher.
Gearbeitet wird auf vier Drittel, dass heißt, in vier Schichten, rund um die Uhr. Der Unterricht auf Schacht Carl stört da wenig, es ist jeweils Dienstag und Donnerstag und das nur in zwei Doppelstunden. Bei Mittagschicht findet der Unterricht morgens statt, was mir egal ist, der Tag ist so oder so kaputt.
Die Kneipen in Hessler, die anfänglich nach der Stilllegung von Wilhelmine einen Knacks erlitten, standen wieder voll im Futter, lediglich die Emmi Stallberg und die Elli Kaczmarek hatten zu knabbern, über die Runde zu kommen. Bei Fischer, Batton und in den anderen bekannten Kneipen, Jelich Bonnkamp und Howar brummt der Bär weiter. Gegenüber vom Freibad Jahnplatz macht eine neue Kneipe, im Volksmund Dreimädelhaus genannt auf, mit anfänglich krachenden Besucherzahlen. Freitags und Samstagsabend, ist die Theke voll, oftmals in zwei Reihen besetzt an einen Sitzplatz ist da schon gar nicht zu denken.
Meine samstägliche Runde fängt bei Brümmer an, geht weiter nach Jelich und dann nach Batton, ich habe mir angewöhnt Samstags Abend bei Batton zu essen und meinen Weg erst danach, nach Mierbach (Hessler Krone), fortzusetzen. Heute kommt der Ille Karnhof und der Jupp Broden, bekannt als Spieler in Schalke, unterhalten sich kurz mit uns und der Wirtin und verkrümeln sich zum Zocken in das Hinterzimmer um sich mit ein paar abgewichsten Kopfschlächtern vom städtischen Schlachthof zu messen. Wenn man den Ille unten im Lokal nicht hört, läuft es für ihn gut, wehe, er verliert, dann kann man ihn bis auf die Toiletten hören. Nachts, 1 Uhr, die Wirtin ruft Feierabend, aber niemand denkt ans gehen, erscheint einer der Ortspolizisten, meistens Herr Rootmann mit seinem Motorrad, nur der Anblick lässt die nächtlichen Kneipenbesucher ihre Gläser Leertrinken und schleunigst, dass Weite suchen.
Der Polizist, Motorrad Rootmann ist allgemein als scharfer Hund bekannt und ich kenne keinen der sich mit ihm anlegen möchte. Das Zockerzimmer in das der Rottmann auch schaut, ist wie ein Wunder, blitzschnell leer, denn die Spieler haben sich in einen Privatraum der Wirtsleute zurückgezogen. Blöd ist er sicher nicht und merkt an den glühenden Glimmstengel in Aschenbecher mit Sicherheit, dass sich hier ein paar Gesellen in die Privaträume zurückgezogen haben, aber da ist seine Kompetenz am Ende. Er selbst ist kein Kostverächter und macht vor ein paar Pinchen Asbach sicher nicht halt, ob auch im Dienst, ich kann es nicht sagen.
Sonntags ist für mich ein Ruhetag, die Glotze hat da Vorrang, mittlerweile gab es ein Programmangebot, bis spät in die Nacht und des öfteren kommt es vor, dass ich auf dem Sofa, beim Fernsehen einschlafe.
Meine Oma ist der Meinung mit dem Kauf eines Autos noch zu warten und erntet den Zorn des Opas dafür, er möchte, dass ich mir so schnell wie möglich ein Fahrzeug anschaffe und denkt dabei an Einkäufe die hauptsächlich er tätigt, denn die Sehkraft bei der Oma lässt bedingt durch ihre Zuckerkrankheit nach. Eine Entscheidung von großer Tragweite steht an, denn, den Wagen den ich möchte kann ich bar nicht bezahlen.

Wieder zurück auf Wilhelmine Victoria.
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awe
Die ehemalige Hessler Krone, ( August und Gerti Mierbach )
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Die neue Gaststätte am Jahnplatz.
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DThamm
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Part XXXXI

Beitrag von DThamm »

Part XXXXI
Autokauf auf Pump ist nicht, so gerne ich ein Fahrzeug gehabt hätte, aber in Schulden stürzen für nichts, dass lag mir nicht, da half nur sparen und warten, bis ich den Betrag zusammen habe.
Die Vortriebsarbeiten in der Richtstrecke wollen nicht so richtig in Schwung kommen, dass Durchfahren des Horster Grabens, erweist sich als schwierig. Die Bedingungen verschlechtern sich von Tag zu Tag, dass Gebirge ist locker und die Bohrstangen hängen ständig fest, dazu kommt noch der extra Verbau der Ortsbrust, so können wir unsere Meter nicht schaffen Bohrarbeiten und die Besatzzeit klauten uns täglich einige Stunden, eine richtige Runde, pro Tag fünf Meter Strecke kamen da nicht zusammen. Ausbau und Verzug, das wegladen des Abschlages war kein Problem, wir hatten zwei Salzgitterlader, wilde Säue, im Einsatz, der Werner Alex hatte die Seite am rechten Stoß und ich fuhr links. Der Werner Novak, unser Ortsältester, regelte mit den anderen den Abzug der vollen Wagen, und die Zufuhr der leeren Wagen.
Auf dem Weg von der Schicht nach hause komme ich täglich am Kühler, dass ehemalige WV Schwimmbad vorbei und muss Zuschauen wie es immer mehr mit den Bergen die wir in der Zwischensohle gewinnen, zugekippt wird. Ein sehr schönes Stück Kindheitsgeschichte verschwindet für immer. Wenn ich daran denke, wie wir als Blagen auf der Kippe saßen und zuschauten als die Arbeiter damit begannen das Gelände herzurichten, die Einrichtungen auf der Spielwiese entstanden und das erste Wasser ins Becken floss, wird es mir ganz anders.
Der Sportplatz verrottet und auf der ehemaligen Aschenbahn wächst das Gras und der Löwenzahn, die Fläche, wo einst der alte Grawenhof stand verwuchert und überall macht sich Verfall breit. Die Zechenbahn wächst ebenfalls zu, und auf dem alten Teil der Halde, bildet sich langsam Bewuchs.
Egal, ich bin zurück auf Wilhelmine und wer weis wie sich alles verändert, wenn der Untertagebetrieb wieder aufgenommen wird.
Der Gasthof Brümmer hat einen neuen Pächter und heißt jetzt Steinbrich, hier treffe ich mich heute mit meiner Freundin, die noch ein paar Gäste eingeladen hat um ihren Geburtstag nachzufeiern. Sie arbeitet im Hygiene Institut als MTA und die Gruppe von Gästen scheint auch daher zu sein, ich kenne niemanden von denen und muss feststellen, dass die Gesellschaft nicht auf meiner Wellenlänge tanzt. Mit gebührender Zurückhaltung, höre ich mir den Käse den sie verzapfen an und verziehe mich gelegentlich an die Theke zu meinen Kumpeln zurück. Die fragen mich natürlich was das für Leute sind und woher ich die kenne. Zum Glück faselt meine Freundin nicht so ein geistigen Dünnschiss, wie ihre Bekannten oder Arbeitskollegen, Fachgespräche oder normales aus dem Leben, kommt bei denen nicht über die Lippen, ich gebe ihr ein Zeichen an der Theke zu bleiben und habe den Kindergarten schon vergessen.
Vor Weihnachten bekam ich Urlaub, anteilmäßig versteht sich und nutze diese Zeit für Einkäufe und Besorgungen die ich schon lange vor mich her schob. Meine Oma möchte vor Weihnachten noch die Stube renoviert haben, der Opa besorgt den ganzen Krempel, und gemeinsam, ich streiche die Decke, er schneidet die Tapeten, hauen wir voll in die Tasten und sind zur Freude meiner Oma am Nachmittag mit den Arbeiten fertig.
Mein Opa hackt immer noch darauf herum ein Auto zu kaufen, leider muss ich ihm diesen Zahn, immer wieder ziehen, ich mache ihm klar, dass es seine Worte sind, keine Schulden zu machen. Nahrung bekommt er auch von meiner Freundin, die sich da auf seine Seite stellt und mit fadenscheinigen Argumenten versucht, mich zu einem Kauf zu überreden. Mit klaren Worten gebe ich beiden zu verstehen, dass sie sich auf den Kopf stellen können, erst das Geld und dann die Ware, ich bleibe dabei.
Silvester feiern wir bei Mierbach in der Hessler Krone, als geschlossene Gesellschaft, bis morgens um vier, dann kommt die Müdigkeit und wir ziehen ab nach hause.
Anfang Januar fehlen mir noch genau 1000 DM, mein Opa streckt mir die Kohle vor und ich erfülle mir meinen von langer Hand vorbereiteten Wunsch, und kaufe mir ein Auto, einen neuen VW Käfer.

Salzgitterlader, auch wilde Sau, benötigt für das wegladen eines Abschlags nach dem Schuss.

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Arbeitsprinzip eines Überkopfladers.
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Teekesselchen
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Beitrag von Teekesselchen »

Also ich muss mal eben schnell an DThamm loswerden, wie faszinierend ich die Wiedergabe dieser Erinnerungen hier finde !

Alleine, sich an all die Erlebnisse so zu erinnern und anschaulich und spannend zu erzählen, ganz toll. Vielen Dank dafür, natürlich auch an die Mitstreiter im Fred.

Am liebsten würde ich es gesprochen auf einer CD hören. :2thumbs:

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Buerelter
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Beitrag von Buerelter »

Teekesselchen hat geschrieben:Also ich muss mal eben schnell an DThamm loswerden, wie faszinierend ich die Wiedergabe dieser Erinnerungen hier finde !

Alleine, sich an all die Erlebnisse so zu erinnern und anschaulich und spannend zu erzählen, ganz toll. Vielen Dank dafür, natürlich auch an die Mitstreiter im Fred.

Am liebsten würde ich es gesprochen auf einer CD hören. :2thumbs:
Stimmt genau!

Ich freue mich auch auf jede Fortsetzung!

DThamm
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Beitrag von DThamm »

@Teekesselchen,
kannst du, mein Sohn vertont die ganze Geschichte und die ist sehr lang, im Herbst kann,wer will, eine DVD haben.

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