panamacity3 hat geschrieben:superstu391 hat geschrieben:Wie, die Fleischerei Lux schließt?! Das darf doch wohl nicht wahr sein. Wenn alles gut geht, darf ich noch 12 Jahre in GE arbeiten. Und das ohne die LUX-Frikadellen, die ich nun fast 30 Jahre liebe!
Wie soll ich das denn durchhalten?! Ernsthafte Frage: Machen die den Deckel drauf oder wechseln sie den Standort?
Noch ernsthafter: Zum Zustand und der Veränderung des Bereiches um die Wilhelminenstraße in den letzten Jahrzehnten, könnte ich hier auch ein paar Sätze mehr schreiben, aber dann komme ich unweigerlich in Richtung Niedergang, sowie einigen anderen Formulierungen. Das möchte ich aber nicht und ist eigentlich auch nicht nötig, denn wer sehenden Auges durch diese Region der Stadt geht, kann erahnen wohin in vielen Straßen die Reise geht. Sicher war es früher dort auch kein Paradies, aber da gab es am Kontoauszug-Automaten auch keinen Suchaufruf mit Belohnung der Polizei, bezüglich einer Messerstecherei zwei Straßen weiter und auch der Thai-Massage Salon im Erdgeschoss eines Wohnhauses nahezu nebenan war noch in Bangkog und nicht gegenüber einer freien christlichen Kirchengemeinde.
Und das ist hier nur kurz angerissen, wenn ich den Ausführungen einiger meiner langjährigen Arbeitskollegen die dort leben lausche. Der Großteil davon will denen folgen, die schon gegangen sind.
Niedergang, Ghettoisierung, das ist einfach so und das nicht nur in Schalke, sondern fast überall in GE und im gesamten Ruhrgebiet.
Wie Sie schreiben, so ist es auch bei meinen Freunden, Familie und Bekannten.
Viele sind schon weg und bis auf die 82jährige Schwiegermutter haben mich schon viele gebeten, hier am Niederrhein für sie die Augen und Ohren bezügl. Wohnungen/Häusern offen zu halten.
Eine Entwicklung, die traurig ist und die die Verantwortlichen dafür ausblenden
(weiter will ich mich zur Politik nicht äußern.)
Die hier beschriebenen Wahrnehmungen zum Niedergang einer Region sind für Kenner der Szene zwar nachvollziehbar, bei näherer Betrachtungsweise ist die Begrifflichkeit Niedergang allerdings etwas zu " kurz gesprungen ".
Es bleibt deshalb müssig, für den Zeit- u. Wertewandel Verantwortliche zu suchen.
Der erkennbare kulturelle " Kahlschlag " ist sicherlich unbestritten, aber dass u. a. ein Thai-Massageclub ein Beleg für Untergangsprognosen sein soll, bleibt hier in Frage gestellt.
Auch Mitte der 60-ziger Jahre hatte man Wilhelminen, Ecke Grenzstr. schon den Suzi-Wong- Nachtclub im Freizeitangebot.
Nach beginnender Kneipensperrstunde, der damals zahlreich vorhandenen Bierkneipen,
nahm dort so mancher Nachtschwärmer noch bis 04,00 h ein " Betthupferl " mit auf den
Heimweg.
Auch in dieser Zeit musste man Fahrräder schon abschliessen und so manchen Autoreifen ging durch Fremdeinwirkung die Luft aus.
Der spürbare Zeitwandel macht uns Fans der 60-70-ziger Jahre immer nachdenklicher, da wir auf der Suche nach den wohligen Relikten der alten Zeit erfolglos im Trüben fischen.
Wir sind die heutigen Gestrigen doch die Heutigen sind es morgen schon.
Die Gegebenheiten der gewesenen Zeit, Arbeitswelt, Freizeitverhalten, Finanzsituation, haben sich nach dem Hier und Jetzt ausgerichtet und die Bedürfnisse sind völlig neu justiert.
Der hochtechnisierte Zeitgeist der Gegenwart tötet unaufhaltsam eine gewesene Kommunikation auf Augenhöhe.
Menschliche Nähe Fehlanzeige, alles wird vom Drehstuhl aus am eigenen PC geregelt.
Pizza und Mc Doof Hamburger werden auf Klick in die Dunkelkammer gereicht und
Lieferando de begleitet als Neueinsteiger die schleichende Verblödung, bevor in wenigen Jahren die Currywurst/Pommes mit einer Drohne auf´s Fensterbrett abgesetzt wird und
persönliche Gespräche ausschließlich noch beim Friseur statt finden.
Erwähnen möchte ich aber noch, dass der Strukturwandel durch Wegfall von Bergbau
und Schwerindustrie auch Klein- und Mittelständler in seinen Sog gezogen hat.
Genau dazu gehörte nämlich auch die viel besungene kleine Kneipe in unserer Straße,
sie war das zweite Wohnzimmer des Malochers und Anlaufstelle bei Frust und Freude, eben Hort des Wohlfühl- u. Heimatgefühls und des aufgehoben seins.
Wer kannte sie nicht, Bierkneipen rund um Wilhelminen, Heide und Herzogstr., Grillo und Grenzstr. ? Im heutigen Kiosk gegenüber Bäcker Gartenbröcker, bewirteten jahrzehnte lang Adelheid und Rainer Reuther ( Letzterer gest. bereits Mitte der 80-ziger) ihre vielen Gäste, bei täglicher Öffnung ganztägig, plus halbe Nacht.
Daneben Ecke Heidestr. die alten Schwestern Nettebeck, im Nebenraum mit Dreibänderbillardtisch , ohne Aufpreis das Schlafwagenambiente und Schlegel Pils im Anstich. Oder ums Eck Heidestübchen, oder Bürgerstübchen, oder, oder, oder.
Mit Schröder starb vor ca. 2 Jahren der letzte Kneipenfels in der Brandung mit fast
70 Jahren durchgehender Kneipenkultur, eine, wenn nicht die älteste Kneipe in GE.
Als Kind gab es da schon vor 60 Jahren das erste Malzbier, wenn Opa Sonntags beim Frühschoppen die Karten drosch.
All diese Orte sind Ikone des gelebten Lebens und jeder Ort erzählt seine eigene Geschichte, die hier zu erzählen jeden Rahmen sprengen würde. ( Vielleicht später mal )
Deshalb schluss mit lustig, aber nochmals zum Eingang,
verantwortlich, wer ist verantwortlich für Zeitwandel und Niedergang ????
Ich meine, die Zeit selber ist verantwortlich, schön war sie und wir durften dabei sein.
In diesem Sinne
Mit nun der endgültigen Schliessung der Kultmetzgerei LUX stirbt nach 125 Jahren der letzte Saurier unserer goldenen Jahre.
Glück / Auf
sagt Prikelpitt, der dabei sein durfte !