Trotzdem: Kaiserstraße

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

[center]In der letzten Zeit befasste ich mich etwas intensiver mit der Kaiserstraße
weil diese schon bis zum 2. WK eine "Prachtstraße" war. Dort lebten
viele bekannte und bedeutende Persönlichkeiten.
Dr. Heidemann hielt bereits 2017 mit den Bildern aus der Sammlung
von Kalle Weichelt einen Vortrag über die Kaiserstraße und deren Bewohner.

Bei meinen "Forschungen" fiel mir im Adressbuch von 1951 eine Merkwürdigkeit auf.
Unter der Hausnummer 49 waren in dem Jahr insgesamt 121 Personen gemeldet.
Ich stellte mir die Frage warum so viele Personen da lebten, zumal es zu der Zeit
ja noch keine Hochhäuser gab. Dazu kam das es in den Plänen und Adressbüchern
vor 1951 gar keine Hausnr. 49 gab. Ein Blick auf die alten
Luftbildaufnahmen brachte dann zunächst Klarheit. Die Nr. 49 lag in Höhe des
alten Schalker Gymnasiums
an der Schalker Straße, genau gesagt es musste sich um den Schulhof
gehandelt haben, der in Richtung Kaiserstraße lag.
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Ich vermutete nun das in der Schule nach dem Krieg ausgebombte
Gelsenkirchener und / oder Flüchtlinge einquartiert wurden.
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Das Kriegszerstörtes Gymnasium von der Schalker Straße aus gesehen

Dr. Heidemann und Karlheinz Weichelt, die ich beide befragte, fanden
das ich da auf ein spannendes Detail gestoßen bin.
Dr. Heidemann vermutete das dort auf dem Gelände entweder Baracken für gerade
zugezogene Arbeiter gebaut wurden oder eine Art Büro eingerichtet wurde, wo sich
Männer anmelden konnten, die noch keine feste Bleibe hatten.[/center]
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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

[center]Kalle Weichelt setzte sich auf meine Anfrage hin mit dem ISG in Verbindung
und bekam dort Einblick in die Bauakte.

Der Architekt Ludwig Schwickert stellte am 16. 8. 1948 folgenden Bauantrag:
  • Das Bauarbeiterlager auf dem Schulhofs des Gymnasiums
    in Gelsenkirchen, Kaiserstraße dient zur Unterbringung der im Rahmen
    des Bergarbeiterwohnungsprogramms eingesetzten Bauarbeiter.
    Die Baracken stammen aus dem ehem. Internierungslager in Recklinghausen
    und werden in gleicher Weise wieder aufgebaut, sodass ein grosser Materialbedarf
    nicht in Betracht kommt.
    Besonders ersparend sind die bereits vorhandenen sanitären Anlagen
    in dem Gymnasium, die nach geringfügigen Instandsetzungarbeiten von
    den Lagerbewohnern benutzt werden können.
    Im Hinblick auf die Dringlichkeit des Bauvorhabens bitte ich um
    Prüfung und Genehmigung des Bauantrages.
Baubeschreibung für das Bauarbeiterlager in Gelsenkirchen,
auf dem Schulhofe des Gymnasiums Kaiserstrasse:

  • Vorgesehen sind Holzbaracken und eine Nissenhütte, die auf
    Pfahlrosten stehen.
    Die längs verbretterten Umfassungswände
    sind mit Hartholzplatten verkleidet und ruhen auf Schwellen,
    die 3o cm über Gelände liegen.
    An die Untergurte der Binder sind ebenfalls Hartfaserplatten aufgehängt.
    Als Isolierung wird eine Lage Glaswolle auf die Platten aufgebracht.
    Rauchrohre werden unter Berücksichtigung der Feuerschutzmassnahmen
    massiv hergestellt.
    Die Ausführung der Nissenhütte ist analog der Holzbaracken.
    Sämtliche Räume haben elektrisches Licht.
    Gelsenkirchen, den 16. 8. 1948
Die Baugenehmigung wurde dem Antragsteller, Herrn Karl Wessel, Am Rundhöfchen 12, am 26.1.1949 erteilt.[/center]
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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

[center]Fotos von dem Bauarbeiterlager und der Nissenhütte fanden sich
dann schließlich in dem Nachlass von Kurt Müller beim Institut für Stadtgeschichte.
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Anhand dieser Fotos war meine ursprüngliche Vermutung das die Schule auch
als Wohnraum genutzt wurde wohl nicht so ganz falsch.

Das ganze Lager wurde wohl nur relativ kurze Zeit genutz, da im Adressbuch von
1955 die Adresse Kaiserstraße 49 nicht mehr auftaucht und auch dort
nicht mehr so viele Personen gemeldet sind.

Das Schalker Gymnasium an der Schalker Straße/Kaiserstraße wurde
im Herbst/Winter 1956 endgültig abgerissen.
--------------------------------------------------------------------------------------
Ich bedanke mich hiermit für die Unterstützung und Nachforschungen
bei Kalle Weichelt und Dr. Heidemann. Und besonderen Dank an
Dieter Host beim ISG Gelsenkirchen für den Bauantrag und die Fotos !
[/center]
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Akkiller
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Trotzdem: Kaiserstraße

Beitrag von Akkiller »

Toll, dass Du Dir die Mühe gemacht hast lieber Heinz O.!!!Gerne habe ich Deine Arbeit / Forschung unterstützt und freue mich, denn so habe auch ich wieder mehrere interessante Details aus und über Schalke erfahren!!Gruß Kalle :respekt: :2thumbs: :danke: :dafür: :guterbeitrag:

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

[center]Bauantrag - Beschreibung und Genehmigung
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[/center]
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Akkiller
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Trotzdem: Kaiserstraße

Beitrag von Akkiller »

:2thumbs: :up: :applaus: :freunde: prima! :lol:

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Bretterbude
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Beitrag von Bretterbude »

Auszug aus der Chronik der Stadt Gelsenkirchen für das Jahr 1956:

Montag, den 8. Oktober
Bauarbeiter begannen mit dem Abbruch der Ruine des Schalker Gymnasiums an der Schalker Straße.

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Akkiller
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Trotzdem: Kaiserstraße

Beitrag von Akkiller »

Danke Bretterbude, dann hat der Abbruch aber lange gedauert, denn einige Fotos stammen aus Dezember 1956! :2thumbs: Danke Dir für die Info!

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Akkiller
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Akkiller »

Anbei Motive der Kaiserstraße Nr.84 :D
Sammlung Karlheinz Weichelt
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Die Direktorenvilla von Direktor Jakob Walther in der Kaiserstraße Nr. 84 wurde 1888 erbaut und im zweiten Weltkrieg zu 70 Prozent zerstört. Die Aufnahme vom Juli 1938 erlaubt einen Blick auf die östliche Straßenseite.
Bild
Vom Kaiserplatz durch die Kaiserstraße gelangte man zum Schalker Markt (Blick Nord/Ost). Rechts in der Kaiserstraße Nr. 84 befand sich die Direktionswohnung, die Jakob Walther als Direktor der Gutehoffnungshütte von 1927 bis 1940 bewohnte. Auf der rechten östlichen Straßenseite ragen die Türme der katholischen St.­Josephs-­Kirche in den Himmel. Die Aufnahme entstand im Mai 1927 bei bewölktem Himmel.
möhne hat geschrieben:
08.06.2020, 20:25
Hallo Akkiller
Das ist ja sehr interessant.Habe die Beiträge von Boecker ,Thyssen usw auch hier gelesen.Meine Großeltern wohnten,
nachdem sie wieder nach Gelsenkirchen kamen in der Königsbergerstr.67 mein Vater war da so 11 Jahre..Das Haus steht leider nicht mehr.Danach wohnten
sie in der Kaiserstr.84.Dieses Haus steht noch ,direkt an der Brücke.Meine Eltern lernten sich bei Küppersbusch kennen.Meine Mutter wohnte Grillostr.140.das Haus steht auch schon lange nicht mehr.Kann mich aber noch
daran erinnern wie es aussah.1962 zogen wir mit Großeltern zum Sauerland.Hier im Forum habe ich auch von der Kaiserstr.gelesen.Es kam dort ein Arzt mit namen vor.
Habe meine Tante (Schwester von meinem Vater)gefragt,ob sie ihn kennt.Sie war ganz erstaunt ja sie kannte ihn.Ich habe ihr viel aus diesem Forum erzählt.Sie war auch sehr
begeistert ,daß es Gelsenkirchener Geschichten gibt.Gruß Möhne

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Pedder vonne Emscher
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Pedder vonne Emscher »

Hallo Kalle, ich bin begeistert von den vielen schönen Aufnahmen aus Schalke. Erst Schalker Straße und jetzt zauberst du die Kaiserstraße aus dem Hut. Herzlichen Dank dafür. :D
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Akkiller
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Akkiller »

Gerne lieber Pedder - das mache ich extrem gerne und habe noch so viiiiieeelllll zu zeigen - Kaiserstraße eben jetzt hier da Möre die Kaiserstraße Nr. 84 erwähnte :D
Pedder vonne Emscher hat geschrieben:
09.06.2020, 20:17
Hallo Kalle, ich bin begeistert von den vielen schönen Aufnahmen aus Schalke. Erst Schalker Straße und jetzt zauberst du die Kaiserstraße aus dem Hut. Herzlichen Dank dafür. :D

möhne
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Re: Schalker Straße

Beitrag von möhne »

Hallo Akkiller
Ja das muss ich auch sagen,wirklich klasse.Aber irgendwie komme ich nie mit den Hausnummern zurecht.
Ich bin vor einem Jahr zur Kaiserstr gefahren,ich fand die Hausnummer 84 an der Brücke.Machte dort ein Bild
und ich hatte das Bild das du auch gerade hier eingesetzt hast,meine Tante geschickt.Sie sagte sie wohnten in dem Haus an der Brücke.
Sie wohnten dort von 1955 bis 1962.Ich glaube da stand dieses alte Haus nicht mehr.Ich weiß auch nicht,ob diese Villa vorher
genau dort stand.Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.Aber vielen Dank.Ich freue mich immer sehr über Infos.Mfg,Möhne
P.S.Ich habe sogar das Geschäft Lore Lüth hier im Forum gefunden.Einfach super :D

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Pedder vonne Emscher
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Pedder vonne Emscher »

Meine Großeltern wohnten Kaiserstr. 89. Zwei oder drei Häuser vor Fritz Szepans Tabakladen. War später genau unter der Berliner Brücke, auf der anderen Straßenseite war die Kneipe von Willi Schulz. Die Häuser dort sind deutlich später gebaut worden als 1908. Ich schätze mal, in den 50er/60er Jahren.
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Akkiller
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Akkiller »

Sammlung Karlheinz Weichelt
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Auf dem Schalker Markt stand ein Ausstellungskiosk mit Produkten der Gutehoffnungshütte und Glas & Spiegel, wie diese beiden Ansichten vom 9. Dezember 1938 demonstrieren. Auch Werksfremde sollten stolz auf die Produkte sein können, insbesondere auf die Seile und das Drahtglas. Diese Botschaft strahlte Tag und Nacht von diesem im Design sehr modernen Pavillon am Schalker Markt aus. Daneben sind oben links das 1898 errichtete Grillodenkmal und im Hintergrund die Werkshallen von Grillo­Funke zu sehen. unten links befand sich an der Ecke Kaiserstraße/Schalker Markt der Tabakwarenladen Fritz Szepan, rechts neben dem Kiosk war das Textilwarengeschäft Voorgang.

Rechte Foto Kiosk Schulz: Allesamt Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen: FS III Schulz Kiosk Nachlass-Müller-008070-01
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Rechte Gaststätte Willi Schulz 1964: Allesamt beim Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen : FS I 12577 Gaststätte Willi Schulz Magdeburger Straße 2
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Pedder vonne Emscher hat geschrieben:
09.06.2020, 22:16
Meine Großeltern wohnten Kaiserstr. 89. Zwei oder drei Häuser vor Fritz Szepans Tabakladen. War später genau unter der Berliner Brücke, auf der anderen Straßenseite war die Kneipe von Willi Schulz. Die Häuser dort sind deutlich später gebaut worden als 1908. Ich schätze mal, in den 50er/60er Jahren.

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Akkiller
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Re: Schalker Straße

Beitrag von Akkiller »

Die Villa Kaiserstraße Nummer 84 befand sich wie auf dem Foto erkennbar weit vor der St. Josephs-Kirche in Richtung zur heutigen Berliner Brücke!Also erst Kaiserstraße Nr.84, dann die Kirche!Dort wohnten Direktoren!
möhne hat geschrieben:
09.06.2020, 21:54
Hallo Akkiller
Ja das muss ich auch sagen,wirklich klasse.Aber irgendwie komme ich nie mit den Hausnummern zurecht.
Ich bin vor einem Jahr zur Kaiserstr gefahren,ich fand die Hausnummer 84 an der Brücke.Machte dort ein Bild
und ich hatte das Bild das du auch gerade hier eingesetzt hast,meine Tante geschickt.Sie sagte sie wohnten in dem Haus an der Brücke.
Sie wohnten dort von 1955 bis 1962.Ich glaube da stand dieses alte Haus nicht mehr.Ich weiß auch nicht,ob diese Villa vorher
genau dort stand.Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.Aber vielen Dank.Ich freue mich immer sehr über Infos.Mfg,Möhne
P.S.Ich habe sogar das Geschäft Lore Lüth hier im Forum gefunden.Einfach super :D

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