Haus Liboriusstr. 58

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AlterMann
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Beitrag von AlterMann »

Wie angekündigt habe ich bei meinem letzten Besuch in Gelsenkirchen in alten Adreßbüchern geblättert.
Meine Zeit betreffend gibt es die Bücher aus den Jahren 1927, 1934 und 1939.

Über das Haus Liboriusstraße 58 habe ich folgende Einträge gefunden:

Adreßbuch 1927:
Haus-Eigentümer: Zeche Graf Bismarck, eingetragen sind 25 Mietparteien.

Adreßbuch 1934:
Haus-Eigentümer: Zeche Graf Bismarck, eingetragen sind 27 Mietparteien.

Adreßbuch 1939:
Haus-Eigentümer: Deutsche Erdöl A.G., eingetragen sind 17 Mietparteien.

Ein Hinweis darauf, daß Räume an die Freimaurer vermietet waren, ist in diesen Jahren nicht zu finden, ebenso taucht der Name Bielefeld unter den Mietern nicht auf.

Erstaunlich ist die große Zahl der Mietparteien in diesem Haus, im Jahr 1934 waren es 27 (siebenundzwanzig)!
Das Bild zeigt nur einen Teil des Hauses; die unvollständigen Seitenteile weisen in jedem Stockwerk 2 Fenster nebeneinander auf.

am

Zum Bild!

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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

AlterMann hat geschrieben: (...) Erstaunlich ist die große Zahl der Mietparteien in diesem Haus, im Jahr 1934 waren es 27 (siebenundzwanzig)! (...)
Ein Hallo und :danke: AlterMann ! :winken:

Das wirft bei mir noch mehr Fragen auf.
Gab es in den besagten Jahren eine allgemeine Wohnungsnot… oder warum so viele Mietparteien ? War es in dieser Zeit etwas sehr Ungewöhnliches ? Oder war es eine Art Studentengemeinschaft ? Wieviel qm mag dieses Haus insgesamt haben ? Wie sieht dieses Haus wohl hinten aus - ....und überhaupt – sah es genauso aus als es erbaut wurde … und, und, und…

Ich will und man soll eigentlich nicht wild rumspekulieren, aber ich kann den Gedanken einer Verknüpfung zur Freimaurerei nicht loslassen….
Aus der Chronik einer Darmstädter Loge
Die Loge zählte im Jahr 1817 bereits 155 Mitglieder. Bis zum Verbot der Nationalsozialisten 1933 diente das Gebäude den Darmstädter Freimaurern als Heim.
Quelle: http://jdeze.darmstadt.freimaurerei.de/ ... ngen#Index


AlterMann
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Beitrag von AlterMann »

-Locke- hat geschrieben:Das wirft bei mir noch mehr Fragen auf.
Wieviel qm mag dieses Haus insgesamt haben ?
Wie sieht dieses Haus wohl hinten aus - ....und überhaupt – sah es genauso aus als es erbaut wurde … und, und, und…

So geht es mir auch!
Leider haben meine Überlegungen erst später angefangen (nachdem ich die Breite des Hauses im Netz ausgemessen hatte). Im Archiv hätte ich einiges noch klären können - ich muß wohl noch mal hin.

Zur Rückseite des Hauses:
Der Grundriß des Hauses Nr. 60 hat "hintenrum" eine auffällige Form, ist symmetrisch und hat an beiden Haus-Enden (Symmetrie!) einen aus der Front herausragenden schmalen Teil.
Der Grundriß des Haus Nr. 58 ist am angrenzenden Ende symmetrisch mit dem des Hauses N. 60.
Die drei Häuser Nrn: 58, 60, 62 haben jetzt exakt die gleiche Höhe, fast die gleiche Breite, haben die Dachrinnen in gleicher Höhe, habe gleichartige Mansarddächer und jeweils 5 Mansardenfenster.
Das könnte bedeuten, daß drei nachbarliche Bauherren sich aneinander angepaßt haben.
Vielleicht waren es aber nicht drei Bauherren, sondern nur einer, nämlich die Zeche Graf Bismarck, was bedeuten könnte, daß die Zeche ihre Leute in diesen Häusern hatte unterbringen wollen - dieser Gedanke kam mir schon im Archiv. Die sehr unterschiedlichen Berufe der Mieter deuten aber nicht auf Zechenarbeiter hin (wenn ich nicht irre, war nur ein Steiger dabei).
Mir ist leider nicht bekannt, ob die Häuser 60 / 62 noch die originalen Vorkriegshäuser sind, oder ob sie wiederaufgebaute Nachkriegshäuser sind - das wäre aber wichtig zu wissen!
Wenn die Häuser 58 und 60 vom gleichen Bauherrn gebaut worden waren, könnte es sein, daß die jetzigen Häuser damals ein Doppelhaus waren, oder, mit dem Haus Nr. 62 zusammen (ich erfinde mal eben ein neues Wort) ein Tripelhaus, das nur eine Hausnummer hatte - es ließen sich dann die vielen Mietparteien leichter erklären. (Auch das hätte ich im Archiv klären können! Nächstes Mal! 1)
Allerdings kenne ich von anderen breiten Häusern her eine andere Art der Numerierung, z.B. "42-46".
Ich habe auch schon daran gedacht, daß die Häuser in der Liboriusstraße umnumeriert worden sein könnten, daß also die damalige Nr. 58 und die heutige zu verschiedenen Häusern gehören.
Das scheint mir aber nicht der Fall zu sein, denn die Liboriusstraße beginnt an der Königstraße und zwar mit der Nr. 37 (siebenunddreißig)! Das kann nur eine sehr alte Numerierung sein: Die beiden Parallelstraßen der Liboriusstraße, Grenzstraße und Industriestraße, begannen an der Wilhelminenstraße. Ich vermute, daß auch die Liboriusstraße dort beginnen sollte, daß auch die Grundstücke und die Hausnummern bereits geplant waren, daß dieser Plan aber nicht zur Ausführung gekommen ist. Wenn dies so war, wäre die heutige Numerierung bei der üblichen Grundstücksbreite so zu erwarten, wie sie ist.

Hallo -Locke-!
Ich habe auch das Gefühl, daß durch die Antworten die Zahl der Fragen nicht kleiner geworden ist!
Übrigens: Das Haus Nr. 58 hat eine Grundfläche von 251 m².

am

1) Wenn die Häuser 60 und 62 keine Vorkriegshäuser sind, ist meine Vermutung (Doppelhaus) sicher falsch, weil Anzahl und Höhe der Stockwerke mit dem Haus Nr. 58 nicht übereinstimmen!

Klick!
Zuletzt geändert von AlterMann am 12.12.2011, 16:11, insgesamt 2-mal geändert.

postminister
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Beitrag von postminister »

Kurzer Zwischenstand meiner familiären Nachforschungen.
Das Haus wurde einige Zeit als Wohnheim für Bergschüler,
Steigeranwärter usw. genutzt. In den Zeiten der Wohnungsnot ( -1960)
diente es als eine Art Übergangsmöglichkeit.
Weiterhin war es normal, dass in den 30er Jahren ganze Familien auf 40 quadratmetern
lebten. In meiner jetzigen 98 quadratmeter Wohnung haben früher nachweislich drei Familien gelebt(gehaust?), die sich ein Klo auf dem Flur teilten.
Freimaurer hat es in dem Haus nie gegeben. Zumindest hat sich keiner öffentlich dazu bekannt.
Weiteres in kürze.

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Heinz O.
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Beitrag von Heinz O. »

dann kann man das Haus eigentlich auch HIER zuordnen.
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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

AlterMann hat geschrieben: Das Bild zeigt nur einen Teil des Hauses; die unvollständigen Seitenteile weisen in jedem Stockwerk 2 Fenster nebeneinander auf.
Das Haus ist doch größer als ich dachte... mich haben die Regenfallrohre irritiert.
Ich kann mir bei dem sonstigen Verzierungsreichtum gar nicht vorstellen, dass da nix dran war. Also das Haus links daneben weist schon mal mindestens eine Etage mehr auf... allerdings hab ich da nicht genau geguckt.
Bild

Eigentlich bin ich wegen dieser beiden Kollegen dort hin....
Bild

Und an diesen Elementen müsste auch noch etwas gewesen sein, die Oberflächen haben lediglich Querrillen...
Bild

AlterMann
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Beitrag von AlterMann »

-Locke- hat geschrieben:
AlterMann hat geschrieben: Das Bild zeigt nur einen Teil des Hauses; die unvollständigen Seitenteile weisen in jedem Stockwerk 2 Fenster nebeneinander auf.
Hallo -Locke-!:danke:
An meinem Beitrag vom 10.12. sind keine Veränderungen mehr möglich; deshalb eine Anmerkung hier:
Hinter zwei nebeneinanderliegenden Fenstern sind 2 Räume vorstellbar, hinter einem Doppelfenster nicht!
Hier hätte es richtiger Doppelfenster heißen müssen, um die Zahl der Räume besser abschätzen zu können.

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Bretterbude
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Beitrag von Bretterbude »

Im Plan von 1905/07 ist das Haus Nr. 58 an der Stelle eingetragen, wo es auch heute (nach TIM-online, ich war jetzt nicht vor Ort) noch steht. Im alten Plan sind zwei kleine "Hinterhofflügel" eingezeichnet. Ich denke, es kann schon gut hinkommen, mit den "27 Parteien" im Jahr 1934. Bei 3 Vollgeschossen und einem Dachgeschoss könnten es z. B. gewesen sein: 8 Parteien pro Geschoss und 3 im Dachgeschoss. Früher war die "Struktur" in Wohnhäusern auch oftmals eine andere als heutzutage: vom Treppenhaus ging ein langer Flur innenliegender Flur ab, an dem dann wiederum die einzelnen Kleinwohnungen lagen. Die konnten auch schon mal nur ein einziges Zimmer umfassen. Heute würde man sowas wohl eher als WG betrachten... :D
Bild(Quelle: Stadtgrundkarte Gelsenkirchen 1905-07, Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen)

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-Locke-
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Beitrag von -Locke- »

Ja, über Google-Earth kann man die "Hinterhofflügel" auch sehen.
Vielleicht kann ich mich auch schlecht in die Wohnsituation 1934 hineinversetzen. Bei 27 Mietparteien werden auch noch Menschen hinzukommen, die zu den Mietern und Haushalten gehörten. Ich find's viel.
Wie dem auch sei. Ich habe gerne darüber spekuliert, ob dieses Haus einen gestalterischen Einschlag der Freimaurerei hat. Vielleicht hatte ein Eigentümer aber tatsächlich etwas ganz anderes versymbolisiert. Schön wäre, wenn es sich irgendwann mal klären lässt. Interessant ist das Haus allemal. :D

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Gut Ravensberg
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Beitrag von Gut Ravensberg »

Man darf nicht den "schwarzen Freitag" (25.10.1929) vergessen, der Zusammenbruch der New Yorker Börse, der eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat. Durch die allgemein verbreitete Arbeitslosigkeit und Armut rückte man "wohntechnisch" näher zusammen. Die hohe Arbeitslosigkeit war auch ein Grund, warum die Braunen so erfolgreich waren.
Das Leben wird immer vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. (Selma Lagerlöf)

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-Locke-
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Re:

Beitrag von -Locke- »

Bretterbude hat geschrieben:
19.11.2014, 21:04
Im Plan von 1905/07 ist das Haus Nr. 58 an der Stelle eingetragen, wo es auch heute (nach TIM-online, ich war jetzt nicht vor Ort) noch steht. Im alten Plan sind zwei kleine "Hinterhofflügel" eingezeichnet. (...)
Bild(Quelle: Stadtgrundkarte Gelsenkirchen 1905-07, Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen)
Da es immer mehr Möglichkeiten im Netz gibt zu recherchieren, hab ich mir noch einmal die Liboriusstr. 58 vorgenommen.
Ich glaube, dass die Hausnummern verändert wurden.
Stand heute: Die Liboriusstraße beginnt erst ab Haus-Nr. 37.
Es gibt jedoch eine Zeitungsannonce von 1890. Dort ist die die Rede von der „Liboriusstr. 2“.
Bild
Quelle: zeit.punkt.NRW

„Eckhaus der Liborius- und Victoriastraße (Liboriusstr.2 )…“ (gelber Punkt)
Bild
Quelle: Stadtplan von 1905
Die Victoriastraße Ist heute die Königsberger Straße.
Wenn es sich dort um das Haus Nummer 2 gehandelt hat, sollte ein Haus daneben die Nr. 4 liegen - das heutige Haus Nr. 58.

Nebenbei: In der Liboriusstraße gibt es keine Haus-Nr. 56. Das wäre das o.g. Eckhaus.

Meine Überlegungen und Fragen sind:
Wann wurde das Haus tatsächlich gebaut ?
Vielleicht war es doch von einer Nummernänderung betroffen.
Wenn 1927 der Eigentümer die Zeche Graf Bismarck war, wurde es ggf. schon sehr früh nach Erbauung veräußert (Baujahr eventuell noch vor 1904/05) ?
Zumindest würde es vielleicht erklären warum die Wappen / Tafeln (?) unvollständig geblieben sind.

======================

„Soli Deo Gloria“ und „Wissenschaft“ am Eingang:
Beim Durchforsten der Liboriusstraße ist mir eine Glaubensgemeinschaft aufgefallen, die sich hauptsächlich in der Liboriusstr. 96 zusammengefunden haben. (Bis auf ein paar Ausnahmen lt. Zeitungsinserate)
Diese Gemeinschaft nannte sich „Christliche Wissenschaft“.
Bild
Quelle: zeit.punkt.NRW

Dabei handelt es sich um eine Glaubensbewegung die sich Ende des 19. Jahrhunderts bildete und aus Amerika hier rüber kam. Ab 1937 wurde sie in Deutschland verboten, es kam zu Verhaftungen und Enteignungen. Inwieweit das auch in Gelsenkirchen zutrifft, vermag ich nicht zu sagen.
Heute existiert diese Glaubensgemeinschaft "Christian Science" noch in ca. 80 Ländern.

Soweit ich das mir anlesen konnte, geht es in der Hautsache darum lt. Ev. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen: “Geist ist das Wirkliche und Ewige; Materie ist das Unwirkliche und Zeitliche. Geist ist Gott, und der Mensch ist sein Bild und Gleichnis. Folglich ist der Mensch nicht materiell, er ist geistig“… Und es geht um die Gesunderhaltung des Geistes.
In kritischen Schriften wurden oder werden sie auch als „Gesundbeter“ bezeichnet.

Meine Überlegung war:
„Gott allein (sei) die Ehre“ = „Soli Deo Gloria“ und „Wissenschaft“ direkt am Hauseingang könnte auf eine Person und einen Erbauer hinweisen der dieser Glaubensgemeinschaft „Christliche Wissenschaft“ angehörte.

Die Nacktheit des abgebildeten Mannes im übertragenen Sinne.....
„Nacktheit ist der bewußte Verzicht auf Kleidung, die auch Sinnbild für Weltverhaftetheit ist. Die Entblößung kann auch als ein sich schutzloses Ausliefern oder Opfern, oder Askese und auf gottesdienstliche Handlungen hindeuten.“
(Zitat: irgendein altes schlaues Kunstbuch…)

Und dann gibt es noch die räumliche Nähe zur Liboriusstr. 96. Dabei dürfte es sich eventuell um eine private Wohnung gehandelt haben. Wenn es eine noch recht junge Bewegung war, wird die Gemeinschaft nicht allzu groß gewesen sein.

Ich bin gespannt ob man das Rätsel um das Haus Nr. 58 einmal lösen wird.

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-Locke-
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Re: Re:

Beitrag von -Locke- »

-Locke- hat geschrieben:
04.04.2023, 06:20
„Eckhaus der Liborius- und Victoriastraße (Liboriusstr.2 )…“ (gelber Punkt)
Bild
Quelle: Stadtplan von 1905
Die Victoriastraße Ist heute die Königsberger Straße.
Wenn es sich dort um das Haus Nummer 2 gehandelt hat, sollte ein Haus daneben die Nr. 4 liegen - das heutige Haus Nr. 58.
So ein absolut schräger Zufall heute und ich habe nicht danach gesucht.
Ich klappe online ein Sterberegister von 1902 auf. Der erste Eintrag der mir entgegen kommt ist die Liboriusstr. 4.
Wenn ich dann richtig liege müsste es das Haus 58 sein. Also gab es dieses schon 1902 (bzw. 1901).
Oder es wurde abgerissen und es wurde neu an dieser Stelle gebaut.
Bild
(Quelle: landesarchiv-nrw. ....Abt_Ostwestfalen-Lippe)

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