Ludgeri:
[Transkription aus "Das Vest" - Heimatblätter für das Emscher- und Lippe-Land]
Wie glücklich ist Hassel gegenüber die neue gleich junge St. Ludgerigemeinde daran. In elf Monaten ist aus ihrer Mitte wohl der herrlichste Kirchenbau Buers erwachsen. Am 15. März 1914 wurde feierlich der Grundstein gelegt und am 18. Februar 1915 konnte bereits ihre Einweihung vollzogen werden. Die Seele und Triebfeder dieses ganzen Werkes war Vikar Beckmann, der erste Rektor und wohl bald auch der erste Pfarrer dieser Gemeinde. Dieses Werk ist in zweifacher Beziehung eine ganz hervorragende Leistung, erstens dadurch, dass es trotz des Krieges schneller vollendet wurde als irgend eine andere Kirche Buers - mehr als die Hälfte der Bauzeit fiel in die Zeit des Weltkrieges - und zweitens dadurch, dass dieser einzige romanische katholische Gottestempel unseres Stadtbezirks ein Werk vollendetster architektonischer Schönheit ist. Sie muss zu den schönsten romanischen Kirchen gezählt werden, die es überhaupt gibt und würde auch der größten Kunststadt zur Zierde und Ehre gereichen. Im Buerschen "Führer" schildert Dr. Wiebringhaus sie knapp und würdig wie folgt:
Neuzeitlicher (romanischer Rundbogenstil im Sinne der Beuroner Schule). Selbstbewusst reckt sich der mächtige Turm hinauf zum Lichte, aber erst hoch über dem kleinlichen Beben des Alltags entfaltet er seine reine Ornamentik, eine steinerne Sonnenblume! Einzig ist die Weihestimmung, wenn er bei Sonnenaufgang bereits zur Hälfte im Morgenlicht erstrahlt, während das Langhaus und die menschlichen Behausungen zu seinen Füßen noch im Banne der Finsternis daliegen. Die von Lisenen getragene zierliche Brüstung umhegt eine luftige Doppelsäulenreihe, die über reichgeschmücktem Gesims das Turmdach trägt. Einen Abglanz dieses Hauptturms finden wir an den beiden Chortürmchen. - Beide Schaugiebel, durch Lisenen gegliedert; Hauptgiebel außerdem durch kräftige Blumenakroserien tragend; Eckpfeiler flankiert. Nach der Essener Straße dreischiffige Rundbogenhalle mit reichem Bildschmuck.
Romanische Kirchen sind voll tiefer Geheimnisse; aus der geheimnisvollen Dämmerung des Vorraumes führen die eilig hinströmenden Bogenreihen des Langbaues unseren Blick auf das ferne Halbrund der Apsis, wo unter mystisch-dunkler Kuppel der goldene Hochaltar aufleuchtet wie ein einziger flammender Opferbrand. Beachtenswert die gut stilisierte Kanzel und die Tauffünte. Die Verwendung ausgesuchten Steinmaterials sichert diesem Kunstwerk volle Beständigkeit gegen den Giftzahn der Industriedünste.
So sei hinzugefügt: Die Kirche ist 22 Meter hoch, der Turm, ein Eckturm, überragt sie um 25 Meter. Er strebt auf dem höchsten Punkte des Geländes empor, am Schnittpunkte der Essener und Düppelstraße. Kommt man von Buer-Mitte, so sehen wir den Spalt der Essener Straße durch ihn geschlossen.
Die Kirche ist eine Kreuzkirche mit niedrigen Seitenschiffen. In ihrer Verlängerung am Kreuzschiff die Nischen für die Seitenaltäre. Der Chor ist durch eine aus wundervollster Marmormischung geschaffene Kommunionbank vom Laienraum getrennt und liegt sieben Stufen höher als dieser. Die untere Turmetage ist zu einer großen Marienkapelle ausgebaut. Die Orgelbühne baut sich terrassenartig auf. Unter der Priestersakristei, die mit der Knabensakristei unmittelbar verbunden ist, befindet sich der Paramentenraum.
Das Bauwerk ist mit hellem, hartem Naturstein verblendet, die Sockel zeigen Basaltlava, die übrigen aufgehenden Ansichtsflächen Tuffstein aus der Gegend von Maria Laach. An der Vorhalle des Hauptportals stehen vier Säulen aus Muschelkalkstein. Im Inneren verwandte man zu den Werksteinarbeiten den weicheren Baumberger Kalksandstein. Auch ist in den Säulenschäften bayerischer Muschelkalk verwandt.
1400 Quadratmeter sind bebaut, nach Abzug des Mauerwerks bleiben 1261 Quadratmeter Innenraum, wovon 812 auf den Laienraum kommen. Dazu fasst die Orgelbühne noch 97 Quadratmeter, so dass die Kirche bequem 2200-2300 Personen Platz bietet. Die Gesamtkirche besitzt Heizvorrichtung.
Der geniale Schöpfer des wundervollen Kirchenkleinods ist Architekt Georg Spelling, Köln.
Kein Zweifel, dass sie noch im Jahre 1923 zur Pfarrkirche erhoben wird und Rektor Beckmann, vorher Vikar an St. Urban, der wohl auch Hassels erster Seelsorger war, ihr erster Pfarrer sein wird, hoffentlich auf viele Jahre. Er und der Kirchenvorstand haben mit dieser Prachtkirche auch besonders schwere finanzielle Sorgen auf sich genommen, die zunächst infolge des ausbrechenden Weltkrieges sich noch verdoppelten, heute im Valutaelend der Nachkriegszeit, wo die Baukosten sich vertausendfachten, danken wir es ihnen, dass durch ihre Energie und Hoffnungsfreudigkeit noch in schwerer Zeit ein solch herrliches Denkmal des Herrn emporstieg. Außer dem Rektor wirken daran zwei Kapläne.
Der Grundstein birgt in eine Glashülle versiegelt folgende Urkunde:
"Urkunde über die Grundsteinlegung der Kirche, welche in der Stadt Buer i.W. zu Ehren des hl. Ludgerus, des ersten Bischofs von Münster errichtet wird.
Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des † Vaters u. des † Sohnes und des † Hl. Geistes. Amen.
Im Jahre des wiederhergestellten Heiles 1914, am 15. März, auf welchen Tag der dritte Fastensonntag Oculi und das Gedächtnis des Hl. Clemens Maria Hofbaur fiel, ist dieser Grundstein unter zahlreicher Beteiligung der Gläubigen in feierlicher Weise von dem Landdechanten des Dekanates Dorsten, dem Hochwürdgen Herrn Pfarrer von Osterfeld, Bernhard Strumann, benediziert und gelegt worden.
Den erhabenen Sitz des Apostelfürsten Petrus hat der Hl. Vater Pius 10. inne, den gleichwie ein "brennendes Feuer" danach strebt, Alles in Christo zu erneuern und sein apostolisches Amt, die Herde des Herrn zu leiten, glorreich verwaltet. Es regiert als Deutscher Kaiser und König von Preußen Wilhelm 2., der Erhalter des Friedens, von den Seinen geliebt, von den Freunden geehrt, von den Feinden gefürchtet. Den Stuhl des Hl. Ludgerus hat inne Dr. Johannes Poggenburg, der am 16. Oktober 1913 zum Nachfolger des zum Erzbischof von Köln gewählten Bischofs Dr. Felix von Hartmann konsekriert ist.
Der Pfarrer der Mutterkirche zum hl. Urbanus ist Augustinus Naaber aus Dreyerwalde, der seit 1893 der Riesenpfarre vorsteht und bereits vier Filialgemeinden abgepfarrt hat. Als Vikare fungieren an der Mutterkirche Bernhard Beckmann aus Oelde und Josef Broecker aus Alverskirchen, als Kapläne Josef Uhrmeister aus Oelde und Bernhard Messing aus Billerbeck, als Rektor des Marienhospitals Bernhard Füchter aus Leer.
Der Oberpräsident von Westfalen ist der Herzog von Ratibor und Korwey, Erster Bürgermeister von Buer Dr. Karl Russell. Architekt des schönen Gotteshauses ist Georg Spelling aus Köln, der die Pläne entworfen hat. Die örtliche Leitung liegt in den Händen von Karl Stang aus Königswinter. Die Firma Gebr. Lienden aus Essen führte den Bau aus.
Möge der Geist herniedersteigen über dieses zu errichtende Haus und unsere Opfergaben und die des christlichen Volkes in denselben segnen, unsere Herzen reinigen und läutern und dieselben als lebendige Bausteine dem Gottesbau, dem himmlischen Jerusalem einfügen. Amen."
Vorläufig besteht die Ludgerigemeinde noch als Rektorat Buer-Hugo, von Rektor Beckmann sowie den Kaplänen Brüning und Güsken geleitet. Es ist aber wohl kein Zweifel, dass auch die Ludgerigemeinde in allernächster Zeit zur eigenen Pfarrei erhoben wird.
Quelle: Kirchengeschichte von Buer von Prof. Schmitt