Großbäckerei Jäger

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silentscore
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Beitrag von silentscore »

Konnte meinen alten Beitrag leider nicht editieren. Der Link zum YouTube Video der Schornstein Sprengung ist jetzt unter http://www.youtube.com/watch?v=jEZiUlwwK_g zu finden.

Schaffrather38
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Großbäckerei Jäger

Beitrag von Schaffrather38 »

Etwas aus den 50 ger Jahren.BildBildBildBild

Hier mal die Vorderfront extra
Diese Kennzeichen gab es 1948-1956

Bild
Die Aufnahmen hat mir mein Freund Siggi
für die Gelsenkirchener-Geschichten geliehen
um sie hier einzustellen.
Ein Dankeschön an dieser Stelle
für die historische Aufnahmen.

friedhelm
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Großbäckerei

Beitrag von friedhelm »

Herrliche, nostalgische Fotos. Aber was für eine Automarke war das denn ? Kann mich nicht an diese Marke erinnern.

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Prömmel
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Beitrag von Prömmel »

Das war ein Ford Taunus Transit. Schau mal hier:
http://www.gelsenkirchener-geschichten. ... 967#392967
Wer nichts weiß und weiß, dass er nichts weiß. der weiß mehr
als der, der nichts weiß und nicht weiß, dass er nichts weiß.

Brummischubser
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Beitrag von Brummischubser »

18 Jahre lang habe ich bei der Großbäckerei Jäger als Verkaufsfahrer gearbeitet. Ich bin gegangen, als sich nach dem Tode des Firmenchefs der Niedergang der Firma abgezeichnet hatte.

Insgesamt war es ein schönes Arbeiten und ich habe auch gutes Geld verdient. Hier wurde berichtet, wir haben an 5 Tagen in der Woche gearbeitet. Das stimmt nicht. Zu meiner Zeit hatten wir alle eine 4-Tage-Woche. Regelarbeitstage waren der Dienstag und der Mittwoch und der Freitag und Samstag. Sonntag, Montag und Donnerstag waren arbeitsfrei.
Wann genau die Donnerstags-Touren eingeführt wurden, kann ich nicht mehr sagen. Aber sie gingen zunächst mal an uns vorbei. Sie wurden mehr für Hausfrauen auf steuerfreier Nettobasis eingerichtet. Als die Touren dann mehr wurden, sind auch immer öfter die Donnerstags-Touren an die Stammfahrer vergeben worden, die sich dadurch ein Zubrot verdienten. Aber es ist niemand dazu gezwungen worden, das möchte hier extra betonen. Wer wollte, konnte auch weiterhin nur seine 4 Tage arbeiten.

Ganz am Anfang gab es etwas, was einen sehr treffenden Namen hatte, den Lohnstreifen. Es war wirklich so ein Streifen, der aussah, als käme er gerade aus dem Ticker eines vorsintflutlichen Fernschreibers. Zusammen mit dem Lohnstreifen wurde der Monatslohn bar ausgezahlt. Eine Bank? Was ist das? Nee, brauchen wir nicht! Meine Frau trauert dieser Zeit heute noch nach. Sie mag Banken ebenso wenig wie ich auch. Damals war noch Frau Schulte Terboven (ich hoffe, ich habe das richtig geschrieben) unsere gute Fee auf dem Lohnbüro und natürlich entsprechend geachtet.

Unbestritten gab es auch Hygieneprobleme in der Firma. Wer sich darüber aufregt, sollte bitte bedenken, wir reden hier über die 70er bzw. 80er Jahre. Da gab es noch keine Harrnetze und unter Hygiene hat man gerade mal das Händewaschen verstanden. Das soll jetzt keine Entschuldigung dafür sein, dass es nicht immer so sauber war, wie es hätte sein können. Aber ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, in den 18 Jahren habe ich noch nicht einmal beobachten können, dass aufgefegtes Mehl wiederverwendet wurde. Ich habe auch noch nicht erlebt, dass jemand eine Maus mit dem Messer gevierteilt hat.

Ich bedauere es sehr, dass es die Großbäckerei Jäger nicht mehr gibt. Und manchmal träume ich heute noch davon, dass Herr Rohmann, unser Verkaufsleiter, mit erhobenem Finger vor mir sitzt und sagt: "Ihr Brotumsatz ist ja gut, aber Gebäck! Gebäck!"

Viele Grüße

Rainer

PEDY1965
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Jäger

Beitrag von PEDY1965 »

Schöne Geschichte aus der guten alten Zeit,ich weiß das unser Nachbar bei der Gr0ßbäckerei als Verkaufsfahrer tätig war und es für uns Kinder immer eine Wonne war wenn wir einen Berliner geschenkt bekamen .Aber allein der Geruch den das Bäckerauto mit in unsere Straße brachte hab ich heut noch in der Nase.Ich weiß allerdings nicht mehr wie der Verkaufsfahrer sich bemerkbar machte klingelingeling hier kommt der Bäcker neee.
Dann kamen alle aus dem Haus und stellte sich an um am Bäckerauto einzukaufen.

Letzte Woche hat an meiner Wohnungstür eine Tüte mit Brotpröbchen gehangen und am Samstag Nachmittag kam ein Bäcker-Verkaufswagen von Tür zu Tür.Erinnerte mich auch an die gute alte Zeit.
Früher war alles besser,
gut das es früher wieder gibt.
LGPedy1965

Brummischubser
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Re: Jäger

Beitrag von Brummischubser »

PEDY1965 hat geschrieben:Aber allein der Geruch den das Bäckerauto mit in unsere Straße brachte hab ich heut noch in der Nase.Ich weiß allerdings nicht mehr wie der Verkaufsfahrer sich bemerkbar machte klingelingeling hier kommt der Bäcker neee.
Dann kamen alle aus dem Haus und stellte sich an um am Bäckerauto einzukaufen.
Wir hatten zum Schluß eine ziemlich penetrante Klingel, die wir auch bei jedem Halt eingesetzt haben. Und bei unseren Kunden haben wir natürlich auch angeschellt. Wir sind keineswegs nur in die Straßen gefahren und haben auf Kundschaft gewartet. Es war schon früher ein Grundsatz, dass man zum Kunden gehen muss, wenn der Kunde nicht kommt.

Von dem Duft der Brote kriegt man als Fahrer hinterher nichts mehr mit. Die Nase gewöhnt sich daran.
Man sagt ja landläufig, Eigenlob stinkt. Aber hier kann man ruhig mal von der Regel abweichen, weil die Firma nicht mehr existiert und niemand mehr einen Vorteil davon hat. Unser Brot war absolute Spitzenklasse, genauso wie der Kuchen und das Gebäck. Den Herrn Jäger hat man jeden Morgen in der Backstube gefunden. Er hat da geschnitten, gekostet, gewogen und begutachtet. Da gab es keine Brote, wo die Krume aussah wie ein Schweizer Käse. Die Krume war weich, feinporig und sehr geschmackvoll. Beim Kuchen war es nicht anders. Es hat geschmeckt und ich hatte selbst nach 18 Jahren noch nicht die Lust verloren, herzhaft in einen Bienenstich oder in einen Streuselkuchen zu beißen.
An anderer Stelle habe ich gelesen, wie unsere Schokokringel mit Donuts verglichen wurden. Diese Banausen haben keine Ahnung. Die Kringel hatten mit Donuts nicht das geringste zu tun. Die sind gekauft worden wie "Hulle". Mit der Schließung der Großbäckerei Jäger ist auch eine Köstlichkeit verloren gegangen. Bisher hat es niemand auch nur annähernd geschafft, dieses köstliche Gebäck herzustellen. Und vielleicht ist das auch gut so. Herr Jäger würde sich im Grabe rumdrehen, wenn jemand auf die Idee käme, seine Kringel nach seinem Rezept irgendwann als Donuts zu verkaufen.

Viele Grüße

Rainer

Brummischubser
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Beitrag von Brummischubser »

In diesem Thread wird viel von den Kontobüchern gesprochen, mit denen wir gearbeitet hatten. Ihr könnt mich erschlagen aber ich muss die Antwort schuldig bleiben, warum ich nach mehr als 20 Jahren noch solche Kontobücher von Jäger im Keller habe. Wird Zeit, dass ich in Rente gehe, damit ich mal in aller Ruhe meinen Keller aufräumen kann.

Hier ist so ein Kontobuch zu sehen:

Bild

Als ich bei Jäger anfing, war dieses Buch noch eine feste Kladde mit einem dicken gebundenen Deckel. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob es auch schwarz war. Ich meine, es war eher dunkelgrün. Egal, die Dinger scheinen Herrn Jäger zu teuer geworden zu sein. Kann auch sein, dass die Bedeutung der Bücher nicht mehr die gleiche war wie früher. Hier sind ja ehemals die Kreditkäufe eingetragen worden. Wir sagten immer, der Kunde kauft auf "Keif". Keine Ahnung, woher der Begriff kommt. Auf jeden Fall war das Kaufen auf Kredit nicht mehr zeitgemäß und die Zahlungsmoral einiger Kunden wurde immer schlechter. Irgendwann kam die Order, Kreditkäufe möglichst zu vermeiden. Von daher taten es also auch billigere Bücher. Die waren erst glänzend schwarz und hinterher noch billiger, nämlich ohne Glanz. Aber die Kunden mochten auch diese Bücher. Das abgebildete Buch ist die letzte Generation.

Bild

Vorne wurden die Kredite eingetragen, hinten die Barzahlungen. Es war manchmal gar nicht so leicht, den Kunden begreiflich zu machen, warum wir hinten anfangen zu schreiben. Mittlerweile hatten wir ja mehr Barzahler als "Keif-Kunden". Die Bücher waren auch gleichzeitig Rabattbücher. Es gab 3 % auf alle Waren. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Kunden, die auf Kredit gekauft haben, hinterher ebenfalls die 3 % bekamen. Mir persönlich war es aber egal. Wir mussten ja die Beträge selbst zusammenrechnen und die 3 % daraus ziehen. Da war es einfacher, die Bücher der Keif-Kunden abzurechnen, weil da immer nur ein Posten monatlich stand. Meist haben die Kunden die Bücher kurz vor Weihnachten abrechnen lassen. Dann gab es da eine leckere Torte für.

Viele Grüße

Rainer

Brummischubser
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Beitrag von Brummischubser »

Das bin ich höchstpersönlich, Tour 117. Vielleicht kennt mich der eine oder andere noch, mit dem ich zusammengearbeitet habe.

Bild

Hier sitze ich gerade in der Kaffeestube, die ich mit ein paar Leuten eingerichtet hatte. Die Bücher mit den Kunden liegen hinten auf der Fensterbank und nach einem Kaffee mit einem Kollegenplausch geht es los.
Der Kittel ist frisch gewaschen und weiß und nicht grau, wie hier jemand geschrieben hatte. Graue Kittel gab es bei Jäger nicht. Ganz früher hatten wir blaue Kittel mit rotem Kragen. Die waren richtig schön und sie haben mir auch gefallen. Ich hatte mir noch schnell ein paar besorgt, als abzusehen war, dass es die nicht mehr geben wird. Besorgt heißt, ich habe sie ordentlich bezahlt bzw. es wurde mir vom Lohn abgezogen.
Die blauen Kittel wurden durch braune Kittel ersetzt, gleichzeitig aber auch weiße Kittel erlaubt. Die meisten der Fahrer haben es so gehalten, dass ein weißer Kittel unterwegs angebracht war, während der braune Kittel besser beim Beladen benutzt werden sollte. Man glaubt gar nicht, wie viel Mehl an den Klamotten hängen bleibt.

Viele Grüße

Rainer

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gutenberg
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Nostaldie

Beitrag von gutenberg »

Bäcker Jäger ist untrennbar mit einer Kindheit in den 50er Jahren in Scholven/Mentzelstraße verbunden. Man muss wissen, dass damals alle Straßenlieferanten einschließlich der städtischen oder hibernianischen "Service-Fahrzeuge" von Pferden gezogen wurden. Wir kannten die Namen der Pferde ebenso wie die Nmen der Fahrer. "Herr soundso, darf ich mal die Liese streicheln?" "Da musst du die Liese fragen!" Ich habe die Liese gefragt und sie hat mit dem Kopf genickt. Die Hausfrauen der halben Mentzelstraße gerieten in Verzückung über den lütten Jong.

Gekauft hat meine Mutter aber bei dem Wagen vom Bäcker Pöppinghaus. Das Pferd stand hoch im Blut und sah von weitem aus wie ein Araber.

Vor dem Wagen vom Viefutterhändler Laarmann und auch vor dem des alten Eing waren mehr Belgische Pferde gspannt.

Der dollste Gaul lief vor dem Hibernia-Wagen, der die Gullys saubermachte, also nicht der Wagen, sondern der Fahrer. Das war eines von diesen Ardennen-Tieren mit meterhohem Stockmaß und regelrechten "Wollsocken" über den Hufen. Sah fast unheimlich aus.

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Lorbass43
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Beitrag von Lorbass43 »

Die in Bülse am Bahnübergang gelegene Großbäckerei "Jäger" lieferte das Brot mit Pferd und Wagen frei Haus. Es gab den Werbetext "Jägerbrot macht Wangen rot". Wir Kinder dichteten "Jägerbrot macht Menschen tot".
Aus dem Brot wurden Knifften, oder Beamtenknifften = extra dünn, Butters, Dubbels, Bütterskes Stullen gemacht. In einem schmalen langen Buch wurde jeder Kauf vermerkt
"Auffen langen Bleistift angeschrieben" wenn die Kröten mitten Büchsken annen Wagen kamen und nich die Mutta war meist keine Kohle mehr da. Aber alle 10 Tage, da war Löhnung auffe Zeche, wurde bezahlt, hätt auch sonst nix mehr gegeben.
Die Auslieferungsfahrer und das waren einige, machten kurz vor Ende ihrer Schicht Rast in der Gaststätte Vennemann/Ortmann an der Baulandstr. Ihre Gespanne waren unter Bäumen angebunden. Welch eine Aufregung und Hallo als eines Tages beim Verlassen der Wirtschaft Pferde und Wagen nicht mehr da waren. Vonne Blagen losgebunden, trotteten die Gäule auf den Ihnen bekannten Feldweg an der Bahnstrecke entlang dem heimatlichen Stall zu.
Die Auslieferungsfahrer,auch Brotkutscher genannt, liefen hinterher. Wer war das wohl?
Iss nie rausgekommen.
Gezz isset verjährt ja - gut ich war dabei und tu die anderen abba nich verklatschen.
:group3g:

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gutenberg
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Mit Sicherheit

Beitrag von gutenberg »

Mit Sicherheit war das dessen Idee, der der Welt bewies, dass ein Pferd zwar die Treppe herauf, aber nicht mehr hinunterlaufen kann.
Ich weiß nicht, ob aus anatomischen Gründen oder weil der Wendeplatz vor der Wohnung zu klein ist.
Aber da fragen wir besser nicht, nä Lorbass?

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Lorbass43
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Beitrag von Lorbass43 »

Wenn das Wohnzimmer durch die Feuerwehr(!) frei geräumt ist.
Durch eine Tierarzt, der Beteiligung eines Pferdedomteurs und eines zufällig vor Ort gastierenden Zirkusunternehmens konnte das beruhigte Pferd gewendet werden.
Die Treppenstufen sind durch zugeschnittene Balken (geht doch nix übbere Feuerwehr) flacher gemacht worden -
dann ging das gaaanz langsam wieder runter.
Den Eltern des munteren Knabens ist nie eine Rechnung für entstandene Unkosten gestellt worden. Is gezz auch verjährt :wink:
Mensch Gutenberg,
dat gehört gaanich hierhin dat is wat für "Wir aus Scholven"
Immer diese ollen Kamellen!

Brummischubser
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Beitrag von Brummischubser »

Hier wird noch echte Handarbeit geleistet. Die Damen haben einiges zu tun, bis sie alle Eier verarbeitet haben.

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Berni, unser Tortenmacher. Er hat immer am liebsten alleine gearbeitet.

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Und hier hat jemand den Mund wohl etwas zu voll genommen. Hauptsache, es schmeckt.


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Viele Grüße

Rainer

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superstu391
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Beitrag von superstu391 »

An dieser Stelle möchte ich, der ja hier zumeist nur selten aktiv unterwegs ist, mein dickes Lob und meine Freude darüber aussprechen, wie schön leidenschaft- und ausführlich hier dieses Thema "bearbeitet" wird. Aber das gilt eigentlich für alle Bereiche, die den Weg in die Gelsenkirchener Geschichten gefunden haben und genau das, macht diese Seite so wertvoll!

Der Fred über die Großbäckerei Jäger ist in meinen Augen ein Paradebespiel dafür! Danke an all daran Beteiligten, die dafür gesorgt haben, dass der Auslieferungswagen wieder weit geöffnet vor meinem geistigen Auge und noch viel wichtiger, vor meiner Nase erscheint. Großartig!

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