Elisabeth Käsemann

Menschen die Eindruck in Gelsenkirchen hinterlassen

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Quiqueg
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Späte Nachricht, freue mich aber auf jede/n der/die kommt

Beitrag von Quiqueg »

Elisabeth Käsemann zum Gedächtnis
Am 24. Mai 1977 wurde sie von Organen der argentinischen Militärregierung ermordet. Zur Erinnerung an ihren Tod „für Freiheit und mehr Gerechtigkeit in einem von ihr geliebten Lande“ – so schrieben ihre Eltern Ernst und Margrit Käsemann aus Anlass ihrer Beerdigung im Juni 1977 – möchte ich, wie auch in den Vorjahren - am morgigen
Donnerstag, dem 24. Mai, 18 Uhr auf dem Ernst-Käsemann-Platz in Rotthausen
mit Blumen und ein paar Worten öffentlich an sie erinnern. Ich beziehe mich in diesem Jahr besonders auf eine Rede Frank-Walter Steinmeiers, damals Bundesaußenminister, vom 26. April 2016
www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/ ... Reden/2016
zur „Colonia Dignidad“ in Chile.
„Wer redet schon gern über die dunklen Seiten der eigenen Geschichte“ - so Steinmeier damals.
„In den frühen 1960er Jahren wurde ein idyllisches Andental zur Heimat einer Gruppe von Deutschen aus einer freikirchlichen Gemeinde. Die Sekte wurde von Paul Schäfer geleitet, der in Deutschland wegen Kindesmissbrauchs gesucht wurde. Früh wurden, auch nach seiner Übersiedlung nach Chile, Vorwürfe wie Freiheitsberaubung, sexueller Missbrauch und medizinische Zwangsbehandlungen laut.
Der Aufschwung für die Kolonie kam 1973 mit der chilenischen Militärdiktatur unter General Pinochet. Die Colonia Dignidad genoss die Gunst des Regimes, sie besorgte ihm Waffen und ließ den Geheimdienst DINA ein Folterlager errichten. So kam es, dass der deutsche Botschafter Strätling öffentliche Ehrenerklärungen für die Kolonie formulierte, während es gleichzeitig Berichte gab, nach denen Minderjährige, die aus der Kolonie flohen und in der Botschaft in Santiago Schutz suchten, unter Verweis auf das Sorgerecht zurückgeschickt wurden.
Nur sehr langsam hat das Auswärtige Amt die Dimension des Problems Colonia Dignidad verstanden. Dass das überhaupt passierte, lag weniger an einem politischen Kurswechsel in Bonn, als an Einzelpersonen wie Dieter Haller, der hier vorne sitzt. Er war als junger Mann in den 80ern in Chile auf Posten. Die in der Colonia Dignidad lebenden deutschen Staatsangehörigen seien vermutlich „Opfer fortgesetzter Freiheitsberaubung“, schrieb er 1987. Nach einem Besuch in der Kolonie schrieb er sein Erschrecken mit den Worten nieder: „So muss Theresienstadt gewesen sein.“
Der Umgang mit der Colonia Dignidad ist kein Ruhmesblatt, auch nicht in der Geschichte des Auswärtigen Amtes. Wir haben heute eine Gruppe von Menschen versammelt. (…) Wolfgang Kneese hat es geschafft, als einer der ersten im dritten Anlauf aus der Colonia zu fliehen und kämpft seither mit seine Frau um Aufklärung, an der Seite von Hernan Fernandez, Menschenrechtsanwalt aus Santiago, den ich auch als unseren Gast begrüße. Dieter Maier hat 1977 für amnesty international einen aufsehenerregenden Bericht über die Kolonie veröffentlicht. Frau Schnellenkamp, Herr Kneese, danke, dass sie bereit waren, öffentlich über Ihr Schicksal zu sprechen. Ich verneige mich vor den Opfern des Zwangssystems Colonia Dignidad

Vergleichbares darf jetzt auch für die deutschen und die deutschstämmig-jüdischen Opfer der Diktatur von Militär und Wirtschaftseliten erwartet werden, die von 1976 bis 1983 in Argentinien gewütet hat.
Dazu Wolfgang Kaleck, an den Prozessen gegen die argentinischen Täter beteiligter Menschenrechtsanwalt in: Kampf gegen die Straflosigkeit – Argentiniens Militärs vor Gericht (Wagenbachs Taschenbuch 2010)
„Aus heutiger Sicht scheint die Beweisführung gegen das Auswärtige Amt und einige Botschaftsangehörige zwingend. In den mittlerweile einsehbaren Aktenbeständen finden sich verheerende politische Einschätzungen, eine manchmal offene, manchmal heimliche Sympathie mit Junta-Chef Videla und seinen Mitputschisten.“
Und weiter:
Wenn man heute die Veröffentlichungen der Solidaritätsbewegung betrachtet, kann man feststellen, dass sich viele der (von ihr) publizierten Fakten und Hypothesen über die Militärdiktatur bis heute als gültig erweisen – ein angesichts der grotesken, ja fast verbrecherischen Fehleinschätzungen anderer Akteure nicht gering einzuschätzendes Verdienst.
Einer dieser anderen Akteure dürfte der damalige Bundesaußenminister Genscher gewesen sein. Dafür sprechen gewichtige Gründe. Viel spricht auch dafür, dass er – Genscher – einige Male Bundeskanzler Helmut Schmidt durch manipulierte Informationen getäuscht hat. Das würde Helmut Schmidt nicht von seiner politischen Verantwortung entbinden, den entsprechenden Hinweisen sollte aber nachgegangen werden. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages scheint deshalb unverzichtbar. Für einen Antrag auf seine Einsetzung müsste ein Viertel seiner Mitglieder gewonnen werden. Daran will ich mittels einer Petition arbeiten.

Quiqueg
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Untergang der Gerechtigkeitssonne ?

Beitrag von Quiqueg »

Vorweg diese Erläuterungen:

Ernst Käsemann berichtet: Sonne der Gerechtigkeit sei als Kind das Lieblingslied seiner Tochter Elisabeth gewesen.

„Cucha“: Hundekäfig, hießen die Zellen der Gefangenen in den Folterlagern der Argentinischen Diktatur (März 1976 bis September 1983).

Capucha waren die Kapuzen, die den Gefangenen übergezogen wurde. Sie konnten dann so gut wie nichts sehen, meist nur die Stiefel der Militärs.

Namen hatten die Gefangenen in den Lagern nicht mehr. Nur noch Nummern.

„Verlegen“ war ein Codewort für „Umbringen“ (ähnlich dem verschleiernden Sprachgebrauch der Nazis: Sonderbehandlung. Evakuierung nach dem Osten. Den Gnadentod gewähren. usw.)

Aus einem Bericht der argentinischen Zeitung pagina12 vom 9. Februar 2011 über den Prozess gegen einige Verantwortliche aus dem Folterlager El Vesubio (Buenos Aires), ergänzt um Notizen nach dem WDR/ARD-Film … und dass du zwei Tage schweigst unter der Folter von Frieder Wagner / Elvira Ochoa (1991).

Elena Alfaro ist eine der wenigen Überlebenden des Vesubio aus 1977:

„Eine der schlimmsten Erfahrungen war, dass wir nackt – aber mit capucha – vor der Dusche Schlange stehen mussten und die Militärs uns betatschten, und obszöne Bemerkungen über unsere Körper machten. Da merkten wir, es ging darum, unsere Würde vollkommen zu zerstören. Und ich erinnere mich, einmal war auch Elisabeth dabei.“

„Am späten Abend des 23. Mai (1977) wurden wir – 16 Gefangene, darunter mein Mann, Luis Alberto Fabbri, Elisabeth und ich auf den Hof des Lagers beordert. Wir waren völlig unvorbereitet. Es hieß, wir würden jetzt „verlegt“. Plötzlich öffnet sich die Tür und irgendjemand brüllt: '08 zurück in die cuchas'. Darauf fesselten sie mich und brachten mich zurück in meine cucha. Mir war schon alles egal,ich habe nur noch geheult und geschrien.

Darauf schaffte es Violeta (Irma Beatriz Sayago), sich aus ihren Handfesseln zu befreien, sie nahm das ungeheure Risiko auf sich, kam zu mir rüber, schüttelte mich und sagte:
'Elena, sei dir darüber klar, du bist die einzige, die hiervon erzählen kann'.

Und das war wie ein Frieden für mich und das sind die Worte, die ich behalten habe, um zu widerstehen, um zu überleben.
Diese sechzehn Gefangenen waren die Opfer des Massakers von Monte Grande. Elena gehörte nicht dazu, sie war die einzige Schwangere in der Gruppe. “

Ich habe in den vergangenen Jahren an jedem 24. Mai per Pressemitteilung zu einem gemeinsamen Gedenken auf dem Ernst-Käsemann Platz eingeladen, ein paar Sätze gesprochen und Blumen (mit argentinischer und deutscher Nationalflagge) niedergelegt. Groß war der Zulauf nicht, aber ein paar Unentwegte sind stets gekommen.

Nicht so im vergangenen Jahr, da war ich allein. Deshalb mache ich am heutigen 24. Mai nichts. Ich hoffe, die vorstehenden Zeilen werden als stiller Protest verstanden. Als Appell, Elisabeth Käsemann nicht ganz und gar zu vergessen. Ich bin jetzt 82. Aufgeben möchte ich nicht. Nächstes Jahr versuche ich es mit Telefonieren, Klinkenputzen (keine Angst: nicht bei der Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte des Kirchenkreises und eher zurückhaltend bei der Evangelischen Gemeinde Rotthausen).

„Elisabeth Käsemanns menschenrechtliches Vermächtnis“ - ich möchte es nach besten Kräften bewahren. Oder vielleicht besser: Ihr politisches Vermächtnis. Den Kampf gegen neoliberale Politik, die sich in Lateinamerika – siehe jetzt Brasilien - nur mit brutalstem Terror durchsetzen lässt.

Quiqueg
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Von GE nach B.A.

Beitrag von Quiqueg »

Die Gespanya 22 auf dem Neumarkt hat bei mir Erinnerungen an meinen Besuch der ESMA-Gedenkstätte in Buenos Aires (2015) wach werden lassen. Musik (Tango, versteht sich) Essensstände, alles rappelvoll, könnte man sagen, wenn das Gelände nicht so weitläufig wäre. Später war ich noch ein paarmal da, wegen der Bücherei, des Archivs und des Personals, das man dort befragen kann. Auch bei der deutschen Botschaft war ich – gleichfalls ein ergiebiges Gespräch. Hier in Deutschland hat mich zu meiner freudigen Überraschung Ulrich Käsemann, Elisabeths Bruder, angerufen. Wir haben dann mehrfach telefoniert. Da gäbe es einiges zu berichten. AUF hat ja bei seinem Lokal an der Hauptstraße die bekannte Tafel angebracht, nach der Elisabeth „eine von uns“ , eine Courage-Frau avant la lettre, gewesen sein soll. Das hat mit der Trotzkistin Elisabeth ebenso wenig zu tun wie der MLPD-Lenin mit dem wirklichen, vom MLPD-Marx zu schweigen. „Sobre la teología de la liberación aún hay mucho que reflexionar“ - Über die Theologie der Befreiung muss man noch viel nachdenken“ -heißt es in meinem Spanischbuch. „Das Evangelium hat nur eine Botschaft: Die Befreiung . Hier und jetzt!“ Das hat sie ihrer Familie nach Hause geschrieben. 'Ermordet wurde sie am 24, Mai 1977, drei Tage vor einem Fußballspiel Argentinien-Deutschland, das auf die WM 1978 einstimmen sollte. 2024 kommt die WM in Katar, und das Thema „Fußball und Menschenrechte“ ist aktueller denn je..

matz
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Re: Elisabeth Käsemann

Beitrag von matz »

nun, die WM in Katar kommt schon in fünf Monaten

Quiqueg
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Elisabeth Käsemann - in GE unvergessen - hoffentlich

Beitrag von Quiqueg »

Zum Thema Rückblick auf die WM Argentinien1978 – Vorausblick auf Katar 2024 siehe auch Deutschlandfunk „Fußball und Folter – Wie Argentinien an 1978 erinnert“ : „Im Norden von Buenos Aires hatte die ESMA ihren Platz, die Mechanikerschule der Marine. Während der Militärdiktatur war hier ein Folterzentrum untergebracht. Das River Plate Stadion, in dem das Finale stattfand, lag wenige hundert Meter von der ESMA entfernt. “

„Argentinien möchte die WM 2030 ausrichten, gemeinsam mit Paraguay und Uruguay. Es wäre für den Fußball eine Chance, um der Welt zu zeigen, dass 1978 nicht vergessen ist.“

2015 war es das noch nicht. Das ESMA -Erinnerungs- und Informationszentrum war rege besucht, im Internet findet sich eine gewaltige Masse an Material zu den Verbrechen der argentinischen Diktatur. Mehr als empfehlenswert auch: Wolfgang Kaleck: Kampf gegen Straflosigkeit (2010). Kaleck, das ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights und andere Menschenrechtler sind bis heute höchst aktiv, jetzt auch bei der Aufklärung und Dokumentation der Morde, Vergewaltigungen und weiteren Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in der Ukraine.

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Benzin-Depot
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Re: Elisabeth Käsemann - in GE unvergessen - hoffentlich

Beitrag von Benzin-Depot »

Quiqueg hat geschrieben:
12.06.2022, 15:44
Zum Thema Rückblick auf die WM Argentinien1978 – Vorausblick auf Katar 2024 siehe auch Deutschlandfunk „Fußball und Folter – Wie Argentinien an 1978 erinnert“ [...]
daran kann man nicht oft genug erinnern. Die Deutsche Welle berichtet darüber vor 4 Jahren, unter dem Titel "Fußball und Politik: Der tragische Fall Elisabeth Käsemann" und erinnerte dabei auch an die Mitschuld der BRD.
dw.com" hat geschrieben:Als Udo Jürgens mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft seinen größten Schallplattenhit kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft in Argentinien singt, ist die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann schon nicht mehr am Leben. Am 24. Mai 1977 wird das bekannteste Opfer der argentinischen Militärdiktatur durch Schüsse ins Genick und in den Rücken ermordet. Die Tochter des berühmten Tübinger Theologen Ernst Käsemann könnte heute noch leben, hätte das deutsche Außenministerium damals nicht die Hände in den Schoß gelegt.[...]
Weiterlesen bitte hier : https://www.dw.com/de/fu%C3%9Fball-und- ... a-44242074
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

Quiqueg
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Trauer Wut Empörung

Beitrag von Quiqueg »

„So hoch der Preis für die Menschenrechtsverteidiger*innen vor Ort sein mag, so aussichtslos die Situation oft scheint, so viele Rückschläge nicht nur die unmittelbar Betroffenen erleiden mögen, es gibt keine Alternative zu diesem nie abgeschlossenen Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit. Wer sich angesichts der schrecklichen Geschehnisse einen Rest Glauben daran bewahrt, dass die menschliche Geschichte nicht nur Folter und Diktatur hervorbringen kann, sondern sich die Dinge auch zum Positiven wenden können, wird die Erfolge der Mütter der Plaza de Mayo und ihrer Weggefährtinnen aus Argentinien und anderswo zu schätzen wissen.“
Geschrieben hat das Wolfgang Kaleck in Kampf gegen die Straflosigkeit – Argentiniens Militärs vor Gericht (2010).

Meine Idee wäre: Bei mindestens einem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf dem Ernst-Käsemann-Platz in Rotthausen eine Demonstration, etwa nach dem Vorbild von „FußBALL JA – FOLTER NEIN“ im Jahre 1977/78. Am 5. Juni 1977 hatte es schon ein Freundschaftsspiel Argentinien – Deutschland zwecks Einstimmung gegeben. Kurz zuvor – am 24. Mai – war Elisabeth Käsemann ermordet worden, als eines von 16 Opfern des „Massakers von Monte Grande“. Näheres in den Fernsehdokus „dass du zwei Tage schweigst unter der Folter“ (WDR Frieder Wagner) und „Das Mädchen“ (ARD/WDR) Erik Kriegler. Das könnte die Erinnerung an Elisabeth Käsemann lebendig halten. Die war auch Opfer von Bildzeitungshetze und einer deutschen Diplomatie (Außenminister Genscher, Botschafter Kastl) geworden, die sich zu Komplizen des argentinischen Staatsterrors gemacht hatten. Die damalige Ausstellung „Fußball Ja. Folter nein“ ist noch im Internet abrufbar. Gelsenzentrum, LINKE, Grüne, Falken & Co. würde ich auch gern als Mitveranstalter gewinnen wollen, d.h. sie mindestens auf eine Beteiligung ansprechen. Ich hätte nichts dagegen, mich allein mit einem Transparent gegen diese wahrlich obszöne WM auf den Ernst-Käsemann-Platz zu stellen. Aber im Kreise einiger Gleichgesinnter wäre das schon besser.

Quiqueg
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"Fußbälle wie Grabsteine" in Herne-Wanne" Und in GE???

Beitrag von Quiqueg »

zu „Fußbälle wie Grabsteine“, WAZ (Rhein-Ruhr) von heute
Elisabeth Käsemann wurde Im März 1977 von argentinischen Militärs in Buenos Aires festgenommen, in ein geheimes Lager verschleppt und dort entsetzlich gefoltert. Sechs Wochen lang durchlief sie weitere Geheimlager, eines davon als „die Hölle“ bekannt, und kam schließlich Mitte Mai ins berüchtigte „Vesubio“. Von dort aus wurde sie mit weiteren 15 Gefangenen in ein leerstehendes Landhaus „verlegt“ Das bedeutete Verlegung in den Tod. Nur eine Mitgefangene, Elena Alfaro, entging diesem Schicksal: Sie war schwanger, man wollte die Entbindung abwarten, danach ihr Kind zur Adoption freigeben und sie erst dann umbringen. „Während erste Meldungen über die Erschießung Elisabeth Käsemanns vorlagen, fand am 5. Juni in Buenos Aires das Länderspiel Argentinien- Deutschland statt. 63 000 Zuschauer.“ Im Hexenkessel des ausverkauften Boca-Junior-Stadions. 3:1 für Deutschland. Eine taktische Lektion des amtierenden Weltmeisters.“ So „Bild“ am 6.Juni. Helmut Schön: „Wir müssen auch der fußballbesessenen Bevölkerung gerecht werden“. Sepp Maier und andere Gaudiburschen von Bayern München und anderen Vereinen (leider auch von Schalke 04) fanden kein deutliches Wort (Paul Breitner ausgenommen). Die damals Argentinien regierende Junta war sehr um ihren internationalen Ruf bemüht. Vernehmlicher Protest deutscher Regierungsstellen blieb aber aus. Mit „Fußball Ja Folter Nein “ hatten auch deutsche Menschenrechtler*innen die deutsche Regierung (Schmidt/Genscher und ihre FDP-Staatssekretärsriege) aufzurütteln versucht. Vergebens. Die damals dreißigjährige Eisabeth Käsemann, von Genscher wegwerfend „das Mädchen Käsemann“ tituliert, könnte heute noch leben. Als Mädchen von 75 Jahren – hätten die damaligen Proteste regierungsamtlich Gehör gefunden. Umso dringlicher ist es, dass Gelsenkirchen es jetzt den Hernern nachtut. Dazu rufe ich hiermit auf. Der Ernst Käsemann-Platz in Rotthausen bietet da einigen Raum.

Quiqueg
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Entschwurbelung eines Erinnerungsortetafeltextes

Beitrag von Quiqueg »

Zum Thema „ Ernst Käsemann und seine Tochter Elisabeth“ habe ich – leicht gekürzt - an unsere Oberbürgermeisterin folgendes geschrieben:

„Am 10. 12. 2012 hat die Botschaft der Argentinischen Republik (in Berlin) auf ihrer Website berichtet: „Enthüllung einer Gedenktafel. An der Zeremonie nahmen auch Mitglieder der Evangelischen Kirche am Río de la Plata teil, die speziell zu dieser Gelegenheit eingeladen wurden“. Ist das auch in Gelsenkirchen kommuniziert worden? Noch habe ich dazu nichts entdecken können. Mir ist so, als hätte ich mal irgendwo gelesen, die Kirche am La Plata habe in irgend einer Form Beziehungen zur Evangelischen Lukasgemeinde in Hassel. Weiß jemand Näheres? Ich habe einige Schwierigkeiten mit dem für meine Begriffe teils dahergeschwurbelten, teils auch offenkundig falschen Text der an der Pastoratstraße versteckten amtlichen „Erinnerungsortetafel “: War es tatsächlich „für die Öffentlichkeit nicht erkennbar“, dass sich die damalige Bundesregierung (also das sogenannte sozialliberale Kabinett Schmidt – Genscher) „im Umfeld der Fußball- WM (1978) nicht besonders für Elisabeth Käsemann eingesetzt hat“ Erhard Eppler: „Noch nie hat sich nach einer Regierungserklärung – nicht einmal nach der Ludwig Erhards im Herbst 1965 – eine solche Atmosphäre geistiger Öde verbreitet wie nach (Helmut Schmidts) Regierungserklärung vom November 1980. Man hatte den Eindruck, die ganze Gesellschaft sei jäh in den Sog des politischen Nichts geraten. Niemand, ganz zuletzt die Opposition, konnte das Vakuum füllen, das sich aufgetan hatte“. Nicht wenige SPD-Bundestagsabgeordnete hatten nach der Entführung und Ermordung Elisabeths Krach geschlagen. Das hat die Kabinettssitzung vom 1. Juli 1977 ausgelöst, nachzulesen in den „Akten zur Auswärtigen Politik Deutschlands (AAPD)“, die jetzt auch im Internet zugänglich sind. Elisabeth Käsemanns Leichnam war damals In Deutschland obduziert und danach unter heimlicher Beobachtung des Verfassungsschutzes bestattet worden. “Sie gab ihr Leben für Freiheit und mehr Gerechtigkeit und einem von ihr geliebten Lande“, schrieben ihre Eltern an die bundesdeutsche und die internationale Öffentlichkeit. Mittlerweile trägt eine dezentrale Bildungseinrichtung des Kirchenkreises den Namen „Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte“. Wie schön! Aber reicht es aus,um an eine trotzkistische Revolutionärin zu erinnern?

Quiqueg
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Re: Elisabeth Käsemann

Beitrag von Quiqueg »

Bürgeranregung: Das zuständige Gremium möge beschließen: Der Text der Erinnerungsortetafel „Ernst Käsemann im Pfarrhaus Rotthausen“ wird etwa wie folgt neu gefasst:

„Ernst Käsemann (1906 – 1998) wirkte von 1933 bis 1946 als Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Rotthausen, wo der inner- und außerkirchliche Kampf gegen die Nazis geführt wurde. In Bochum als Sohn eines 1915 in Russland gefallenen Volksschullehrers geboren, wuchs er in Essen auf, machte dort das Abitur und studierte danach Theologie, zunächst in Bonn, dann als anerkanntes Mitglied der „Marburger Schule“ in Marburg, wo er 1931 bei seinem Lehrer Rudolf Bultmann, zum Doktor der Theologie promoviert wurde. 1932 berief ihn die hiesige Gemeinde die damals 15 000 Mitglieder umfasste, zum Pfarrer ihres 1. Pfarrbezirks. 1935 heiratete er die Musikstudentin Margrit Wizemann. Dem Paar wurden die Kinder Dietrich, Ulrich, Eva und (1947) Elisabeth geboren. Sie wurde 1977 in Argentinien, wo sie sich in der sozialistischen Arbeiterbewegung für die Armen und Unterdrückten engagiert hatte, unter dem Regime Videla ermordet. In ihrer radikalen Entschiedenheit war sie dem Vater sehr ähnlich. In seinen Predigten redete Ernst Käsemann Klartext. Seine Frau stand mit ihm die ständige Bespitzelung und die sich ab 1936 stark häufenden Vorladungen durch die Gestapo durch. „Waren die, welche atheistisch dachten, der kommunistischen Partei treu gebieben waren, Menschen, um die er sich nicht zu kümmern brauchte? In Rotthausen war das unmöglich“. Bei solchen Menschen fühlte er sich besonders sicher. Viele von ihnen sprachen mit Respekt von ihm: „Die Gestapo stand ja Schlange vor seinen Gottesdiensten.“

Am 15. August 1937 predigte er : „Viele Stimmen gehen heute durch unsere Gemeinde, Stimmen des Entsetzens, der Angst, des Trotzes, der Empörung, der Verzweiflung. So mancher aber, der vordem seinen Mund auftat, schweigt heute lieber als ein vorsichtiger Mensch. Wie ängstlich waren wir, wie verzagt, wie unsicher. Wir meinten, wir müssten mit den Wölfen heulen. Da wurden sie (die Nazis) dumm und fingen an, die hohen Posten und Titel unter sich zu verteilen.“

Damals schrieb ihm ein Presbyter, er wolle „sich nicht monatelang solche Predigten anhören und zusehen, wie man ganz bewusst das Volk zu offenem Widerstand auffordert.“ Deshalb habe er die Gestapo benachrichtigt „Ich habe wohl auch an Ihre Familie gedacht, aber dem steht die Sicherheit und das Ansehen des deutschen Volkes gegenüber.“

Enttäuscht blickte Ernst Käsemann nach dem Krieg auf die evangelisch-kirchliche Entwickliung zur Restauration Er selbst wandte sich den Kirchen in der Dritten Welt zu und schuf Grundlagen, auf denen Dorothee Sölle, Jürgen Moltmann und Leonardo Boff mit der Theologie der Befreiung aufgebaut haben. „Ohne dass ich Marxist wäre, ich sehe die Dämonie am stärksten im kapitalistischen Denken des weißen Mannes. Dadurch werden in der Dritten Welt zwei Drittel der Erdbevölkerung zum Objekt der Ausbeutung und erscheint diesen zwei Dritteln die Erde als Hölle“.

Bis ins hohe Alter blieb Ernst Käsemann der evangelischen Kirchengemeinde Rotthausen verbunden. 1981 predigte er hier noch einmal : „Niemand soll behaupten, der Klassenkampf habe aufgehört. Er ist vielmehr weltweit geworden. Die Ausländer, die wir einmal gerufen und ausgenutzt haben, werden verachtet oder gehasst.“

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